WWDC-Keynote 2017: Da geht noch was, Apple!
Kommt Zeit, kommt Rat: Schon im Vorfeld der 2017er WWDC-Keynote von Apple wurde spekuliert, was da alles kommen würde. Und anders als bei so vielen enttäuschenden Keynotes der letzten Jahre hat Apple gestern Abend endlich mal wieder geliefert. Und zwar ordentlich: Neue iMacs und ein iMac Pro, neue Macbooks, neue Betriebssysteme, neue iPads und natürlich der dolle "Homepod", dessen Namen im Deutschen leider arg an eine Sanitärinstallation erinnert. Aber: Geschenkt! Geht doch, Apple! Allerdings ist auch diesmal nicht alles Gold, was glänzt.
Wenn sich der Feenstaub senkt
Neues Spielzeug! Und zwar reichlich! Der von mir oft kritisierte Tim Cook hat seinen Laden nun endlich im Griff, wie es scheint. Und Apple holte die Erneuerung der wichtigsten Produktlinien nach. Seine beste Eigenschaft: Er schmeißt nicht wie einst Steve Jobs mit esoterischen Adjektiven um sich, ebensowenig wie die anderen Apple-Manager. Das ist positiv, dennoch bleibt bei den Keynotes ein gewisser magischer Touch. Oder, um es ein wenig präziser auszudrücken: Viel Feenstaub. Im ersten Moment war ich auch angetan von dem Feuerwerk von tollem Zeug.
Der iMac Pro ist definitiv kein Gerät für Raucher, Katzenbesitzer oder Feinstaubsammler.
Apple ist anscheinend wieder da – und das ist gut so. Doch wenn sich der Feenstaub der wieder vortrefflich vorgetragenen Produktschau senkt, bleiben Fragen offen: Den inzwischen vier Jahre alte und damit schwer angestaubte Mac Pro wurde ignoriert. Schlimmer noch, der 2014 verschlimmbesserte und seitdem nicht mehr gepflegte Mac Mini bleibt auf dem Stand von 2014 – dabei hatte der all die Jahre zuvor das größte Potential. Warum hier kein Update erfolgte, weiß nur Apple. Eventuell wird er im Zuge des versprochenen Mac-Pro-Updates Ende des Jahres überarbeitet. Oder das Lineup wird auf einen Desktop-Mac ohne Bildschirm mit Pro-Anspruch reduziert.
iMac Pro: Das eigentliche Highlight
Absolut genial hingegen: Der für Ende des Jahres angekündigte iMac Pro. Sicher kein Gerät, das ich mir kaufen würde – schon das 4999-Dollar-Preischild schreit laut "brauchst Du nicht". Doch die Idee ist gut und längst überfällig. Denn Apple könnte mit dem Gerät verloren geglaubte Pro-User wiedergewinnen. Allerdings bezweifle ich persönlich, ob die Kühlung dauerhaft standfest bleibt. Der iMac Pro ist definitiv kein Gerät für Raucher, Katzenbesitzer oder Feinstaubsammler. Das "normale" iMac-Lineup wurde auf Kaby-Lake-Plattform aktualisiert und erhält endlich Thunderbolt-3-Stecker. Das war für mich bisher auch der Grund, keinen neuen iMac anzuschaffen. Allerdings gibt es auch hier einige Möglichkeiten, zu meckern: Fusion-Drive ist erst ab dem höchsten 21,5"-iMac Standard, in kleineren Modellen ist nach wie vor die lahme 5.400 U/min-Festplatte eingebaut. Und warum sind SSDs nicht inzwischen Serie? Außerdem fürchte ich, dass nun auch die 27"-Version mit verlötetem RAM aufwartet. Details sind zur Stunde leider noch nicht ersichtlich, da die Tech-Specs noch nicht aktualisiert sind. Immerhin: Bei den großen iMacs kann nach wie vor eigener RAM eingebaut werden.
