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10 Jahre iPhone: Ich fand das iPhone damals ziemlich kacke

10 Jahre iPhone. Wow, wie die Zeit vergeht. Als Steve Jobs das erste iPhone vorstellte, war gerade mit der Uni fertig und fand ich das Gerät ziemlich überflüssig: Ein iPod mit Touchdisplay und Telefon war in meiner Welt damals ungefähr überflüssig wie ein Staubsauger mit eingebautem Toaster. Kein Wunder: Das iPhone der ersten Generation war ein riesiges Handy, das vieles konnte – aber eben nichts besser als die damals verbreiteten Einzelgeräte. Wieso also so einen Quatsch kaufen? Und die Revolution, die es auslöste, ist Fluch und Segen gleichermaßen.

Teures Gadget für Apple-Fanboys

Jaja, das iPhone 1 – selten hatte ich nach einer Apple-Keynote so wenig Lust auf ein neues Apple-Device verspürt wie damals – vom neuen Macbook mit Touchbar vielleicht abgesehen. Der Touch-Bildschirm mochte faszinierend sein, der Rest war ziemlicher Käse: Dreieinhalb Apps waren vorinstalliert, vom AppStore weit und breit noch keine Spur. Stattdessen appletypisch restriktive Hardware ohne Anschlüsse, ja sogar ohne Speicherkartenslot, mit lausiges Speichergrößen von 4 Gigabyte aufwärts. Obendrauf eine mistige Kamera, fehlendes UMTS und, immerhin, ein eingebauter iPod. Von der neuartigen und mir damals höchst suspekten Bildschirm-Tastatur abgesehen. Und für diesen Quatsch rief Apple dann selbstbewusst 599 US-Dollar auf – wohlgemerkt MIT einem teuren Vertrag bei AT&T. Und in Deutschland erhältlich war es zunächst auch nicht und dann nur bei T-Mobile, inklusive Providerbindung und Teuer-Vertrag. Unnötiger Bullshit.

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Der iPod war schon drin!

Die Revolution musste bei mir warten

Damals war ich in aller Regel mit meinem K750i unterwegs. Damit konnte ich telefonieren, SMS schreiben und Fotos machen. Das Handy hatte eine für die Zeit ausreichend gute Digitalkamera an Bord – und die war obendrein besser als die in Apples neuem Teuer-Spielzeug. Ich hatte außerdem einen iPod und eine Kompaktkamera immer dabei – mehr war nicht nötig. Das iPhone schien zunächst keines dieser Geräte auch nur ansatzweise zu ersetzen. Ein Freund von mir trieb wenige Wochen nach dem Release den Aufwand, sich so ein iPhone der ersten Generation aus den USA zu besorgen. Viel konnte man mit dem Teil nicht machen. Allerdings gab es zur Entfernung der Providerbindung inzwischen einen Jailbreak – und der wiederum machte plötzlich das Nachinstallieren von Software möglich. Interessant fand ich es aber nach wie vor nicht. Aus Spaß an der Technik kaufte ich mir allerdings einen iPod Touch der ersten Generation – auch, weil der exakt das Gleiche konnte wie das iPhone minus Telefon. Und der eben einerseits erhältlich und andererseits auch nicht so schlimm teuer war.

Plötzlich immer online sein

Ich blieb recht lange bei der Kombi K750i, iPod touch und Digitalkamera. Zeitgleich kamen die Netbooks auf, die ich im Sommer 2007 und 2008 deutlich smarter fand als das, was Apple da als „Smartphone“ bezeichnete.

In Apples Arme trieb mich dann ein längerer Krankenhausaufenthalt wegen einer schweren Erkrankung Ende 2008. Genauer gesagt die Kölner Kriminalitätsraten, die dafür sorgten, dass mein iPod und mein Netbook spurlos aus dem Krankenzimmer verschwanden. Die Geräte zahlte später teilweise die Hausrat, doch bis es so weit war, hatte mich Apples Marketing so weit, dass ich mir ein iPhone 3G kaufte. Ich weiß nicht mehr, was es gekostet hat, aber günstig war es nicht. Dazu kam der Vertrag, der charmante 50 Euro pro Monat kostete. Dafür bekam ich gigantische 300 Megabyte UMTS-Volumen und 100 Freiminuten. Und einen AppStore gab es auch inzwischen.

Die Sache mit dem AppStore

Der AppStore war damals allerdings ein Schatten seines heutigen Selbst: Heute gibt es dort ungefähr alles, damals bestand der Inhalt hauptsächlich aus einfachen Spielen und blödsinnigen Apps, die das damals neue Killerfeature „Bewegungssensor“ nutzten. Und so tranken plötzlich alle, die sich ein iPhone leisten konnten, virtuelles Bier (haha) oder schwangen virtuelle Lichtschwerter (auch nicht witzig), was die Investition in dieses Preismonster von einem Telefon natürlich voll und ganz rechtfertigte. Ich müsste lügen, wenn ich behauptete, es nicht zumindest auch ausprobiert zu haben. Wenigstens kam dann Tetris raus.
Das deutlich interessantere Zeug gab natürlich im Cydia-Store, dessen Idee Apple inzwischen kopiert hatte. Die hier angeboteten Apps waren aber mit jedem Software-Update erstmal weg vom Fenster, weshalb ich die Jailbreakerei schnell an den Nagel hing.

