Meinung

Meinung: Ansgar „digitales Blut“ Heveling als Bosbach-Nachfolger? Och nööö …

Wolfgang Bosbach tritt ab – Auftritt Ansgar Heveling? Ich darf versichern: Welcher Partei dieser Herr angehört ist mir wurscht und eigentlich schreibe ich über IT, nicht Politik. Vor drei Jahren aber hat Ansgar Heveling einen solchen Unfug verzapft, dass ich mich doch genötigt sah. Keine Ahnung, was Heveling in der Zwischenzeit geleistet oder nicht geleistet hat, aber seine Tirade gegen die Netzgemeinde, mit Worten wie „digitales Blut“, „ruinenhaften Stümpfe unserer Gesellschaft“ und „Schlachtennebel“ sollte nicht vergessen werden. Aus diesem Anlass, ein alter Artikel an neuer Stelle: Exklusives Streitgespräch im O-Ton: Ansgar Heveling trifft auf J.W. von Goethe und K. Marx

Dass sich CDU-Hinterbänkler Ansgar Heveling kürzlich mit einem Gastkommentar beim Handelsblatt wenige Freunde gemacht hat, dürfte bekannt sein – schließlich hat er der Netzgemeinde erklärt, sie würde den Kampf verlieren, Web 2.0 als „imaginäres Lebensgefühl“ bald Geschichte sein, „digitales Blut“ würde fließen und überhaupt müsse verhindert werden, dass nach dem „Schlachtennebel“ nur noch die „ruinenhaften Stümpfe unserer Gesellschaft“ übrig blieben … .
Seine Waffen der Wahl: Ausgerechnet die amerikanischen Gesetzgebungspläne SOPA und PIPA, gegen die alle Welt Sturm läuft – sogar US-Demokraten und -Republikaner gemeinsam, aber die beiden sind natürlich sowieso ständig einer Meinung.

Und Ansgar H. ruft auch zur Revolte auf: „Also, Bürger, geht auf die Barrikaden und zitiert Goethe, die Bibel oder auch Marx.“ (Warum ein CDU’ler aufruft Marx zu zitieren, bleibt im Dunkeln.) Nun gut, was Goethe, Max und Bibel zu sagen haben, würde uns auch interessieren, also haben wir Heveling und seine drei Wunschkandidaten zum Gespräch geladen. Die Herren Goethe und Marx haben auch spontan zugesagt, Bibel-Repräsentant J. v. Nazareth beantwortete unsere Anfrage mit einem kurzen und prägnanten

„Liebet eure Feinde; segnet, die euch fluchen; tut wohl denen, die euch hassen; bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen.“ Matthäus 5,44

und erteilte uns eine Absage – da aufgrund dieser Aussage keine inhaltlich wirklich wertvollen Beiträge zu erwarten waren, können wir das verschmerzen.

Hier also die Herren Goethe, Marx und Heveling im Wortlaut:

Heveling, wild gestikulierend: „Die Idee des geistigen Eigentums ist im Netz in Gefahr. Die aktuellen Diskussionen über die US-amerikanischen Gesetzgebungspläne „Sopa“ und „Pipa“ zur Regulierung des Internets verfügen über alle Elemente, um – endlich? – den lang erwarteten und von einigen vielleicht ersehnten „Clash of Civilizations“ zu provozieren.“

Goethe, erstaunt: „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“

Heveling: „Es ist der Kampf zwischen der schönen neuen digitalen Welt und dem realen Leben. Während die „digital natives“ den realen Menschen zum Dinosaurier erklären, vergessen sie dabei, dass es sich bei dieser Lebensform um die große Mehrheit der Menschen handelt.“

Gizlog: Auch die Dinos waren mal Mehrheit, sind aber nun weg. Darf man etwa an grundlegenden Idealen nichts kritisieren?

Marx, erregt: „Die Kritik der Religion ist die Voraussetzung aller Kritik.“

Gizlog: Grund genug, zu rechtfertigen, dass Herrn Evelings Website gehackt wird?

Marx, schwadronierend: „Die Waffe der Kritik kann allerdings die Kritik der Waffen nicht ersetzen, die materielle Gewalt muss gestürzt werden durch materielle Gewalt, allein auch die Theorie wird zur materiellen Gewalt, sobald sie die Massen ergreift.“

Gizlog: Nun, wieder zur Revolution.