Das iPad Pro wird erwachsen
Schön ist auch das Upgrade des kleinen iPad Pro auf 10,5 Zoll Bildschirmgröße. Damit werden, trotz nur geringer Vergrößerung der Außenmaße, vollwertige Tastaturen möglich. Das Performance-Geblubber halte ich unter iOS – das ebenfalls auf der Keynote massiv beworbene Virtual Reality hin oder her – für zu vernachlässigen. Wichtiger: Beide iPad Pros erhalten neue, bessere Bildschirme mit 120 Hertz. Das schont die Augen und sorgt für eine präzisere Stifteingabe mit dem Apple Pencil. Mit den Neuerungen, die iOS 11 bringen soll – Drag & Drop, echtes Multitasking, Dateibrowser und mehr – wird auch die Bedienung (hoffentlich) in Zukunft besser. Wermutstropfen: 3D-Touch gibt's auch auf den neuen iPads nicht, wer das Gerät vollumfänglich nutzen will, kommt also am Kauf der Tastaturhülle und des Pencils kaum vorbei.
Wer sich den Namen ausgedacht hat, hat ganz offensichtlich Lack gesoffen und gehört definitiv gefeuert.
Homepod – die haben doch Lack gesoffen
Wie sooft durfte Phil Schiller am Ende der Keynote ein eigentlich unspektakuläres "last thing" vorstellen: Den Homepod. Wer sich den Namen ausgedacht hat, hat ganz offensichtlich Lack gesoffen und gehört definitiv gefeuert. Apple behauptet, das, was Google und Amazon längst mit Alexa und Home auf dem Markt haben, noch einmal besser gemacht zu haben. Der Seitenhieb an Amazons Echo wurde gleich mit ausgeteilt. Der Homepod ist im Grunde ein leistungsstarker Lautsprecher mit Siri-Funktionen – also im Grunde das Gleiche wie Echo mit Alexa. Aber im Apple-Sprech ist das Ding, das wie "Heim-Pott" klingt, nicht weniger als eine Revolution der Musik, ähnlich wie einst der iPod. In dem Zusammenhang denke ich an Apples letzten kläglichen Lautsprecher-Versuch: Den iPod Hi-Fi: Das Ding war ohne Zweifel gut, nur eben mit 349 Dollar viel zu teuer. Und der Homepod? Der soll auch 349 Dollar kosten und liegt damit deutlich über dem, was Amazon und Google veranschlagen.. Psychologen nennen so etwas Wiederholungszwang. Zumal das Teil schlicht aufgrund seiner geringen Größe keine Krawallkiste sein kann – hier setzt die Physik einfach Grenzen. Und Apple ist arg spät dran...
iOS 11 und MacOS High Sierra
Ach ja, da waren ja auch noch die Betriebssysteme: MacOS 10.13 "High Sierra" wurde nur kurz vorgestellt und scheint vor allem ein Wartungsupdate zu werden, das hier und da die Funktionen verfeinert und das neue Apple-Dateisystem AFS einführt. Was nur zwei Dinge bedeuten kann: Entweder, Apple hat sich primär auf iOS 11 konzentriert, weil MacOS bereits einen Grad an Perfektion erreicht hat, der kaum noch zu verbessern ist. Oder MacOS nähert sich dem Ende seines Lebens und wird irgendwann mit iOS zu einem System verschmelzen. Das liegt nahe, da Apple offensichtlich viel Arbeit in das Mobilsystem gesteckt hat, um es "profitauglicher" zu machen. Dafür hat Apple nicht nur Drag & Drop erfunden, sondern auch Multitasking und einen Dateimanager.
Nichts Neues ist trotzdem gut
Was? So etwas gab es schon? Sogar unter Windows, Linux und MacOS und das seit ca. 1980? Nein, da müsst Ihr Euch täuschen: Das ist niegelnagelneu und eine Innovation von iOS. Aber genug des Sarkasmus: Ja, iOS 11 wird vieles verbessern, was nunmehr 10 Jahre im Argen lag. Aber iOS bleibt nach wie vor ein Mobilsystem mit Sandbox, das streng von Apple und dem AppStore kontrolliert wird. Bis zum Beispiel Windows als virtuelle Maschine auf dem iPad, ein normales Photoshop oder echte Programmiertools installiert werden können oder das Gerät mit Tastatur, Maus und externem Monitor als Standalone-Rechner arbeiten kann, werden wohl noch einige Versionen ins Land ziehen.
Die optimale Lösung liegt vermutlich irgendwo dazwischen in Form eines MacPad Pro.
Wann kommt das MacPad Pro?
