Meinung

Freeware ≠ Free Software – Chip & Co. verstehen das nicht

Frei wie in Freiheit, nicht wie in Freibier - ist das wirklich so schwer zu verstehen?

Der Schwerpunkt meines Berufslebens ist seit dem Studium FLOSS – Free/Libre Open Source Software. Damals war das vor allem etwas für Linuxer und IT-Nerds, Microsoft-Chef Ballmer hat es als „Krebsgeschwür“ bezeichnet, es gab rechtliche Unsicherheiten und es musste viel Aufklärungsabeit geleistet werden. Heute? Microsoft ist einer der größten FLOSS-Macher, Open Source wird von so ziemlich jedem Menschen genutzt (außer Apple-Anhängern), rechtlich ist alles klar – aber noch immer muss wohl aufgeklärt werden. Chip, Netzwelt, Cyberport, Uni Siegen und etliche andere kapieren immer noch nicht, dass Freeware etwas anderes ist :(

Alles Quatsch

Schaut man bei Google nach Freeware, kommt zum Beispiel das Techniklexikon von Cyberport zum Vorschein und vermeldet: „Zu den besten Freeware-Anwendungen gehören der Audioeditor Audacity …“ Das ist falsch, Audacity ist trotz aller Querelen Open Source Software. Tolles Lexikon.

Oder was listet Netzwelt.de unter Top 100 Freeware-Software direkt auf Seite 1? LibreOffice. LibreOffice! Jetzt mal ernsthaft, wie ahnungslos können Autoren einer IT-Seite sein? Und Netzwelt ist nun wahrlich keine Schund-Seite.

Apropos: Chip.de listet unter Top 100 Freeware Downloads aller Zeiten auf Platz 1: OpenOffice. Und auf Platz 3 Gimp. Zwei der bekanntesten Nicht-Freeware-Programme. Aber was will man erwarten, wenn selbst die Überschrift nicht ohne Rechtschreibfehler auskommt? Freeware-Downloads ist ein Kompositum, da gehört ein Bindestrich hin. Aber gut, was will man von Chip heutzutage noch erwarten? Heute auf Chip.de: „Der Grund überrascht: Darum finden Sie bald keine braunen Eier mehr im Supermarkt“ …

Da finde ich es schon schlimmer, dass die Universität Siegen unter dem Schlagwort Freeware das Open Broadcast Studio (OBS) listet – mit Freeware- und Open-Source-Hashtag. Von einem „Team Digitale Lehre“ würde ich einfach mehr Präzision erwarten.

Richtig geil ist auch OpenOffice.de – eine nicht offizielle OpenOffice-Seite! Diese führt auf: Lizenz: Freeware / Open Source. Vergessen wir mal, dass die Leerzeichen vor und nach dem Slash nicht dahin gehören ;) Aber erst so tun, als wäre man eine offizielle Seite und dann noch so viel Unwissenheit präsentieren? Aber gut, die Seite wird auch vom Werbeblocker geblockt und das Impressum liefert nur eine 0180-Telefonnummer – das reicht nicht, lieber Herr König. 30 Euro für OpenOffice auf einer CD? Ein Geschäftsmodell aus dem letzten Jahrtausend.

openoffice.de-quatsch.
Nein, die Seite hat nichts mit Apache OpenOffice zu tun – und sollte von niemandem besucht werden

Man könnte hier vermutlich noch Dutzende Beispiele auflisten, beispielsweise PortableFreeware.com und Freeware.de.

Freiheit vs. Freibier

Schon vor Ewigkeiten habe ich einen sehr ausführlichen Artikel über FLOSS geschrieben, hier nur das Wichtigste. Freeware heißt einfach nur, dass das Programm kostenlos genutzt werden kann – und das meist noch mit Einschränkungen, beispielsweise keiner kommerziellen Nutzung. Aber es ist in der Regel immer noch proprietäre Software, sprich der Quellcode bleibt das Geheimnis des Herstellers. Es geht hier um das frei wie in Freibier.

Bei FLOSS geht es um das frei wie in Freiheit: Ihr habt die Freiheit, solche Programme kostenlos für beliebige Zwecke zu nutzen, zu ändern und zu verteilen – und bekommt dafür dann eben auch den Quellcode.

Der Begriff FLOSS ist aufgekommen, um Missverständnissen entgegen zu treten. Free Software und Open Source Software meint im Wesentlichen ein und dasselbe. Unterschiede finden sich da vor allem in der Philosophie und entsprechend in den Lizenzen.