Heveling: „Auf Mehrheitsverhältnisse haben Revolutionen indessen nie wirklich Rücksicht genommen.“

Goethe, gelassen: „Die Masse könnt ihr nur durch Masse zwingen, // Ein jeder sucht sich endlich selbst was aus.“

Marx, aufmunternd zu Heveling: „Die Revolutionen sind die Lokomotiven der Geschichte.“

Heveling, kämpferisch im Parolen-Stil: „Die mediale Schlachtordnung der letzten Tage erweckt den Eindruck, wir seien im dritten Teil von „Der Herr der digitalen Ringe“ angekommen, und der Endkampf um Mittelerde stehe bevor.“

Goethe, verschmitzt lächelnd: „Ein Kerl, der spekuliert, // Ist wie ein Tier, auf dürrer Heide // Von einem bösen Geist im Kreis herumgeführt, // Und ringsumher liegt schöne grüne Weide.“

Heveling, unbeirrt pathetisch: „Das ist die Gelegenheit, schon jetzt einen vorgezogenen Nachruf auf die Helden von Bits und Bytes, die Kämpfer für 0 und 1 zu formulieren. Denn, liebe „Netzgemeinde“: Ihr werdet den Kampf verlieren. Und das ist nicht die Offenbarung eines einsamen Apokalyptikers, …“

Goethe: „Heinrich! Mir graut’s vor dir.“

“ … es ist die Perspektive eines geschichtsbewussten Politikers. Auch die digitale Revolution wird ihre Kinder entlassen. Und das Web 2.0 wird bald Geschichte sein. Es stellt sich nur die Frage, wie viel digitales Blut bis dahin vergossen wird.“

Gizlog: Vorsicht Herr Eveling, Downloads mit Messerstichen zu vergleichen erscheint doch drastisch.

Goethe, verschwörerisch und mit erhobenem Finger: „Blut ist ein ganz besondrer Saft.“

Heveling, jetzt sichtlich erregt: „Denn es ist Aufmerksamkeit geboten. Auch wenn das Web 2.0 als imaginäres Lebensgefühl einer verlorenen Generation schon bald Geschichte sein mag, so hat es allemal das Zeug zum Destruktiven.“

Goethe: „Daran erkenn ich den gelehrten Herrn! // Was ihr nicht tastet, steht euch meilenfern, // Was ihr nicht faßt, das fehlt euch ganz und gar, // Was ihr nicht rechnet, glaubt ihr, sei nicht wahr, // Was ihr nicht wägt, hat für euch kein Gewicht, // Was ihr nicht münzt, das, meint ihr, gelte nicht.“

Heveling, Goethe den Rücken zuwendend: „Wenn wir nicht wollen, dass sich nach dem Abzug der digitalen Horden und des Schlachtennebels nur noch die ruinenhaften Stümpfe unserer Gesellschaft in die Sonne recken und wir auf die verbrannte Erde unserer Kultur schauen müssen, dann heißt es, jetzt wachsam zu sein. “

Goethe, mit geneigtem Kopf und zusammengepressten Lippen: „Der Menschheit ganzer Jammer faßt mich an.“

Marx, mit Geisterstimme und wabernden Armen: „Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst des Kommunismus.“

Gizlog: Herr Goethe, Herr Marx, bitte nicht so sarkastisch.

Heveling, die Faust geballt: „Also, Bürger, auf zur Wacht! Es lohnt sich, unsere bürgerliche Gesellschaft auch im Netz zu verteidigen! Diese bürgerliche Gesellschaft mit ihren Werten von Freiheit, Demokratie und Eigentum hat sich in mühevoller Arbeit aus den Barrikaden der Französischen Revolution heraus geformt – so entstand der Citoyen. Und genau dort, in den Gassen von Paris im Jahr 1789, wurde die Idee des geistigen Eigentums geboren. Welche Errungenschaft wider die geistige Leibeigenschaft des Ancien Régime!“

Gizlog: Die Französiche Revolution hat sicherlich viele Spuren hinterlassen, aber vielleicht geht’s auch ein wenig, ein ganz klein wenig, weniger pathetisch – zumal auch derartige Errungenschaften doch wohl weitergedacht werden dürfen, oder sogar in ihren Grundfesten kritisiert; ansonsten würd’s doch langsam etwas dogmatisch.