Ich persönlich hoffe ja, dass MacOS ähnlich Windows auf dem Surface einfach irgendwann seinen Weg auf das iPad findet. Und dass Apple bis dahin auf die Idee kommt, den Dingern einen uneingeschränkten Thunderbolt-3- oder wenigstens USB-3.1-Port zu verpassen. Microsoft hat da mit Continuum einen sehr interessanten Ansatz. Dummerweise ist man dort zu doof, die eigentlich ganz guten Smartphones vernünftig zu vermarkten. Auf der anderen Seite scheint man bei Apple sehr an iOS zu hängen: Die neuen Funktionen gleichen ein wenig dem Versuch, ein Huhn durch das Anleben von Federn in einen Adler zu verwandeln. Die optimale Lösung liegt vermutlich irgendwo dazwischen in Form eines MacPad Pro. Doch auch hier musste sich der Feenstaub erst einmal senken.
Und was ist mit der Apple-Watch?
Die blöde Uhr habe ich bisher ignoriert und ich werde es weiter tun. Der Vorteil eines Lebens über 30: Man muss sich nicht mehr mit jedem Blödsinn – etwa Smart Watches – abgeben. Aber ja: Das Betriebssystem wurde überarbeitet, die Uhr bleibt gleich. Und es ist so egal wie seit zwei Jahren.
Zusammengefasst: Guter Job, Apple, aber da geht noch was!
Unter dem Strich gab es viel neues und viel Chichi-Feenstaub. Trotzdem halte ich die meisten der auf der WWDC-Keynote 2017 präsentierten Neuerungen für gut. Allerdings waren viele schlicht notwendig. Gerade in Sachen Mac-Hardware zieht Apple nämlich durch die Aktualisierung der wichtigsten Produktlinien bestenfalls wieder mit der Konkurrenz gleich.
Das iPad Pro dürfte allerdings ab Herbst 2017 bei Microsoft für einige Bauchschmerzen sorgen. Denn die Surface-Geräte leiden am alten Microsoft-Problem: Gute Idee, miese Umsetzung. Schon wegen der Brand Loyality dürfte kaum ein iPad- oder Macbook-Nutzer auf Surface umsteigen, umgekehrt hingegen schon. Zumal ein iPad Pro mit iOS 11 vermutlich für die meisten User völlig ausreichend sein dürfte – zumal das System auf seine beschränkte Art eben sehr sympathisch und rund daher kommt. Trotzdem sollte Apple mittelfristig überlegen, ob die Tablet- und Macbook-Linien nicht irgendwie sinnvoll zusammengeführt werden können.
Man hängt in Cupertino ganz offensichtlich den großen Zeiten nach.
Der Versuch, Usern zwei Geräte der 1000-Euro-Klasse zu verkaufen, obwohl sie eigentlich nur eines benötigen, ist auf kurz oder lang zum Scheitern verurteilt. Das zeigen nicht nur die bereits seit geraumer Zeit die sinkenden Absatzzahlen des iPads, sondern auch die stiefkindliche Behandlung des Macs seitens Apple in den letzten Jahren. Man hängt in Cupertino ganz offensichtlich den großen Zeiten nach. Statt das Gesamtkonzept neu zu denken, wird iOS – seines Zeichens ein kastriertes Mac OS X – nach und nach um Funktionen erweitert, die ein richtiges Betriebssystem längst an Bord hat. Apple sollte ein wenig Nachhilfe bei Viehzüchtern nehmen. Die wissen nämlich seit Jahrtausenden, dass sich ein Stier schnell in einen Ochsen verwandeln lässt – der Ochse aber nie wieder ein Stier wird. Ähnlich ist das mit MacOS und iOS: Apple kann noch so viel Blingbling ins iOS-System schieben – es wird nie wieder ein vollwertiges Betriebssystem.
Nichtsdestotrotz: Apple ist wieder da! Und das ist gut so. Nach den enttäuschenden Keynotes der letzten Jahre hatte ich schon befürchtet, dass die Ära mit Steve Jobs ihr Ende fand. Dem ist nicht so, auf der WWDC-Keynote 2017 wurde (endlich) das Gegenteil bewiesen. Die Neuvorstellungen waren allerdings nur ein Schritt in die richtige Richtung. Liebe Apple-Manager: Da geht noch was, da bin ich mir sicher!
„esoterische“ Adjektive nicht, aber diese Selbsbeweihräucherung mit den Adjektiven incredible und amazing nehmen überhand und wirken auf mich total lächerlich…