Meinung

CDU gegen Open Source

Gegen Beschluss der Bundes-CDU agiert man in Thüringen gegen freie Software

Die Open Source Business Alliance (OSBA) hat heute auf ein Problem aufmerksam gemacht, das alle Steuerzahler interessieren sollte: Die CDU Thüringen will die Berücksichtigung von Open-Source-Produkten aus dem Gesetz streichen. Und das, obwohl ein Beschluss des CDU-Parteitages von 2019 genau das Gegenteil fordert.

Worum geht es?

Kurz und knapp: Es geht um das Thüringer Vergabegesetz (ThürVgG). Darin wird geregelt, dass Open Source bei der Beschaffung nach Möglichkeit Vorrang vor proprietären Lösungen haben soll. Nun liegen zwei neue Gesetzesentwürfe vor: SPD, Linke und Grüne lassen den betroffenen Paragrafen unangetastet, die CDU streicht Open Source komplett. Das wiederum widerspricht der Forderung der Bundes-CDU.

Die Stellungnahme der OSBA geht auf 6 Seiten etwas mehr in die Tiefe, angereichert durch einige Hintergrundinformationen über Open Source allgemein. Auch zeigt die Stellungnahme die besondere Stellung auf, die Thüringen bezüglich der Unterstützung von Open Source Software inne hat.

CDU vs. Open Source

Stand heute sieht die Gesetzeslage so aus, hier ThürVgG §4 Abs. 2:

„Dort, wo es technisch möglich und wirtschaftlich ist, soll der Einsatz von Open-Source-Software vorrangig erfolgen. Darüber hinaus sollen auch die Aspekte Bedienbarkeit, Zukunftssicherheit, Interoperabilität und IT-Sicherheit berücksichtigt werden.“

Die OSBA fordert hier ebenfalls Veränderung: Die Einschränkung „technisch möglich und wirtschaftlich“ solle entfernt werden. Da Vergabe generell an technische Möglichkeiten und Wirtschaftlichkeit gebunden ist, halte ich diese nochmals speziell auf Open Source gemünzte Einschränkung ebenfalls nicht für sonderlich hilfreich. (Fun Fact: In der Vergabepraxis ist Vergabetheorie quasi nie hilfreich …)

2019 hat die CDU auf ihrem 32. Parteitag einen ähnlichen Beschluss gefasst, der sogar noch deutlich weiter geht:

„Deshalb gilt künftig für alle (öffentlichen) Digitalisierungsprojekte in Deutschland: Auftragsvergabe und Förderung sind an die Einhaltung der Prinzipien Open-Source und offene Standards gebunden.“

Der Gesetzentwurf der CDU Thüringen streicht den Passus komplett und ignoriert offenbar den „Wunsch“ der eigenen Partei. Der Vollständigkeit halber hier noch der Entwurf von Linke SPD und Grünen – wo sich zum besagten Paragrafen allerdings keine Inhalte finden lassen.

Ein Problem?

Ja, das ist eindeutig ein Problem. Open Source hat viele unbestreitbare Vorteile gegenüber proprietärer Software.

Kosten gehören oft, längst aber nicht immer dazu. Natürlich sind die Beschaffungs-/Lizenzkosten im Open-Source-Bereich deutlich niedriger – mit Tendenz gegen Null. Bei den Betriebskosten sieht es aber wieder anders aus, Schulungen, Wartung, Weiterentwicklung und so weiter fallen in beiden Kategorien an. Dennoch gibt es etliche proprietäre Produkte, deren Anschaffungskosten dermaßen hoch sind, dass sich mit freien Alternativen sparen ließe.

Sicherheit ist hingegen ein ganz immenser Pluspunkt für Open Source, diese Frage ist in der Fachwelt seit etlichen Jahren geklärt.

Keine Abhängigkeit vom Anbieter ist in meinen Augen der vielleicht größte Vorteil. Der Vendor-Lock-in ist insbesondere für staatliche Stellen ein großes Problem. Wenn etwa Microsoft seine Nutzungsbedingungen verändert, haben Behörden, die unter Umständen mehrere Tausend Arbeitsplätze mit Windows, Office und Microsoft-Cloud-Anbindung ausgestattet haben, dann wirklich die Option, diese abzulehnen? Mal eben so ganz sicher nicht … Schon wenn Ihr privat daheim von Windows auf Linux umsteigt, ist das mit gigantischem Aufwand verbunden. Schließlich ändern sich auch Workflows, Anwendungsprogramme, Nutzeroberflächen und so weiter. Und Behörden müssten zudem die komplette Dokumentation umstellen, alle Mitarbeiter neu schulen, Security Audits erneuern etc.

Offene Formate und APIs sind in der Open-Source-Welt quasi Standard, vereinfachen den Datenaustausch und erlauben flexiblere Nutzung.

Anpassungsfähigkeit ist natürlich ebenfalls ein großer Pluspunkt. Produkte können (zumindest in gewissen Maßen) an die eigenen Bedürfnisse angepasst beziehungsweise um Funktionen erweitert werden.

All diese Aspekte gelten in der Wirtschaft ebenso wie in der Verwaltung. Aber gerade in öffentlichen Einrichtungen, die für die Bürger arbeiten und von uns Steuerzahlern finanziert werden, ist Tranzparenz ein enorm wichtiger Punkt, den Open Source deutlich besser bedient.

Schon lustig: Gerade in Zeiten, da sich jedem Honk regelrecht aufdrängt, wie – extremst euphemistisch ausgedrückt – unschön Abhängigkeit und Unsicherheit sein können, will die CDU Thüringen ein effektives Mittel für mehr Selbstbestimmung und Sicherheit zurück drängen.

Die OSBA führt in ihren Leitlinien weitere gute Gründe pro OSS auf. Und ich möchte mit dem schön griffigen Leitzsatz Public Money, Public Code enden:

„Die Ergebnisse öffentlich finanzierter Entwicklungen, etwa von Verwaltung, Behörden, Forschungseinrichtungen und Hochschulen, müssen der Gemeinschaft frei zur Verfügung gestellt werden. Im Fall von Software bedeutet das eine Verbreitung und Lizenzierung als Open Source Software.“

Was genau es mit Open Source und Free Software auf sich hat und wo die Unterschiede liegen, habe ich hier ausführlich zu Papier gebracht (ja, war tatsächlich mal für Print produziert ;) ).

Beitragsbild basiert auf: Sang Hyun Cho auf Pixabay und einer CC0-Träne.

Mirco Lang

Freier Journalist, Exil-Sauerländer, (ziemlich alter) Skateboarder, Dipl.-Inf.-Wirt, Einzelhandelskaufmann, Open-Source-Nerd, Checkmk-Handbuchschreiber. Ex-Saturn'ler, Ex-Data-Becker'ler, Ex-BSI'ler. Computer-Erstkontakt: ca. 1982 - der C64 des großen Bruders eines Freunds. Wenn Ihr hier mehr über Open Source, Linux und Bastelkram lesen und Tutonaut unterstützen möchtet: Über Kaffeesponsoring via Paypal.freue ich mich immer. Schon mal im Voraus: Danke! Nicht verpassen: cli.help und VoltAmpereWatt.de. Neu: Mastodon

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