Marx: „Ist die Konstruktion der Zukunft und das Fertigwerden für alle Zeiten nicht unsere Sache, so ist desto gewisser, was wir gegenwärtig zu vollbringen haben, ich meine die rücksichtslose Kritik alles Bestehenden, rücksichtslos sowohl in dem Sinne, daß die Kritik sich nicht vor ihren Resultaten fürchtet und ebensowenig vor dem Konflikte mit den vorhandenen Mächten.“

Heveling: „Endlich konnte man – unabhängig von Herkunft und Status – mit seines Geistes Schöpfung wirtschaftlich etwas anfangen.“

Goethe, mit einem Seufzer: „Welch Schauspiel! aber ach! ein Schauspiel nur!“ „Ihr wisst, auf unsern deutschen Bühnen // Probiert ein jeder, was er mag.“

Heveling, unbeirrt weiter: „Diese Idee des geistigen Eigentums sollte sich als Motor für Innovation und Entwicklung auf dem europäischen Kontinent erweisen. Eine Idee, deren Bewahrung auch im digitalen Zeitalter lohnt.“

Marx, weise: „Was beweist die Geschichte der Ideen anders, als daß die geistige Produktion sich mit der materiellen umgestaltet? Die herrschenden Ideen einer Zeit waren stets nur die Ideen der herrschenden Klasse.“

Goethe, angepisst, ätzend: „Es erben sich Gesetz und Rechte // Wie eine ew’ge Krankheit fort; // Sie schleppen von Geschlecht sich zum Geschlechte // und rücken sacht von Ort zu Ort. // Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage; // Weh dir, dass du ein Enklel bist! // Vom Rechte, das mit uns geboren ist, // Von dem ist leider! nie die Frage.“

Heveling, Goethe eine Orhfeige andeutend fährt fort: „Sie [die Idee] ist im Netz in Gefahr. Nicht weil Bits und Bytes aus sich heraus wie kleine Pacmans an den Ideen und Idealen unserer bürgerlichen Gesellschaft knabbern würden. Nein, es sind die Menschen, die hinter den Maschinen sitzen und eine andere Gesellschaft wollen. Die die totale Freiheit apostrophieren und damit letztlich nur den „digitalen Totalitarismus“, wie es Jaron Lavier genannt hat, meinen.“

Marx: „Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen.“

Heveling, jetzt verschwörerisch flüsternd: „Es ist eine unheilige Allianz aus diesen „digitalen Maoisten“ …“

Goethe, hinter vorgehaltener Hand: „Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten.“

„… und kapitalstarken Monopolisten, die hier am Werk ist. Auch wenn sie sagen, sie seien die Guten – nur weil man sagt, man sei gut, ist man es noch lange nicht.“

Goethe, im Gutmenchenton: „Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange // Ist sich des rechten Weges wohl bewusst.“

Heveling, den Kopf schüttelnd: „Nun haben Wikipedia und Google in den letzten Tagen ihren starken Arm gezeigt.“

Marx springt auf und reckt die Faust: „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“

Heveling, kurz erschreckt, jetzt stammelnd: „Doch Googles und Wikimedias dieser Welt, lasst euch zurufen: Auch wenn Wikipedia für einen Tag ausgeschaltet ist und Google Zensurbalken trägt, ist das nicht das Ende des Wissens der Menschheit. Welche Hybris! Lasst euch gesagt sein: Das Wissen und vor allem die Weisheit der Welt liegen immer noch in den Köpfen der Menschen. “

Goethe, im gütigen Tonfall: „Der denkende Mensch hat die wunderliche Eigenschaft, dass er an die Stelle, wo das unaufgelöste Problem liegt, gern ein Phantasiebild hinfabelt, das er nicht loswerden kann.“

Heveling, immer noch vom Schrecken gezeichnet, jetzt wütend: „Also, Bürger, geht auf die Barrikaden und zitiert Goethe, die Bibel oder auch Marx. Am besten aus einem gebundenen Buch!“

Marx, lauthals lachend: „Goethe war der größte Deutsche, nicht nur der größte deutsche Dichter.“

