Linux & Co.Meinung

blendOS: „Meta-Linux“ mit Arch, Ubuntu, Fedora, Android!

Mehr Software, mehr Kompatibilität, mehr Auswahl - und mehr supi?

Dass ausgerechnet diese Linux-Distribution einem Apple-Menschen gefallen hat …, schon komisch. Hat sie aber, hat’s mir empfohlen, Grund genug, sie mal anzuschauen. Und das Interesse ist dann auch schnell geweckt: Unterstützung für Ubuntus DEB-Pakete, Fedoras RPM-Pakete und sogar APKs, also Android-Apps. Das alles gebaut aus einem schlanken Arch Linux. Soweit die Theorie.

blendOS

Der Anspruch: „The only operating system you’ll ever need. A seamless blend of all Linux distributions, Android apps and web apps.“ Das Selbstbewusstsein von blendOS stimmt schon mal ;)

Arch Linux als Basis ist zunächst mal eine gute Idee, einfach weil es schön schlank gehalten werden kann – und blendOS will durchaus leichtgewichtig sein. Zumindest für Linux-Einsteiger dürfte die Bedienung allerdings etwas schwieriger sein, hier wird nicht die übliche Ubuntu-Klientel adressiert.

Außerdem ist blendOS immutable, sprich das Kern-System ist schreibgeschützt. Das wiederum ist eigentlich sehr einsteigerfreundlich, denn so kann man das System nicht so einfach zerschießen.

Auch das Update-Konzept dürfte vielen gefallen: Statt im laufenden Betrieb, werden größere Updates beim nächsten Neustart angewandt – wieder ein Zerschießen-Schutz.

Soweit blendOS‘ eigene Beschreibungen. Interssanter ist die Umsetzung: Die Kompatibilität mit Paketen anderer Distributionen wird über Container gelöst. Die Kompatibilität mit Android-Apps läuft über WayDroid.

Für die Distro-Kompatibilität müssen in den blendOS-Einstellungen zunächst Container für jede gewünschte Distribution angelegt werden. Im Terminal könnte man anschließend zum Beispiel mit sudo apt.Ubuntu install foobar ein Programm im Ubuntu-Container installieren. Ausgeführt wird dann mit foobar.Ubuntu und so weiter. Man kann allerdings auch manuelle Zuordnungen erstellen, um auf den Zusatz „.Ubuntu“ verzichten zu können. Auf dem Desktop genügt ein Doppelklick auf zum Beispiel ein DEB-Paket mit einem Ubuntu-Programm. Auch tauchen derlei Container-Tools genauso auf, wie alle „normal“ installierten Apps.

htop in blendos.
Htop als Ubuntu-Container-App in blendOS

Für Die Android-Kompatibilität muss WaYdroid zunächst initialisiert werden, anschließend lassen sich per Klick die App-Stores F-Droid und Google Play per Aurora Store installieren und schon stehen weitere Zehntausende Apps zur Verfügung.

Das sind die Kernaspekte von blendOS, nun mal zur Praxis.

blendOS-Praxis

blendOS ist ein eher kleines Projekt, und das merkt man an vielen Stellen. So ist zum Beispiel die Dokumentation sehr sehr bündig. Einsteiger werden schon beim Download nicht glücklich sein, weil es auf der Seite zunächst zwei große Warnhinweise und dann gleich 7 Desktop-Varianten gibt, die man bereits kennen muss, Infos dazu gibt es nicht. Nun, 6 Varianten, einer der Warnhinweise legt nahe, den Deepin-Link nicht zu verwenden. Aber ganz ehrlich, es gibt ältere, größere Distributionen, die Einsteigern den Download wirklich schwierig machen …

Die Installation in VirtualBox lief problemlos, bis auf zwei Kleinigkeiten. Zum einen blieb das Tastatur-Layout stur auf Englisch, trotz korrekter DE-Angabe. Zum anderen wirft blendOS im Gegensatz zu anderen Distris die ISO-Datei nicht automatisch aus und weist auch nicht drauf hin – weshalb man nach der Installation ziemlich sicher ungewollt von der „CD“ booten dürfte. Wie gesagt, Kleinigkeiten, nicht für jede Zielgruppe relevant.

Die Einrichtung der Container: Super einfach, Name vergeben, Distri auswählen, fertig – funktionierte auf Anhieb.

container-app.
Die Container-Steuerung von blendOS – top!

Dann wurde es lästig: Das Initialisieren des Android-Supports macht erstmal gar nichts, nur der Button wurde inaktiv. Menü verlassen und wieder zurück: Button wieder klickbar – keine Info, ob was passiert ist. Wieder gedrückt, eine Stunde gewartet, nichts. Könnte ja am KDE-Desktop liegen, also fix eine VM mit der Gnome-Variante aufgesetzt: dieselben Probleme. Irgendwann, nach mehreren Stunden, Neustarts und Dutzenden von Passwort-Eingaben, gab es dann endlich die Erfolgsmeldung in Form der Buttons zum Installieren der Android-Stores.

