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Test: iPad Pro 10,5″ – lohnt sich der Umstieg?

Ich habe es doch wieder getan. Ich kleiner, mieser Fanboy bin doch wieder den Lügen und Marketingtricks, den Schwätzereien und den Gemeinheiten von Apple auf den Leim gegangen. Ich kann nichts dafür. Ich habe mir das neue iPad Pro 10,5″ in Silber/weiß mit 256 GB und LTE gekauft. Ich fühle mich deshalb schlecht. Über 1.000 Euro – weg. Und dann habe ich auch noch den Stift bestellt, diesen blöden, sinnlosen Stift. War ich dämlich? Hypnotisiert? Im Kaufrausch? Nichts da, Freunde: Ich bereue nichts. Denn der Umstieg lohnt sich – allerdings nicht für jeden.

Ja, ich war der Antipad

Mich wiesen jetzt schon mehrere Leute darauf hin, dass ich das iPad Pro doch so verrissen und runtergeschrieben hätte, ich aber nun beim iPad Pro 10,5″ trotzdem zugegriffen habe, ja es sogar lobe und gut finde. Schwer zu erklären ist das nicht: Erstens ist es eine zweite Version des iPad Pro, wodurch es per se besser ist: Kaufe niemals eine Revision-A von Apple. Das erste kleine iPad Pro war nur ein minimal gepimptes Air 2. Genau wie damals beim iPad 1 zum iPad 2 oder beim iPhone 2G zum iPhone 3G konnte man auch beim (kleinen) iPad Pro die erste Version in der Pfeife rauchen. Das 12,9-Zoll-iPad finde ich nach wie vor zu groß, weshalb 10,5 Zoll und das „Full-Size-Keyboard“ auf dem Bildschirm echte Vorteile sind. Der Hauptgrund war allerdings iOS 11: Apple hat offensichtlich endlich verstanden, was „Pro“ bei einem Tablet bedeutet.

Die neuen iPads 2017.
Die neuen iPads 2017.

Wenig Pixel für viel Geld

Doch was bekommt man für rund 1100 Euro, wenn man das iPad Pro mit 10,5-Zoll-Display, LTE, 256GB Speicher und Apple Pencil kauft (und ggf. eine simple Hülle oder eine schönes Leder-Case)? Nun: Man bekommt mit einer Auflösung von 2224 x 1668 Pixeln horizontal 176 und vertikal 132 zusätzliche Bildpunkte. Rechnet man den Retina-Faktor heraus, bedeutet das 88 Darstellung-Pixel mehr Breite und 66 Pixel mehr Höhe. Nicht wirklich viel, möchte man meinen, die Steigerung wirkt sich aber außerordentlich positiv aus: Websites, die vorher umbrachen, brechen jetzt nicht mehr um, der ganze Bildschirm wirkt wesentlich größer, wenn man ihn benutzt.

Die Specs der verschiedenen iPad-Modelle 2017 (Quelle: Apple)
Die Specs der verschiedenen iPad-Modelle 2017 (Quelle: Apple)

Ich komme vom iPad Air 2

Und zwar so sehr, dass mir mein iPad Air 2 sofort nicht mehr zusagte. Der Effekt ist erstaunlich, auch wenn er sich mir im Apple-Store nicht sofort erschloss. Der größte Vorteil der neuen Bildschirmgröße ist die deutlich effektivere Bildschirmtastatur: Ist man „normale“ Tastaturen gewöhnt, haut man viel seltener daneben – eine Sache, die mich beim iPad schon immer geärgert hat. Damit ist 10,5″ eigentlich die perfekte Größe, um das iPad als Unterwegs-Schreibmaschine ohne zusätzliches Tastatur-Geraffel zu verwenden. Und die iOS-11-Tastatur wird noch einmal besser, da hier mehrfache Tastenbelegungen in vielen Fällen das nervige Umschalten beim Tippen verhindern. Ich hatte die Beta auf mein Air 2 gepackt – und selbst da ließ sich sofort viel besser auf dem Bildschirm schreiben. Allerdings bleibt das alte Problem: Das Markieren und schnelle Copy-Paste von Text ist ohne Maus/Touchpad nach wie vor katastrophal – und verhindert auch am iPad Pro, dass ich es entspannt zum Arbeiten verwenden kann.

