Meinung

Zum Mäusemelken: Plus-Garantie und klimafreundliche Verkehrspolitik

Es gibt wirklich Dinge, die nerven. Dazu zählen auch Ausflüge in die Innenstadt, um zum Beispiel einen Fernseher zu kaufen. Einige Überlegungen zu Zusatz-Garantien und Klimaschutz.

Neulich war ich mal in der alten Heimatstadt, in Bonn. Der Grund war ein Fernseher, genauer gesagt ein LG OLED C8: Das Modell ist gut, aber, weil Auslaufmodell, inzwischen leider überall vergriffen. Bei Media Markt in Bonn gab es noch einen Aussteller für kleines Geld, den ich kaufen wollte. Grober Fehler, denn sowohl der Media Markt, als auch die Bonner Verkehrspolitik sollten mich in den Wahnsinn treiben.

Von Köln nach Bonn fahren

Von Köln aus ging es flott über die Autobahn nach Bonn. Kaum über die Bonner Stadtgrenze gerollt, begann der Stau. Als alter Bonner weiß ich: Ein Entkommen oder gar Umfahren ist völlig unmöglich, denn Bonn ist „klimafreundliche Stadt“ und hat obendrein noch den „Klimanotstand“ ausgerufen. Das heißt, dass man den Verkehr politisch behindert, wo es nur geht, um möglichst hohe Stickoxid- und Feinstaubwerte zu erzielen und möglichst viel CO2-Ausstoß zu produzieren. Damit man dann einen Grund hat, den Verkehr noch mehr zu behindern. Weitere Details erspare ich Euch, aber nach 50 Minuten Stop-and-Go, einigen höchstkriminellen Fahrmanövern, der Frage nach der Sinnhaftigkeit der Aktion mit Beinahe-Abbruch und einer Ehrenrunde über den City-Ring, weil ich eine Seitenstraße verpasst hatte, hatte ich mich endlich die drei Kilometer durch den Bonner Dauerstau gewühlt. Nachdem ich geparkt hatte, konnte ich endlich zum Media Markt aufbrechen.

Eigentlich ist Bonn wirklich schön. Wenn nur der Verkehr nicht wäre...
Eigentlich ist Bonn wirklich schön. Wenn nur der Verkehr nicht wäre…

Support your local Dealer!

Einige Minuten später war ich dann beim Media Markt. Wenn man manche Kommentare zu dem Thema liest, könnte man ja meinen, das Konzept sei albern und überholt. Manche Media-Markt-Hasser sagen dann auch immer, dass sie „nur noch im Internet bestellen“. Die andere Fraktion will als Gegenpol „den großen Fluß (Amazon) wegen der Ausbeutung meiden“ – es gibt ja so kluge Menschen im Internet. Ich bin da anderer Ansicht: Lokale Ladengeschäfte sind, genau wie der Online-Handel, gut und sinnvoll. Das eine bietet sich hier an, das andere dort. Dazu muss ich sagen, dass ich ein Kunde bin, wie ihn sich der stationäre Handel nur wünschen kann: Ich informiere mich selbstständig online und kaufe dann oft einfach und ohne große Rückfragen offline. Ich weiß, dass viele Kunden das andersherum machen und finde das unmöglich. Manchmal will man Sachen ja auch direkt haben oder einfach stöbern. Und oft sind Online-Händler eben auch nicht besonders günstig. Deshalb schätze ich für Haushaltsgeräte meinen tollen Kolbe & Co. in der Kölner Südstadt. Und für Elektronikkram eben Cyberport, Media Markt, Saturn und so weiter. Besonders, seit die dieses wunderbare Online-System haben, um die Verfügbarkeit im Laden zu prüfen. Wenn nun auch noch das Personal so praktisch wäre… stattdessen tappte ich mitten in eine Vorführung der Einzelhandels-Clownschule.

Media Markt: Das geht doch echt besser, oder?

