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Meinung: Wo bleiben Nachrichten und Facetime für Android und Windows?

In letzter Zeit stellt sich bei Apple-Kunden immer öfter die Frage, wer da eigentlich noch eine klare Linie in den Laden bringt. Da ist die Inkosistenz mit Lightning, USB-A und USB-C, da ist ein Macbook Air, das eine Nische bedient, die es gar nicht gibt. Da sind Preise, die jenseits von Gut und Böse sind. Und dann sind da Facetime und Nachrichten, zwei Messenger, die zusammen den Messenger-Markt so richtig aufmischen könnte. Wären sie denn für Windows und Android verfügbar.

Weder Facetime, noch Messages sind quelloffen

Ernsthaft, Apple: Ich meine, mich zu erinnern, dass damals, vor rund sieben Jahren, als die neue Nachrichten-App und Facetime erschienen, die Rede davon war, zumindest Facetime quelloffen zu machen. Auch bei Messages habe ich so eine Erinnerung, aber das Internet mag mir dabei nicht helfen, vielleicht ist das auch ein Denkfehler. Fakt ist: Bald ist 2019 – und beide Kommunikationssysteme sind bis heute auf Apple-Hardware beschränkt.

Nachrichten für alle!

Dabei könnte Apple mit quelloffnen oder wenigstens einer offiziell für Android- und Windows-Systeme Facetime- und Nachrichten-App die Welt des Messagings revolutionieren. Die Gerätebasis von weltweit über 1,3 Milliarden aktiven (!) Apple-Geräten dürfte ausreichend Marktstärke mit sich bringen, um den Standard durchzusetzen. Das doofe WhatsApp wäre Geschichte, Skype, Telegram und wie sie alle heißen wären überflüssig. Das perfide an der Geschichte: Apple wollte die Nachrichten-App damals tatsächlich als Industriestandard und SMS-Nachfolger etablieren, allerdings haben die Carrier nicht mitgespielt, die mit SMS Geld verdienen wollten. Dabei ist doch gerade Apples Nachrichten-App, die das alte SMS-System und einen modernen Messenger elegant verbindet, ideal für Carrier – schließlich könnten sie damit weiterhin Geld mit SMS verdienen. Eine verpasste Chance, die uns Usern Messenger-Chaos beschert. Immerhin bemühten sich zwischenzeitlich einige Entwickler um eine Open-Source-Variante. Das Projekt ist jedoch seit über zwei Jahren verwaist – wohl auch, weil Apple hier die üblichen Hürden eingebaut hat.

Facetime sollte Industrie-Standard werden

Und Facetime? Bei der WWDC-Keynote 2011 stellte Steve Jobs noch höchstselbst Facetime vor. Und versprach, den Video-Messenger ab dem Folgetag „offen“ zu gestalten und als Industriestandard zu etablieren. Doch Pustekuchen: Bis heute wartet die Videochat-Gemeinde auf die Niederkunft des „Facetime für alle“. Facetime für Windows, Facetime für Android beides würde so vieles angenehmer machen. Allerdings scheint der Bedarf eher gering, Skype und professionelle Systeme dominieren hier längst den Markt. Und so blieb eine Change.org-Petition an Apple vor einigen Jahren mit nur 31 Unterzeichnern völlig irrelevant. Neuere Vorstöße – etwa durch CNet – blieben von Apple unkommentiert.

Apple bedient die anderen Plattformen nicht

Dabei könnten sowohl Facetime, als auch die Nachrichten App als offizielle Apple-Software für Android und Windows der immer größer werdenden Apple-Dienste-Sparte durchaus einen weiteren Schub verpassen: Einerseits, weil Leute sich für beliebte Messenger gerne anmelden. Die daraus resultiernden Neukunden könnten zum Beispiel für Apple Music oder die iCloud-Dienste begeistert werden. Allerdings scheint Apple die Services nur als Vehikel für Hardware-Verkäufe zu nutzen, denn außer einer iCloud-App und iTunes für Windows sowie einer Apple-Music-App für Android gibt es von Apple keine Dienste-Software auf anderen Plattformen.

Es könnte so einfach sein

Dabei sollte der Hersteller es besser wissen: Im Herbst 2003 verhalf iTunes für Windows dem iPod zu seinem finalen Durchbruch. Der wiederum sorgte mit seinem Halo-Effekt für mehr Mac-Verkäufe. Bei Messages und Facetime (und übrigens auch Apps wie Fotos) könnte es durchaus ähnlich sein. Wie viele User greifen nicht zum iPhone, weil sie Ihr Android-Device mit Windows einfach besser nutzen können? Wieso überlässt Apple diese geräteübergreifenden Dienste Playern wie Google und Facebook? Würde die künstliche Grenze zwischen Apple-Geräten und dem Rest aufgehoben, wäre vieles einfacher und besser. Apple müsste nicht einmal viel tun: Es würde ausreichen, den Quellcode freizugeben und gegebenenfalls APIs für Drittanbieter-Apps anzupassen. Allerdings sollten auch eigene Android- und Windows-Apps ein Milliarden-Unternehmen wie Apple kaum finanziell belasten. Es gibt also eigentlich keinen Grund, es nicht zu tun.

Apple zehrt am Markenkern

In den 2000er-Jahren hat Apple sich wieder als Marke soweit aufgebaut, dass es zeitweise zu den wertvollsten Tech-Unternehmen der Welt gehörte. Die Hardware ist nach wie vor top, die Software… nun ja, verliert langsam den Anschluss. Für mich und viele andere User, die die Produkte gerne nutzen, ist das natürlich ärgerlich. Zumal Tim Cooks ausufernde Hochpreis-Strategie langsam am Markenkern zehrt. Apple wurde 1976 mit dem Versprechen gegründet, Computer für alle zu machen. In der Ära Cook hat sich das geändert: Seltsame strategische Entscheidungen – und die Nicht-Veröffentlichung von Android- und Windows-Versionen der Messenger ist nur eine davon – lassen den angebissenen Apfel verrotten. Apple muss aufpassen, nicht wieder wie einst in den 1990er-Jahren in der Versenkung zu verschwinden. Denn eines ist sicher: Heute braucht Microsoft die Firma nicht mehr als Ideengeber – und wird sie daher auch kaum retten.

Christian Rentrop

Diplom-Journalist, Baujahr 1979. Erste Gehversuche 1986 am Schneider CPC. 1997 ging es online. Seither als Schreiberling in Totholzwäldern und auf digitalen Highways unterwegs. Öfter auch auf der Vespa oder mit dem Wohnwagen unterwegs. Seit 2020 Tochtervater, dementsprechend immer sehr froh über eine kleine Kaffeespende.

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