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Das Smartphone ist aus dem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken. (Bild: Pexels.com)

Apple brachte auch die Telefon-Obsoleszenz

Das iPhone 4 löste endlich meine Kompaktkamera ab, weil seine Kamera endlich gut genug war, ansonsten kamen viele Hardware- und Software-Updates. Wichtiger war jedoch, dass das iPhone die Obszoleszenz in den Mobilfunkmarkt gebracht hat: Während mein K750i, inzwischen 11 Jahre alt, noch heute als Arbeits-Handy meiner Freundin seinen Dienst fristet – wohlgemerkt mit dem ersten Akku – ist das iPhone eine Dauerbaustelle: Mit dem iPhone 6S besitze ich inzwischen mein viertes iPhone-Modell. Allerdings vermutlich bereits mein Dutzendstes iPhone: Das iPhone 3G hatte öfter WLAN-Probleme und musste mehrfach von Apple ausgetauscht werden, beim iPhone 4 traten diverse Fehler auf. Das iPhone 5 verbog sich in der Hosentasche, der eigentliche Fehler war aber erneut das leidige WLAN. Beim 6S waren schließlich Akkuprobleme die Ursache für einen Tausch. Vom iPhone 3G zum iPhone 4 und später zum iPhone 5 wechselte ich eigentlich nur, weil iOS auf dem Altgerät unendlich langsam geworden war.

Seit 8 Jahren nichts anderes mehr

Doch was ist mit der viel gerühmten Kommunikationsrevolution, die das iPhone auslöste? Nun: Ich für meinen Teil habe vor allem festgestellt, dass das Smartphone die Kommunikation vom Zwischenmenschlichen auf den Bildschirm verlagert hat – mehr als jedes technische Gerät zuvor. Statt zu flirten, wird getindert. Statt zu denken, wird gegoogelt. Diskussionen und Gespräche waren durch das iPhone und seine Android- und Windows-Nachahmer plötzlich hyperfaktisch: Niemand merkt sich mehr Argumente, Namen oder Ereignisse, denn Wikipedia und Schwarmwissen waren nur eine Siri-Frage entfernt.
Ehemals spaßtrunkene Diskussionen Halbwissender, wie wir früher alle waren, werden dadurch im Keim erstickt. Und auch diese ewige Verfügbarkeit von Youtube und Facebook ist mehr Fluch als Segen: Statt sich zu unterhalten, zeigen sich die Menschen Videos und Memes auf ihren Bildschirmen. Das tun sie inzwischen überhaupt sehr viel.

Sicher: Die Überall-Verfügbarkeit von sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook – und damit auch das Smartphone selbst – haben die Welt verändert. Der arabische Frühling wäre ohne diese Geräteklasse ebensowenig möglich gewesen wie diverse nervtötende Shitstorms oder die Angst der Politiker und Machthaber vor beidem. Der Prozess war schleichend. Doch wie bei jeder Revolution wurde dadurch eben auch nicht alles besser.

Der Immer-dabei-Computer ist gesetzt

Das Smartphone als Immer-dabei-Utensil und die damit einhergehende dauerhafte Verbindung von Mensch und Maschine ist allerdings bereits jetzt historisch gesetzt: Die Präsentation des Ur-iPhone war der entscheidende Schritt zur technischen Singularität. Es ist das erste Mal in der menschlichen Geschichte, dass der Mensch – alle Menschen, vom Ärmsten bis zum Reichsten – sich derart massiv auf ein persönliches technisches Gerät verlässt und verlassen kann. Dass er seine Augen, Ohren, seinen Geist, seine Erinnerungen und nicht zuletzt seine Wahrnehmung Realität nicht nur mit einem kleinen technischen Gerät erweitert, sondern sie ihnen auch anvertraut. Dass das ein einzigartiges Ereignis in der Menschheitsgeschichte darstellt, dürfte ebenfalls auf der Hand liegen. Die Frage ist nicht mehr, ob wir uns mittelfristig dauerhaft mit dem Rechner verbinden werden – sondern in welcher Form das passieren wird. Cyborgs sind wir durch iPhone & Co. alle schon längst.

Cyborg
Das Smartphone hat uns längst zu Cyborgs gemacht.

Was die Zukunft bringt

Derzeit stagniert zwar die Entwicklung, der Sprung vom iPhone 5 zum aktuellen iPhone 7 ist in vielerlei Hinsicht irrelevant. Und auch andere Smartphone-Hersteller leiden unter diesem Problem. Das wird aber nicht immer so bleiben, auf Phasen der Stagnation folgen immer solche des schnellen Fortschritts. Es kann sein, dass sich die Dinge, wie einst vor dem iPhone nur langsam entwickeln, bis Neues mit einem Knall die Welt erschüttert. Was kommen wird? Wir wissen es nicht. Fest steht, dass das Smartphone sicher nur der Anfang der Verschmelzung von Mensch und Maschine war. Und wer weiß: Vielleicht schreibe ich in 10 Jahren zum 20. Geburtstag des iPhones an dieser Stelle nur mit meinen Gedanken und ärgere mich darüber, wie primitiv die Smartphones mit ihren fummeligen Tastaturen im Jahr 2017 waren. Und dann werde ich mich vielleicht fragen, wie wir damals, also 2017, damit leben konnten, dass die Dinger nicht direkt ins Gehirn gepflanzt wurden.

Christian Rentrop

Diplom-Journalist, Baujahr 1979. Erste Gehversuche 1986 am Schneider CPC. 1997 ging es online. Seither als Schreiberling in Totholzwäldern und auf digitalen Highways unterwegs. Öfter auch auf der Vespa oder mit dem Wohnwagen unterwegs. Seit 2020 Tochtervater, dementsprechend immer sehr froh über eine kleine Kaffeespende.

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