Ich wusste ja, was ich wollte, wühlte mich also durch das 0-Prozent-Finanzierungs-Volk in Richtung Fernseher und wurde zu meiner Überraschung trotz übervollem Laden direkt von einem Kundenberater angesprochen. Dem sagte ich, dass ich gerne den LG OLED C8 hätte. Er schaute im System nach und wies darauf hin, dass das letzte Geräte ein Vorführer wäre, was mir ja bekannt war. Ich sagte: „Na, da kann man ja sicher noch etwas am Preis machen, oder?“ Das überforderte den ersten Verkäufer sichtlich. Und so blieb er schweigend neben mir stehen. Ich suchte schon nach seinem Stromkabel oder Reset-Knopf, weil ich den Eindruck hatte, dass er abgestürzt war. Doch dann regte er sich. Es entspann sich folgender Dialog:

Ich: „Also, geht da noch was am Preis?“
Verkäufer 1 schaut abwesend durch den Laden.
Ich: „Hallo?“
Verkäufer 1 googelt (!) den Preis des Fernsehers. Dann: „Wir haben auch einen Sony da.“
Ich: „Will ich nicht. Ich möchte den LG.“
Verkäufer 1: „Der Philips da hinten ist auch nicht schlecht.“
Ich: „Ich weiß schon, was ich haben möchte. Können wir denn bei dem LG was am Preis machen?“
Verkäufer 1 guckt wieder abwesend durch den Laden.
Ich: „Hallo?“
Verkäufer 1: „Es gibt auch ein Nachfolgemodell.“
Ich: „Ich weiß. Was ist jetzt mit dem Preis?“
Verkäufer 1: „Ich warte auf den Kollegen. Ich darf nicht über Preise entscheiden.“
Ahja.

Selbstgerechte Inkompetenz

Der Kollege tauchte dann fünf Minuten später auf und motzte Verkäufer 1 erst einmal an, warum der „so faul hier rumstünde.“ Wohlgemerkt: Ich stand daneben. Verkäufer 1 rechtfertigte sich kurz, schilderte die Lage und überließ dann Verkäufer 2 die Bühne. Der Typ blies sich ein wenig auf, um die Riesenpackung selbstgerechte Inkompetenz auszustrahlen, die außer schlechten Heimwerkern nur Verkäufer in solchen Läden an den Tag legen. „Welchen Fernseher wollen sie?“ Ich schilderte erneut das mit dem LG, dem Vorführer und der gewünschten Preisreduzierung. Genau das, was Verkäufer 1 10 Sekunden vorher auch schon erzählt hatte. Verkäufer 2 googelte (!) erneut den Preis, öffnete das Warenwirtschaftssystem und zeigte dann direkt Entgegenkommen: „Ja, da geht was.“ – Immerhin! Was denn ginge? „Überlegen Sie sich was!“ Liebenswert. Ich warf einfach mal 100 Euro in den Raum. Verkäufer 1 zischte laut durch die Zähne und tippte am Computer herum. Er könnte mir 60 Euro anbieten, allerdings müsste er sich dafür dann später vor der Geschäftsführung rechtfertigen. Weil der Preis so krasssuperniedriggeizistgeil ist – ich habe verstanden, Herr Verkäufer 2. Er hätte mir an dieser Stelle auch sagen können, dass die Preisreduktion seiner Oma von der Rente abgezogen würde. Das wäre mir nämlich auch total egal gewesen. Ich schlug ein, wollte aber eine Rechnung.

Wollen Sie eine Plus-Garantie?