Free Software ist eher ideologisch getrieben, wird von der Free Software Foundation propagiert und setzt auf Lizenzen, die dafür sorgen, dass jegliche Abwandlungen ebenfalls frei bleiben müssen.

Open Source Software ist eher pragmatisch getrieben, wird von der Open Source Initiative propagiert und setzt auf Lizenzen, die es einfach machen, Abwandlungen mit anders lizenziertem Code zusammenzuführen.

Die Abkürzung FLOSS verbindet beide Begriffe und fügt das Libre hinzu, um den Unterschied zwischen Freibier/Freiheit, free beer/freedom klar zu machen.

Man kann gar nicht genug darauf hinweisen, wie groß die Unterschiede zwischen FLOSS und Freeware sind! Bei FLOSS geht es für Unternehmen und die öffentliche Verwaltung zum Beispiel ganz massiv um Aspekte wie Sicherheit, Unabhängigkeit von Herstellern, Interoperabilität und „digitale Souveränität“, wie es so schön heißt. Das alles hat absolut gar nichts mit Freeware zu tun.

Bleibt als Gemeinsamkeit der Preis? Jein. Privat, ja – beides ist kostenlos nutzbar. Im professionellen Bereich, nein – Freeware schließt Unternehmen und die öffentliche Verwaltung meist aus. Viel wichtiger: Die Lizenz- und/oder Anschaffungskosten sind oft eh Kleinkram. Administration und Schulungen verschlingen meist deutlich mehr Geld. Wobei es da natürlich Dickschiffe wie Microsoft gibt, deren Lizenzkosten sicherlich nicht unter Kleinkram fallen …

Liebe „Kollegen“ …

Was also ist da los bei den vielen „Kollegen“, die scheinbar keine Ahnung haben? Nun, da muss ich ein wenig theoretisieren.

Vermutlich dürften Seiten wie Chip und Netzwelt bei Software-Listings schlicht einen Scheiss auf die Unterscheidung geben, nach dem Motto: Interessiert auch die Nutzer nicht, die wollen einfach nur Free hören … Hat mit (gutem) Journalismus aber dennoch nichts zu tun.

Vermutlich werden hier und da auch gerade für nicht sonderlich tiefschürfende Beiträge Leute verantwortlich sein, die gerade Praktikum machen, Volontariat, Schülerjob oder was in der Art. Zu (gutem) Journalismus gehört imho aber auch, dass in solchen Fällen mal irgendwer drüberguckt, um solche Fehler zu korrigieren.

Vermutlich werden hier und da auch einfach Schlagwörter nach SEO-Vorgaben gestreut – mehr Klicks sind wichtiger als korrekte Informationen, woll?!

Vermutlich interessiert es viele Nutzer wirklich nicht und sie wollen einfach nur etwas für lau haben. Das ist auch okay, aber warum schreiben die „Kollegen“ dann nicht einfach „Gratis!“, statt mit falschen Fachbegriffen um sich zu werfen?

Was meint Ihr? Juckt Euch das?

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Mirco Lang

Freier Journalist, Exil-Sauerländer, (ziemlich alter) Skateboarder, Dipl.-Inf.-Wirt, Einzelhandelskaufmann, Open-Source-Nerd, Checkmk-Handbuchschreiber. Ex-Saturn'ler, Ex-Data-Becker'ler, Ex-BSI'ler. Computer-Erstkontakt: ca. 1982 - der C64 des großen Bruders eines Freunds. Wenn Ihr hier mehr über Open Source, Linux und Bastelkram lesen und Tutonaut unterstützen möchtet: Über Kaffeesponsoring via Paypal.freue ich mich immer. Schon mal im Voraus: Danke! Nicht verpassen: cli.help und VoltAmpereWatt.de. Neu: Mastodon

8 Kommentare

  1. Ich wollte mir die Seite von Herrn König mal anschauen, uBlock Origin hat sie erstmal blockiert. Beim Impressum hat er wohl nachgebessert. Es stehen dort Firmenname, Inhaber, Adresse, USt-IdNr., Telefon- und Faxnummer sowie E-Mail-Adresse (als PNG-Datei). Per WhatsApp kann er unter 04231 667 346 kontaktiert werden.

