Meinung

Alexa – V-e-r-p-i-s-s D-i-c-h – Amazon Dot in Aktion

Amazons Alexa-Sprach-Interaktionsgeräte Echo und Dot wollte ich nie haben – Geräte, die ständig zuhören, sind gruselig. Aber am Prime Day gab es den Dot für 45 Euro und da wollte ich doch mal schauen, was das Ding kann und ein wenig drüber schreiben. Eine Woche später halte ich mich für einen Logopäden.

Was kann Dot denn nun?

Im Wesentlichen fragt Dot über den Sprachservice Alexa Datenbestände ab, von Webseiten über die Wikipedia bis hin zu persönlichen Kalendern oder To-Do-Listen. Dot kann aber auch Aktionen auslösen, beispielsweise kompatible Geräte wie Philips Hue aus der Heimautomatisierung steuern, die (Amazon-) Mediensammlung abspielen oder Webdienste wie My Taxi bemühen. Hinzu kommen durchaus praktische Tools wie Rechnen oder Erinnern. Die meisten Dinge müssten erst über so genannte Skills angelernt werden – dafür genügt erfreulicherweise das Anklicken derselben bei Amazon.

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Skills/Fähigkeiten für Alexa gibt es viele und die Einrichtung ist kinderleicht.

Und ja, es gibt durchaus einige Dinge, die ich möglicherweise des öfteren nutzen werde: Erinnerungen, Taschenrechner, einfache Fragen zum Wetter, der Tage bis Weihnachten oder der Größe von Phillip Lahm. Heimautomatisierung gibt es hier nicht, aber auch das wäre praktisch. Dank des standardmäßig aktivierten TuneIn-Diensts lassen sich nahezu beliebige Radiosender auf Zuruf abspielen. Wer viel Radio hört – und zappt! – wird es lieben. Und stünde das Teil bei mir in der Küche, würde ich eventuell ab und an Rezepte abfragen, zum Beispiel vom Skill Cocktail Mixer. Auch das Vorlesen von Nachrichtenzusammenfassungen zum Beispiel von Spiegel Online oder der Tagesschau, wird unter Umständen hier und da stattfinden.

Wichtig ist aber vor allem das Abspielen von Medien. Der Ton vom Dot reicht freilich nur für Gesprochenes, aber per Klinkenkabel oder Bluetooth lassen sich auch große Lautsprecher oder die Stereoanlage verbinden. Und genau an dieser Stelle beginnt der V-e-r-p-i-s-s-D-i-c-h-Faktor.

Computer – AUS

Zunächst mal eine Warnung: Die Ansprache „Computer“ dürfte nicht nur für Trekkies plausibler sein als „Alexa“ – aber lasst das! Schaut Ihr in Hörweite eine Folge IT Crowd oder ähnliches, springt Dot alle paar Minuten an und faselt irgendeinen Bullshit oder sagt, es wisse das nicht … Aber egal, kann das Gerät nicht viel für.

Beim Steuern der Medien wird es aber ärgerlich. Zunächst mal spielt das Ding nur Online-Titel, sprich Streaming-Dienste, die Amazon-Bibliothek oder das Amazon-Prime-Angebot. Offline-Titel? Nun, es gibt einen Skill für das Mediacenter Plex – beim amerikanischen Amazon und eigentlich auch beim Englischen. Installieren lassen sie sich aber nicht. Kodi? Mit einem Haufen Frickelei scheint es zu gehen – bislang habe ich aber nichts gesehen, was über ein besseres Proof-of-Concept hinausgeht. Und damit ist das Teil für mich eigentlich schon raus – ich bin alt, ich habe CDs, gerippt als Dateien auf der NAS und von dort will ich sie auch abspielen.

Aber selbst wenn Ihr das nicht wollt: Die Spracherkennung ist einfach beschissen. Ich habe mehrere Alben erfolgreich auf Anhieb gestartet, aber bei etlichen weiteren kam immer dasselbe Drama: Entweder das Alexa-Miststück spielt irgendetwas statt des gewünschten oder es behauptet kackendreist, das Album nicht zu finden. Interessant: In einem Fall habe ich den Titel auf Englisch angefragt und das Ding antwortet, es habe den Titel nicht gefunden – da es den Titel korrekt auf Deutsch wiederholt hat, hat es mich offensichtlich verstanden. Und jetzt fragt Euch selbst: Wie oft muss das vorkommen, bevor ich genervt bin?