Die Installation von F-Droid hat dann wieder ewig gedauert und nach der Installation? Na klar, startet es nicht. F-Droid ist zwar auf dem regulären Gnome-Desktop zu finden, aber Waydroid scheint nicht zu funktionieren. Scheint, weil ich nach einer Stunde Wartezeit keine Lust mehr hatte zu warten. Auch wenn das beim Initialisieren die Lösung war.

waydroid in blendos.
Android-App-Stores – theoretisch …

Und wisst Ihr was? Das ist irgendwie auch okay. Denn WayDroid funktioniert standardmäßig nur mit AMD- und Intel-GPUs! Bei blendOS wird darüber leider kein Wort verloren. Ein kurzes „Hey, unser blendOS läuft nicht in virtuellen Maschinen oder mit Nvidia-Grafikkarten.“ wäre echt nett gewesen. Das sind keine exotischen Szenarien.

Aber gut, WayDroid selbst zeigt die Möglichkeit, WayDroid ganz ohne GPU-Beschleunigung zu nutzen – also fix die Konfiguration angepasst und … es tat sich immer noch nichts. Vielleicht liegt’s an blendOS? Also alles nochmal unter einem normalen Ubuntu probiert, leider mit demselben Ergebnis.

Fazit

Wenn es funktionieren würde, wäre es bestimmt toll ;) So wie ich neulich schon bei Ubuntu Touch feststellen musste, dass es ohne Konjunktiv keinen Spaß bringt. Wobei das Problem hier vor allem WayDroid zu sein scheint, der Rest von blendOS läuft rund. Dass WayDroid nur AMD und Intel unterstützt ist schon eine ziemliche Bremse. Dass es auch in VirtualBox, zumindest hier und ohne Frickelei, nicht läuft, für mich ein Game-Stopper. Aber gut, hinter WayDroid scheint auch ein eher kleines Team zu stecken, vielleicht darf man die Erwartungen nicht zu hoch schrauben.

Wenn es funktionieren würde, wäre blendOS für Otto Normalverbraucher und Linux-Einsteiger immer noch nicht die beste Wahl, dafür müsste das ganze System völlig transparent sein. Wenn die Services im Hintergrund laufen würden und ein zentraler App-Store schlicht alle Quellen vereint und einheitlich darstellen würde, dann … immer noch nicht. Letztlich müssten Nutzer bei etlichen Programmen entscheiden, in welchem Container sie nun laufen sollen. Der Browser via Fedora, der Mail-Client via Ubuntu? Ich sehe nicht, dass sich normale Desktop-User damit beschäftigen möchten. Zudem muss ich gestehen, dass ich unter Ubuntu bislang noch keine Fedora-Apps vermisst habe.

Der Android-Support ist natürlich super spannend, für alle. blendOS‘ Container-Lösung als Ubuntu-App wäre mir allerdings lieber. Denn grundsätzlich ist die Integration von Containern und WayDroid wirklich gut gemacht. Nur würde ich mein Betriebssystem nicht abhängig von diesen Features wählen.

Dennoch werde ich blendOS im Auge behalten, die nächste Version v4 könnte spannend werden: Das System soll sich dann deklarativ aufbauen lassen, sprich in einer simplen Konfigurationsdatei wird angegeben, welche Komponenten laufen sollen und dann wird das aktuelle, noch frische Arch-Grundsystem entsprechend eingerichtet. Wieder ein toller Ansatz!

Und der deutet auch an, an wen sich blendOS eher richten dürfte als Einsteiger und Office-Bienchen: Techies, Linux-Freaks, Entwickler, Paket-Maintainer und so weiter. Wer sich gerne mit dem System an sich beschäftigt, wird seinen Spaß haben. Und sicherlich gibt es auch die wenigen Fälle, wo wirklich eine Fedora-only-App und eine Ubuntu-exklusive App parallel laufen sollen.

Kurzum: blendOS hat ein tolles Konzept gut umgesetzt – leider hakt das Kern-Feature Android-Support. Für Ottos nicht interessant, für Techies um so mehr. Es fehlt noch etwas an Reife.

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Mirco Lang

Freier Journalist, Exil-Sauerländer, (ziemlich alter) Skateboarder, Dipl.-Inf.-Wirt, Einzelhandelskaufmann, Open-Source-Nerd, Checkmk-Handbuchschreiber. Ex-Saturn'ler, Ex-Data-Becker'ler, Ex-BSI'ler. Computer-Erstkontakt: ca. 1982 - der C64 des großen Bruders eines Freunds. Wenn Ihr hier mehr über Open Source, Linux und Bastelkram lesen und Tutonaut unterstützen möchtet: Über Kaffeesponsoring via Paypal.freue ich mich immer. Schon mal im Voraus: Danke! Nicht verpassen: cli.help und VoltAmpereWatt.de. Neu: Mastodon

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