    Selbst für die Entgegennahme von Spenden ist er sich nicht zu schade: IBAN: DE07 2507 0370 0057 9532 00, BIC: DEUTDE2HXXX

    Unten auf seiner Website steht: „OpenOffice.de ist nicht assoziiert mit der Apache Software Fondation bzw. der offiziellen Projekt Webseite: https://www.openoffice.org/de“

    Er besitzt eine weitere ähnliche Domain: http://www.openoffice-updater.de. Darüber hat er in der Vergangenheit ein „Update-Programm“ verteilt.

    Wenn das Ganze Werbung für seine Firma (https://www.neuit.de) sein soll, hat es bei mir das Gegenteil ausgelöst.

    1. Da steht in der Tat eine Telefonnummer – allerdings eine 0180er und die sind fürs Impressum nicht erlaubt:
      https://www.impressum-generator.de/2017/07/pflichtangaben-impressum/#:~:text=Wichtig%20ist%2C%20dass%20die%20Angabe,kostenfreie%20Rufnummer%20zur%20Verf%C3%BCgung%20stellen.

      Der Updater ist auch großartig! Und das scheint generell Konzept zu haben – Netzwelt.de berichtet über Adware, die NeuIT über den OpenOffice-Installer verbreitet:

      https://www.netzwelt.de/anleitung/192677-startseite24-entfernen-so-loescht-adware-windows-10.html

      1. Bei http://www.webspace24.de auch wieder 0180er.

        Der „Fachmann“ hat noch weitere Domains nach dem System: http://www.gimp24.de, http://www.vlc-download.de, http://www.routenplaner-kostenlos.com, http://www.wegplaner.de.

        Bei http://www.vlc.de/, ebenfalls in Verden ist ein Frank Bohling Geschäftsführer. Ist es Zufall, dass die Straße Am Deich in Verlängerung der Eisseler Straße von Herrn König liegt?

        Der hat dann auch http://www.pdf-drucker.de (PDFCreator), http://www.songbird.de und http://www.thunderbird-download.de im Angebot.

        Es gibt den Mist also nicht nur aus weit entfernten Ländern, sondern auch Made in Germany.

  2. Gute Rant! Gefällt mir. Ich merke es selbst im Umkreis, dass es den meisten egal ist und selbst Softwareentwickler davon keine Ahnung haben. Es gibt Firmen, die haben sogar eine Matrix, wie man Open Source Software in eine möglichst proprietäre Lizenz umwandelt, ohne die Rechte zu verletzen. Also das minimalste Minimum an Rechten wird eingeräumt, alles ander wird proprietär (z.B. hier eine Entwicklungsumgebung mit Open Source wird für die Entwicklung verwendet. Die fertige Software ist dann proprietär. https://www.st.com/content/ccc/resource/legal/legal_agreement/license_agreement/group0/eb/8e/f9/c1/9e/64/49/95/SLA0048/files/SLA0048.txt/jcr:content/translations/en.SLA0048.txt).

    Ist wie mit den Autos. Marke? Motor? Keine Ahnung. Es ist ein schwarzes Auto.

  3. Bleibt als Gemeinsamkeit der Preis? Jein. Privat, ja – beides ist kostenlos nutzbar. Im professionellen Bereich, nein – Freeware schließt Unternehmen und die öffentliche Verwaltung meist aus.

    Freie Software muss nicht zwingend kostenlos sein, siehe z.B. Conversations im Playstore.

      1. Das ist übrigens auch ein Geschäftsmodell, mit dem sich OpenSource-Projekte teilweise finanzieren. So ist DAVx5 bspw. in allen kommerziellen Android-Stores kostenfplichtig, in allen anderen (bspw. F-Droid) kostenlos. Zitat aus einem Interview mit Bernhard Stockmann:

        Die Version in den kommerziellen Stores dient zur Finanzierung. Sie ist quasi identisch mit der GPL-Version, hat aber keinen Spendendialog; man muss sie direkt kaufen.

      2. Bei Conversations scheint das auch der Fall – grundsätzlich natürlich völlig legitim. Leider steht dort einerseits ein Preis, andererseits:

        Ein kostenloser Open-Source-Jabber/XMPP-Client für Android.

        Aber leider keinerlei Erklärung, was das denn nun soll. Und daher kommen dann solche Missverständnisse. Eigentlich schade, wenn es ausgerechnet bei Open-Source-Projekten an Transparenz fehlt.

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