Update: Allem Anschein nach kann Alexa Alben aus der Bibliothek nur spielen, wenn sie im „allgemeinen Prime“ enthalten sind – Alben, die in Eurem „persönlichen Prime“ sind, etwa, weil Ihr eine CD gekauft habt und die Inhalte per AutoRip-Dienst in der Bibliothek gelandet sind, versteht Alexa, kann sie aber nicht finden/wiedergeben. Sollte dieser Anschein bestehen bleiben: Schwach Amazon, ganz schwach; da helfen auch keine Lizenz-Ausreden.

Dr. Logo in den OP

So passiert dasselbe wie bei jeder Sprachsteuerung, die ich in meinem Leben je genutzt habe: Ich spreche LAUT und d-e-u-t-l-i-c-h und besch#!?mpfe den Computer und wiederhole und wiederhole alles immer und immer wieder und wieder. Alexa braucht dringend einen Besuch beim Logopäden. Das war genauso bei Uconnect im Auto, bei der Windows-Steuerung mit Dragon und allem voran bei Microsofts Kinect*. Nur bei der Google App funktioniert das Prozedere recht gut – allerdings muss hier in der Regel auch nur eine simple Suchanfrage zu Stande gebracht werden, was bei entsprechender Datenlage und automatischer Fehlerkorrektur schon einfacher ist.

Wenn man das die Ansprache jedoch auf „Computer“ ändert, wird alles immer schlimmer: Mitten in einer Folge IT Crowd fängt Dot plötzlich an „Bibi und Tina. Die Pferdeprinzessin“ zu spielen …

Andererseits: Anfragen, die korrekt erkannt werden, werden auch aus der Ferne mit leiser Stimme erkannt – das „Hören“, also die Hardware, funktioniert sehr gut.

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Guter Zuhörer, schlechter Interpretierer – es gibt noch viel zu tun.

Das muss sich ändern

Es gibt ein paar Dinge, die sich ändern müssen, bevor ich diesem wahnwitzig unpräzisen Ding wirklich etwas abgewinnen kann:

    Die Erkennung muss auf meine Stimme trainiert werden können, damit nicht Fernseher oder Radio mit dem Ding kommunizieren.
    Es muss eine Anbindung an die lokale Mediensammlung geben – und sei es über einen banalen DLNA-Server.
    Die Erkennung muss deutlich präziser werden – wenn ich alles wiederholen muss, macht es einfach keinen Spaß.

Fairerweise sollte man erwähnen, dass Alexa noch recht jung ist. Es werden Fernseher und sicherlich auch weitere Multimediageräte erscheinen, die sich über Alexa steuern lassen, es werden aller Wahrscheinlichkeit nach Skills für Kodi und Plex herauskommen und eigentlich sollte auch die Erkennungsqualität irgendwann erträglich sein.

Für wen lohnt es sich schon jetzt?

Wer Musik eher pauschal hört, so in der Art „Ich hätte jetzt gerne Smooth Jazz“ oder „Bitte WDR2“, könnte durchaus zufrieden sein – sofern man partout keinen Knopf dafür drücken will. In der Küche ist das etwa ein plausibles Szenario – „Alexa, frage Cocktail Mixer, wie man einen Cuba Libre macht“ ist nicht unpraktisch, wenn man die Hände voller Sirup hat. Ob man dem dann auch folgen kann oder doch lieber einen Ausdruck hätte – wer weiß.

Auch wer einfach auf Technikspielzeug steht und etwas nutzen möchte, was in ein, zwei Jahrzehnten möglicherweise der Standardzugang zu Computern oder zumindest zu Informationssystemen sein könnte, sollte zuschlagen.

Den größten Nutzen haben derzeit vermutlich intensive Nutzer von Streaming-Diensten wie Spotify oder Amazon Music Unlimited sowie Besitzer von kompatibler Heimautomatisierungstechnik.

Eines sollte jedenfalls jedem Interssenten klar sein: Alexa ist noch weit weg von einem Status, den man als fertig bezeichnen könnte – in der traditionellen Software-Welt würde ich es bestenfalls als einen ersten Release Candidate einstufen.

Wenn Euch 60 Euro nicht allzu weh tun, ist der Dot zumindest zeitweise ganz spannend.