Er tippte. Ich musste ihm viermal meinen Namen buchstabieren. Der so komplex ja jetzt nicht ist. Auch mein Straßenname überfordert solche Leute zuverlässig, aber das war mir schon bekannt. Als endlich alles eingetippt war, wandte sich Verkäufer 2 zu mir um: Ob ich denn eine Plus-Garantie wolle? Ich sagte nein. Die wäre aber total gut, diese Plus-Garantie. Ich wies darauf hin, dass mein letzter Fernseher 10 Jahre gehalten habe und ich mir des Risikos bewusst sei. Dann zog er das goldene Verkaufsargument: Aber heute würden TV-Geräte ja auch nicht mehr so lange halten, deshalb wäre eine Plus-Garantie ja, also absolut, also total, und überhaupt… zwingend! An dieser Stelle hätte ich dem Kerl am liebsten einen Vortrag über den Umgang mit Kunden gehalten. Und wie man Dinge verkauft. Nämlich nicht, indem man sagt, dass sie bald kaputt gehen werden. Aber ich wollte diesen verdammten Fernseher zu diesem verdammt guten Preis, weshalb ich einfach die Klappe hielt. Nicht, dass ich ihn nicht bekommen hätte, wenn ich mir den Kerl zur Brust genommen hätte. Aber ehrlich: Soll die Media-Markt-Leitung solche Mitarbeiter doch zusammenfalten, das ist nicht meine Aufgabe als Kunde.

Die Plus-Garantie ist eine Wette

Aber zurück zur „Garantieverlängern“: Dazu muss man wissen, dass die tolle Plus-Garantie eigentlich eine Versicherung ist. Und jede Versicherung ist eine Wette. Der Versicherungsnehmer wettet für das Eintreffen eines Ereignisses, die Versicherungsgesellschaft dagegen. Je wahrscheinlicher das Ereignis ist und je höher der mögliche Schaden, desto teurer wird die Versicherung. Media Markt nimmt für TV-Geräte dieser Preisklasse pauschal 119,90 Euro als „Police“.

Ich hätte in diesem Szenario also mit einem Einsatz von 120 Euro wetten können, dass mein Gerät innerhalb der Plus-Garantie von fünf Jahren kaputt geht, und Media-Markt wettet dagegen. Niemand wettet aber geschäftsmäßig gegen Defekte, wenn er dabei ständig verlieren, also draufzahlen würde. Allein die Summe von 120 Euro sagt mir: Im absoluten Worst-Case geht maximal eins von zehn Geräten in den fünf Jahren kaputt, meine „Chance“ wäre also 1:9 gewesen. Rechnet man noch Media-Markts Marge ein, dürfte die Chance auf einen Defekt noch schlechter sein, sagen wir 1:18 oder sogar noch weniger. Dementsprechend ist die Wahrscheinlichkeit eines Gerätedefekts innerhalb des Plus-Garantie-Zeitraums eher gering. Denn sonst würde Media-Markt diese Form der „Garantieverlängerung“ schlicht nicht anbieten. Als Techie weiß ich außerdem: Wenn Elektronik kaputt geht, dann entweder beim ersten Einschalten – oder erst nach sehr langer Zeit durch Abnutzung der Bauteile. Im Wett-Jargon ausgedrückt ist die Plus-Garantie damit letztlich eine 119-Euro-Wette auf das einzige dreibeinige Pferd beim Pferderennen. Kann man machen – ist aber dämlich.

Atemlos… durch den Stau

Der Verkäufer gab klein bei, ließ sich aber nicht nehmen, einen dicken Stempel auf die Rechnung zu drücken: „Kunde wünscht KEINE Plus-Garantie.“ Relevanz? Fehlanzeige, vermutlich eher ein Signal in Richtung Kundenservice, um im (Hersteller-)Garantiefall oder gesetzlichen Gewährleistungfall ganz beherzt nervtötend zu agieren. Und den Kunden so beim nächsten Kauf zur Plus-Garantie zu nötigen. Ein meiner Ansicht nach ziemlich dämliches Geschäftsmodell und Nudging in seiner vulgärsten Form. Aber gut, nicht mein Problem: Ich ging bezahlen und sollte den Fernseher anschließend an der Warenannahme abholen. Das schloss eine weitere Runde durch den Bonner Stau ein, denn die Warenannahme bei Media Markt in Bonn ist neben der Einfahrt zur wohl beliebtesten Tiefgarage des Universums. 30 Minuten später konnte ich mein inzwischen gut in 400 Lagen Blasenfolie verpackte TV-Gerät dann einsammeln. Der Typ an der Warenannahme war auch sehr freundlich, allerdings hätte er um ein Haar die Fernbedienung vergessen: Das hätte für mich weitere zwei Stunden Stau bedeutet, denn wie das so ist im Leben, hätte ich das erst zuhause gemerkt.