iPad-Onscreen-Keyboard: Sieht nicht anders aus als auf den alten iPads – hat aber deutlich mehr Platz.
iPad-Onscreen-Keyboard: Sieht nicht anders aus als auf den alten iPads – hat aber deutlich mehr Platz.

Der Apple Pencil hat mehr Reibung

Auch der Apple Pencil funktioniert mit dem neuen iPad Pro besser: Offensichtlich hat Apple irgendetwas an der Beschichtung des Bildschirms geändert: Ich fand das erste iPad Pro auch deshalb mistig, weil sich Zeichnen anfühlte, als würde man mit einer Gabel auf einem Teller herumkratzen. Die Gummispitze des Pencils hat nun einen minimalen Reibungswiderstand, was das Bediengefühl des Stifts auf dem Gerät zumindest auf das Niveau eines Grafiktabletts von Wacom bringt. Gleichzeitig sorgt die 120-Hertz-Technik für ein sehr flüssiges Gefühl bei der Stiftarbeit. Ich bin jetzt nicht sonderlich talentiert – aber mit der App Procreate ist Zeichnen auf dem iPad jetzt endlich ein großer Spaß! Apropos Bildschirm: Selbst in der prallen Sonne ist dieser endlich wirklich gut ablesbar, weil er ausgesprochen hell sein kann und dabei nur wenig spiegelt.

Zeichnen auf dem iPad Pro ist tutotastisch!
Zeichnen auf dem iPad Pro ist tutotastisch!

… und es ist unfassbar flott!

Natürlich gibt es noch einen guten Grund, das iPad Pro 10,5″ zu mögen: Mit seinem A10X-Prozessor ist es deutlich flotter als mein 2013er Macbook Air und mit 9303 Geekbench-Multicore-Punkten sogar flotter als das aktuelle kleinste Macbook Pro 13″! Und es hat mit vier Gigabyte Speicher endlich ausreichend Kapazitäten für flotte Bedienung. Das merkt man überall: Apps sind sofort da, Websites, die auf dem iPad Air 2 gnadenlos ruckelten (etwa Welt.de) sind endlich ausreichend schnell. Das Mobilfunkmodul mit Simply-Multisim-Karte lädt ähnlich schnell wie die WLAN-Funktion. Damit hat das Gerät Reserven satt – und dürfte mindestens für drei bis vier Jahre gut sein. Bedenkt man, dass Apple noch das iPad Mini 4 ausliefert und sogar dem Mini 2 noch das iOS-11-Update verpasst, dürfte es im Rahmen der typischen Anwendungen auf Tablets für mindestens vier, eher sechs Jahre völlig ausreichen. Mein Air 2 wäre auch noch einige Jahre gut gewesen, ist aber nicht einmal halb so schnell – und hat nur 2 GB RAM!

Geekbench auf dem iPad Pro 10,5": Schneller als ein Macbook Pro!
Geekbench auf dem iPad Pro 10,5″: Schneller als ein Macbook Pro!

Und der Sound!

Was mich am iPad klassischer Bauart immer genervt hat, war der Sound. Zwar war der kleine Lautsprecher an der Unterseite leidlich in Ordnung, doch sobald man das Gerät quer verwendet hat, war nicht mehr viel mit Stereo. Hier hat Apple beim iPad Pro 10,5″ massiv nachgebessert: Es grenzt an Zauberei, was Apple aus den vier Boxen des kleinen Tablets herausholt. Der Klang ist nicht nur angenehm, sondern wirkt auch sehr räumlich – ganz anders als bei anderen Geräten dieser Bauart, den meisten Notebooks und Smartphones oder gar dem alten iPad. Bei normaler Zimmerlautstärke ist der Klang sehr gut, erst wenn man aufdreht, gehen die bauartbedingt schwachen Bässe endgültig verloren. Trotzdem: Um entspannt bei der Arbeit mit dem iPad Pro Musik zu hören, sind keine Bluetooth-Boxen mehr nötig – und das ist definitiv eine tolle Verbesserung!