*
KLeine Anekdote zu Kinect: Einst spielte ich Fifa 10 auf der Xbox. Über mehrere Saisons schuf ich ein Team, investierte Zeit ins Transfergeschäft und war eigentlich ganz zufrieden. Dann wurde ich entlassen – der Verein meinte, ich würde mich an der Seitenlinie unangemessen verhalten. Äh – bitte was? Das kann man bei dem Kackspiel doch gar nicht beeinflussen?! Kollege Boris mit der Frage konfrontiert, folgten auf das übliche „Nie gehört, waren wohl Mirco-Gremlins“ ein Verdacht, eine kurze Google-Suche und ein hysterischer Lachanfall. Die Antwort: Das dämliche Kinect-Teil lauschte wohl ins Wohnzimmer – wo ich saß und, wie sich das für Fuppes im Allgemeinen und Fifa im Speziellen gehört, über Schiris, Spieler, KI und eigene Fähigkeiten schimpfte. Was für ein beschissenes Feature …

Mirco Lang

Freier Journalist, Exil-Sauerländer, (ziemlich alter) Skateboarder, Dipl.-Inf.-Wirt, Einzelhandelskaufmann, Open-Source-Nerd, Checkmk-Handbuchschreiber. Ex-Saturn'ler, Ex-Data-Becker'ler, Ex-BSI'ler. Computer-Erstkontakt: ca. 1982 - der C64 des großen Bruders eines Freunds. Wenn Ihr hier mehr über Open Source, Linux und Bastelkram lesen und Tutonaut unterstützen möchtet: Über Kaffeesponsoring via Paypal.freue ich mich immer. Schon mal im Voraus: Danke! Nicht verpassen: cli.help und VoltAmpereWatt.de. Neu: Mastodon

4 Kommentare

  1. ich nutze die kleine Kröte (Echo-Dot) im Schlafzimmer: Wenn ich mitten in der Nacht aufwache und wissen will, wie spät es ist, reicht ein „Alexa, Zeit“. Wecker mit Leuchtziffern kann ich nicht haben, wills absolut dunkel im Schlafzimmer. Und wenn ich aufs Klo muß sag ich einfach nur „Alexa“ und der aufleuchtende blaue Lichtring reicht prima um die Tür zu finden….

  2. So, nachdem ich das Ding nun auch eingerichtet und die ersten Tests gemacht habe, möchte ich feststellen: In Sachen MusikERKENNUNG ist Alexa sowohl Siri als auch dem Google Assistant haushoch überlegen. Keine noch so obskure Band und kaum eine vernuschelte Aussprache, die der Echo Dot nicht verstanden hat. Top. Von notwendiger Logopädie kann hier definitiv nicht die Rede sein.

    Das beschriebene Wiedergabe-Problem liegt scheinbar eher daran, dass Amazon hier eine halbgare Verknüpfung von Alexa zu Amazon Music realisiert hat. Ich hatte tatsächlich auch das Problem, dass Alexa Alben nicht fand, die dank AutoRip definitiv in meiner Musikbibliothek waren. Das ist natürlich ziemlicher Käse, aber nicht wirklich ein „Fehler“ der Spracherkennung. Nachdem ich Alexa auf Spotify umgestellt habe, kann der Echo so ziemlich jede Band und jedes Album auf Zuruf abspielen, dass es da gibt. Als Küchenradio ist das Ding jetzt schon besser als alles, was ich jemals vorher im Einsatz hatte.

    Also, leeven Mirco, nicht immer gleich so ausfallend werden ;)

    1. Ja, nicht ganz falsch – aber wenn Du Dich erinnerst: Es hat gleich zwei Dots und zwei Menschen gebraucht, um auf die Idee zu kommen, dass Amazon Music nur Standard-Prime meint, nicht alles was einem Amazon als „Amazon Music“ anzeigt (daher auch das Update im Text). Insofern: OK, den Logopäden können wir uns sparen. Wie wär’s mit einem Psychater? Irgendwas tickt da jedenfalls nicht sauber. Wenn das Ding wirklich (dauerhaft) nur und ausschließlich für Amazon Music Unlimited und Spotify halbwegs zu gebrauchen ist – dann sollte man das Teil gratis zu einem Abo bekommen. Denn dann ist es nur ein Abo-konsumier-Gerät mit ein paar Extras.

      Und was das Küchenradio angeht bin ich ja voll dabei – ohne Ansprüche kann das Ding supi dupi irgendeine Musikrichtung oder einen Radiosender abspielen. Wie sagtest Du so korrekt: „Und man stößt immer soooooo schnell an die Grenzen dieser Dinger.“ Innerhalb der eng gesteckten Grenzen ist alles einigermaßen bis sehr gut – aber da wurde mir doch deutlich mehr suggeriert :(

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