Nudging in seiner vulgärsten Form.
Nudging in seiner vulgärsten Form.

Liebe Gemeinden, liebe Media Märkte: Wieso wundert Ihr Euch noch?

Unter dem Strich hat mich die ganze Aktion über drei Stunden Lebenszeit gekostet, der Preisvorteil war also dahin. Trotzdem habe ich jetzt mein TV-Gerät und bin zufrieden. Allerdings frage ich mich jetzt auch nicht mehr, wieso sich Städte wie Bonn noch wundern, dass ihre Innenstädte veröden. Und warum die Media-Saturn-Holding GmbH (Ja, Saturn und Media Markt sind im Grunde ein Unternehmen, falls Ihr das noch nicht wusstet…) auch in diesem Jahr wieder sinkende Umsätze meldete. Da kommt viel zusammen: Umlandfeindliche Verkehrspolitik mit Dauerstau-Garantie, lausiger ÖPNV, anstrengendes Personal, seltsamer Kundenkontakt und deutlich besser erreichbare Läden in der Peripherie. Denn sind wir mal ehrlich: Niemand fährt mit der Bahn, um ein TV-Gerät oder andere sperrige Dinge zu kaufen.

Das Leid ist hausgemacht

Natürlich ist da auch noch das „böse“ Internet samt Geiz-ist-Geil-Attitüde, das ja alles so viel schlimmer macht und das immer als Hauptursache genannt wird. Ich spreche mich da selbst nicht von frei, schließlich bin ich aus genau diesem Grund nach Bonn gefahren. Aber ich glaube ganz ehrlich, dass das nur ein kleiner Teil des Problems ist. Viele Waren – jetzt nicht unbedingt Kleinelektronik – sind in Fachgeschäften besser zu kaufen als online. Und es so gibt Vieles, was für die Innenstadt spricht: Man kommt raus, kann Leute gucken, in Geschäften stöbern, sich inspirieren und beraten lassen und Sachen sofort mitnehmen und sich darüber freuen. Und anschließend gibt es einen Milchshake bei McDonalds oder einen Kaffee. Das Problem ist nur: Man kommt kaum hin, weil die Städte in völliger Realitätsverweigerung alles tun, um für potentielle Besucher aus dem Umland unerreichbar zu sein. Und wenn man dann endlich da ist, ist man als Kunde in vielen Geschäften oft deutlich kompetenter als der sogenannte Fachverkäufer. Kein Wunder also, dass viele Menschen dem Online-Handel den Vorzug geben, wenn sie sich ohnehin selbst informieren müssen, um danach im Stau zu stehen. Trotzdem wäre es schade, wenn die Innenstädte wegen solcher Kinkerlitzchen zu Riesenkaufhäusern für Ramsch-Kleidung verkommen würden. Sie sind leider schon auf dem besten Weg dahin.

Übrigens: Dieser Artikel ist Polemik durch und durch. Frohes Kommentarspalten-Meckern.

Christian Rentrop

Diplom-Journalist, Baujahr 1979. Erste Gehversuche 1986 am Schneider CPC. 1997 ging es online. Seither als Schreiberling in Totholzwäldern und auf digitalen Highways unterwegs. Öfter auch auf der Vespa oder mit dem Wohnwagen unterwegs. Seit 2020 Tochtervater, dementsprechend immer sehr froh über eine kleine Kaffeespende.

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