Das Keyboard-Case ist Mist. Das Logitech-Keyboard mit Geräte-Umschalter ist eine brauchbare Alternative.
Das Keyboard-Case ist Mist. Das Logitech-Keyboard mit Geräte-Umschalter ist eine brauchbare Alternative.

Mit iOS 11 kommt der Turbo

Ich habe dem iPad Pro noch keine iOS-11-Beta verpasst, werde das aber mit dem nächsten Update tun. Schon auf dem Air 2 lief iOS 11 deutlich besser als iOS 10.3 – trotz zahlreicher neuer Funktionen. Insofern denke ich, dass das iPad Pro 10,5″ durch das Update noch einen ordentlichen Nutzwert- und Geschwindigkeitszuwachs bekommt. Das Mobilsystem rückt damit deutlich näher an MacOS, ohne dessen Ressourcenbedarf zu haben – und dank Drag & Drop, Filebrowser, Augumented Reality und anderen Funktionen ist es dann auch deutlich effektiver als Microsofts Surface-Geräte, die ja den ganzen Windows-Ballast mit sich herumschleppen müssen. Ich denke, spätestens mit iOS 12 wird das Mobilsystem endlich ein vollwertiges Betriebssystem, denn auch iOS 11 ist noch an mehreren Stellen unnötig eingeschränkt. Dennoch: iOS 11 ist auf jeden Fall Pflicht für das iPad Pro 10,5″.

Mit iOS 11 kommt der Nutzwert-Turbo!
Mit iOS 11 kommt der Nutzwert-Turbo!

Manches mit der heißen Nadel gestrickt

Nach all der Lobhuddelei nun aber auch einige Minuspunkte: Warum Apple noch kein Force-Touch-Display wie beim iPhone 7 verbaut, mag technische Gründe haben, wirklich sinnvoll ist das aber nicht. Immerhin: iOS 11 wird eine simulierte Force-Touch-Funktion besitzen: Ein längerer Druck auf eine Stelle oder ein Icon ruft quasi die „rechte Maustaste“ auf. Echtes Force-Touch ist also eigentlich nicht mehr nötig. Trotzdem hat es ein Geschmäckle, wie auch das Release-Datum im Juni: iPad-Veteranen fühlen sich an den unseligen Wechsel vom iPad 3 auf’s iPad 4 nach nur sechs Monaten erinnert. Und tatsächlich könnte es sein, dass Apple und im Herbst mit dem iOS-11-Release noch eine neue Version präsentiert – die kennen da nichts.
Schwerer wiegt allerdings, dass es einerseits außer Apple selbst und Logitech keine Hersteller gibt, die die Smart-Connector-Schnittstelle nutzen können – hier könnte Apple ruhig etwas offener agieren. Und nicht zuletzt scheint das vorinstallierte iOS 10.3.2 nur mit der heißen Nadel an’s iPad Pro 10,5″ angepasst worden zu sein: Es läuft vielerorts nicht rund. Ich konnte zum Beispiel wildes Umschalten der Bildschirmhelligkeit feststellen, außerdem gibt es manchmal ein nicht nachvollziehbares Ruckeln, das ebenso plötzlich auftritt, wie es wieder verschwindet. Hier scheinen Stromsparfunktionen und die Ansteuerung des Displays samt Helligkeitssensor buggy zu sein – ein Problem, das mit iOS 11 dann hoffentlich behoben wird. Ebenfalls auffällig: Der Akku hält zwar tatsächlich sehr lange – braucht aber auch recht lange zum Aufladen. Die iPads waren in dieser Hinsicht noch nie besonders flott, ein stärkeres Netzteil als das mitgelieferte mit 12 Watt wäre aber wünschenswert.

