
Schwieriges Thema. Altware ist ein Problem, sie kostet Geld! Altware ist Ware, die sich überholt hat, planmäßig schon längst aus dem Laden wäre und kaum noch vernünftig zu verscherbeln ist. Zwei Anekdoten von glücklichen Kunden und einem beschämten Verkäufer 😉
Zur Kolumne "Saturn, 90er, PC-Abteilung"
Der glücklichste Kunde
Das beste Beispiel für Altware: Etwa 1997 hatten wir eine uralte Version von OS/2 Warp im Regal stehen. Ich vermute ein Warp 3 von 94. Was das ist? Ein Betriebssystem von IBM, für das sich schon damals niemand (mehr) interessiert hat. Ist irgendwo im Lager aufgetaucht.
Das Blöde: Das Ding war mit einem Einkaufspreis von ein paar Hundert D-Mark im System. Verkaufspreis dürfte bei rund 400 bis 500 D-Mark gelegen haben. Ein aktuelles Windows war günstiger, moderner, gefragter.
Da ich zu der Zeit schon das Kommando über die Software-Abteilung und die Schnauze voll von dem Posten hatte: 5-D-Mark-Preisschild aufgeklebt und vorne ins Regal gestellt.
Ein paar Tage später steht ein Kunde vor mir, die Packung in der Hand, guckt ungläubig und fragt, ob das ein Versehen sei. "Nö. Zu teuer? Gut, 2 D-Mark!" Preis drauf getackert, Kunde guckt noch ungläubiger - und freut sich dann tierisch über das vermutlich größte Software-Schnäppchen, das je im Saturn vertickt wurde.
20 Minuten später ... Aufgeregter Geschäftsführer läuft im Laden rum und will wissen, warum zum Geier in der Umsatzliste ein Posten mit einer Gewinnspanne von Minus ein paar Tausend Prozent auftaucht 😉
Shame on me ...
Deutlich problematischer war Altware bei PCs. Die Dinger haben sich damals so schnell entwickelt, dass ein Rechner nach zwei, drei Monaten kaum noch zu verkaufen war. Heute muss sich im Grunde niemand mehr wegen ein paar Hertz oder Byte in die Hose machen, damals war jede kleine Erhöhung ein Quantensprung. Und jetzt überlegt mal: Wir haben Computer ohne große Gewinnspanne verkauft - und wenn dann ein Rechner mit einem Einkaufspreis von vielleicht 2.500 D-Mark im System ist ... problematisch.
Richtung Ende der 90er wurden vornehmlich "Standard-PCs" verkauft: Graue Standard-Kisten von Fujitsu-Siemens waren unser täglich Brot. Monitor, Soundkarte, Tastatur, Maus und Betriebssystem mussten separat gekauft und selbst eingerichtet werden.
Davor waren "Komplettsysteme" gängiger: Eine riesige Pappschachtel mit allem (!) was man brauchte, samt Lautsprechern und installiertem System. Sowas gab es zum Beispiel viel von Packard Bell und Compaq.
Und genau so ein Compaq-Ding ist irgendwie übrig geblieben und stand wie ein aus der Zeit gefallener Koloss mitten im Laden zwischen günstigeren und schnelleren Fujitsu-Kisten. Mehrmals reduziert und das einzige Gerät in der gesamten Abteilung "Neue Medien", für das es Prämie geben sollte (in der braunen Ware (Hifi & Co.) waren große Gewinnspannen und folglich Prämien üblich, bei PCs war alles knapp kalkuliert.) Nun, Prämie für normale Verkäufer, Azubis machten nicht nur keine Überstunden ..., sondern bekamen auch keine Prämien. Warum auch immer.
Egal. Irgendwann stand jedenfalls ein Kunde mit dem üblichen Wunsch im Laden: Ein neuer PC muss her, der alte Amiga weg. Er wollte so kaufen wie zuvor den Amiga: Ein Produkt, sofort einsatzbereit, keine Bastelei.
Da gab es nur die Compaq-Kiste, alles andere hätte Beschäftigung mit Monitoren und Peripherie, Einbau der Soundkarte, Installation des Betriebssystems und so weiter bedeutet. Also habe ich ihm den Compaq-Mist gezeigt, er schien sich nicht zu lange aufhalten zu wollen und schon war diese wirklich problematische Altware weg.
Nun, erstmal musste ich den jungen, provisionsgeilen Kollegen W. auftreiben, damit die Kiste wenigstens irgendwem Provision einbringt.
Mein Problem: Ich wusste, dass die Kiste überteuert war - hätte er für das gleiche Geld PC, Monitor, Maus/Tastatur, Betriebssystem, Boxen und Soundkarte gekauft, hätte er mit ein paar Stunden Einrichterei ein deutlich besseres System gehabt. Und schon saß ich auf einem schlechten Gewissen.
Eine Woche später kam der Kunde wieder in den Laden, ich sofort in Oh-Oh-Stimmung, doch siehe da: Er meinte er sei sehr zufrieden und bräuchte jetzt noch dies und das.
Also, Kunde zufrieden - und doch mich zwickt es heute noch ein wenig, denn ich wusste ja, dass er eigentlich nicht hätte zufrieden sein sollen 😉
Darum auch diese abermals zu lange Episode. Es war das einzige Mal, dass ich das Gefühl hatte, jemandem etwas "angedreht" zu haben und jetzt muss das mal aus dem Kopf.
Die nächste Episode wird der Frage nachgehen, ob eine Inventur Spaß macht - Spoiler: N...