Zeichnen mit dem Apple Pencil geht jetzt besser.
Zeichnen mit dem Apple Pencil geht jetzt besser.

Fazit: Fast das iPad, das ich immer wollte

So oder so ist das iPad Pro 10,5″ durch den größeren, ausgesprochen hellen und mit 120 Hertz taktenden Bildschirm endlich überall verwendbar, auch bei grellem Sonnenlicht und mit dem Apple Pencil. Der Zentimeter mehr Bildschirmbreite in horizontaler Darstellung sorgt dafür, dass das Bildschirm-Keyboard deutlich besser zum Tippen geeignet ist. Und die hohe Geschwindigkeit erlaubt endlich ein nahezu verzögerungsfreies Benutzen. Den Mehrwert bekommt das neue iPad Pro aber erst mit iOS 11 – dann ist es fast das iPad, das ich immer haben wollte. Denn was nach wie vor für wirklich produktives Arbeiten fehlt, ist meiner Ansicht nach die Maus-/Touchpad-Unterstützung. Aktuell mit iOS 10.3 ist es zudem trotz der vielen Hardware-Verbesserungen „nur“ ein größeres iPad Pro. Besitzer des alten 9,7″-Pros oder des Air 2 können sich also entspannt zurücklehnen und auf die neue Betriebssystem-Version im September warten. Wer ein älteres Gerät besitzt, dürfte jedoch schon jetzt von der deutlich besseren Prozessor- und RAM-Ausstattung profitieren, weshalb sich der Umstieg hier durchaus lohnen kann. Wer aktuell noch mit seinem iPad zufrieden ist, kann sich auf jeden Fall zurücklehnen: Das nächste Upgrade kommt bestimmt.

Christian Rentrop

Diplom-Journalist, Baujahr 1979. Erste Gehversuche 1986 am Schneider CPC. 1997 ging es online. Seither als Schreiberling in Totholzwäldern und auf digitalen Highways unterwegs. Öfter auch auf der Vespa oder mit dem Wohnwagen unterwegs. Seit 2020 Tochtervater, dementsprechend immer sehr froh über eine kleine Kaffeespende.

2 Kommentare

  1. Zuerst einmal vielen Dank für den Test, speziell das Ruckeln und die Probleme mit der Steuerung der Displayhelligkeit hatte ich so noch nirgends gelesen! ????
    Allerdings ist die Behauptung das man das erste iPad 9,7 Pro in der Pfeife kann so nicht richtig. Es mag zwar das 1. kleine iPad Pro sein, ist aber speziell vom tollen Display her ein verbessertes großes iPad Pro.
    Und auch die 4 Lautsprecher mit dem tollen Klang hat schon das 9,7 Pro.
    Das 10,5 Pro ist vom Display zwar etwas heller, aber auch der Vorgänger bietet da schon genug. Wichtiger wäre für mich ob ich auf dem Display wirklich soviel mehr sehe, da fand ich den Test mit den Vergleichsfotos auf Computerbild.de toll.
    Leistung hat das 9,7 Pro auch mehr als genug, der Größengewinn ist vernachlassigbar.
    Und mit iOS11 kommt nochmals ein Sprung!

    1. Also ich muss sagen, dass ich den Umstieg vom Air 2 nicht bereut habe. Mit iOS 11 zeigt das iPad Pro, dass es (fast) in allen Alltags-Belangen einen Laptop ersetzen kann. Zumindest, wenn man nicht auf freie Software-Installation, Netzwerkvolumes, USB-Datenträger und andere Betriebssysteme angewiesen ist. Das liegt aber vor allem an Apples restriktiver Produktpolitik, nicht an der Hardware. Die paar mehr Pixel stehen dem iPad Pro 2. Generation aber gut, finde ich. Wenn ich direkt vergleiche, kommt mir das Air 2 eklig klein vor.

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