Goethe, mit Mädchenstimme: „O wär ich nie geboren!“

Heveling, wieder beruhigt: „Natürlich verändert die fortschreitende Digitalisierung unsere Gesellschaft. Vieles wird einfacher. Auch dieser Text ist mit Hilfe der Errungenschaften der Digitalisierung entstanden.“

Goethe, auf den Tisch hauend in besonders ernstem Tonfall: „Ein echter deutscher Mann mag keinen Franzen (Franzosen) leiden, // Doch ihre Weine trinkt er gern.“

Heveling, bemüht souverän: „Aber wir sollten uns zu wehren beginnen, wenn einzelne Menschen hinter den vielen Maschinen uns unsere Lebensentwürfe vorschreiben. Noch ist es dazu nicht zu spät.Wir dürfen die Gestaltung der Zukunft nicht denen überlassen, die sich als digitale Avantgarde verstehen und meinen, sie wüssten, was das Beste für die Masse Mensch vor den Maschinen sei.“

Nebel erscheint, Aristoteles erscheint vage: „Man muss etwas vom Wesen der Bewegung verstehen, um einen Sinn für die Zukunft zu erlangen“. Ein Blitz, Nebel und Philosoph verschwinden

Heveling, zärtlich ein CDU-Wimpel streichelnd: „Piraten sind jedenfalls dabei der schlechteste Ratgeber.“

Goethe, abschätzig: „Wie hässlich neben Schönheit zeigt sich Hässlichkeit.“

Gizlog: Ja, auch wir möchten Sie bitten, nichtanwesende Konkurrenz hier nicht durch unpassende Wortspiele zu beleidigen.

Heveling: „Sie achten das Eigentum des anderen nicht, setzen ihr Wissen nur für den eigenen Vorteil ein, sind darauf bedacht, zusammenzuraffen, was sie von anderen kriegen können. Und offensichtlich sind Narzissmus und Nerdzismus Zwillinge.

Goethe, kopfschüttelnd, zu sich selbst: „Allein der Vortrag macht des Redners Glück.“

Heveling, gönnerhaft: „Natürlich soll niemandem verboten werden, via Twitter seine zweite Pubertät zu durchleben.“

Goethe: „Ein Mann, der recht zu wirken denkt, // Muss auf das beste Werkzeug halten.“

Heveling, fordernd: „Nur sollte man das nicht zum politischen Programm erheben. Jetzt haben wir noch die Zeit, diesem Treiben Einhalt zu gebieten.“

Marx, belehrend: „Nicht das Bewußtsein bestimmt das Leben, sondern das Leben bestimmt das Bewußtsein.“

Gizlog: Dann hätten wir uns die Diskussion ja sparen können … .
Meine Herren, ein paar letzte Worte?

Heveling, die Hand auf der rechten Brust: „Wir brauchen den Citoyen, dem Werte wie Freiheit, Demokratie und Eigentum auch im Netz am Herzen liegen.“

Goethe, nachdenklich: „Die meisten verarbeiten den größten Teil der Zeit, um zu leben, und das bisschen, das ihnen von Freiheit übrig bleibt, ängstigt sie so, dass sie alle Mittel aufsuchen, um es los zu werden.“

Marx: „Kein Mensch bekämpft die Freiheit; er bekämpft höchstens die Freiheit der anderen.“ „Die Freiheit besteht darin, den Staat aus einem der Gesellschaft übergeordneten in ein ihr durchaus untergeordnetes Organ zu verwandeln“

Heveling, sich selbst zitierend: „Die Idee des geistigen Eigentums ist im Netz in Gefahr“

Goethe, zu Marx gewandt: „Vor Ihro Kayserliche Majestät, hab ich, wie immer schuldigen Respect. Er aber, sags ihm, er kann mich im Arsch lecken.“

Ende

Alle Zitate (außer das von Aristoteles) stammen von Wikiquote. Goethe-Zitate stammen, natürlich, von diversen seiner Figuren, allen voran Faust und Mephistopheles. Und das Heveling-Bild stammt von der CDU/CSU.

Mirco Lang

Freier Journalist, Exil-Sauerländer, (ziemlich alter) Skateboarder, Dipl.-Inf.-Wirt, Einzelhandelskaufmann, Open-Source-Nerd, Checkmk-Handbuchschreiber. Ex-Saturn'ler, Ex-Data-Becker'ler, Ex-BSI'ler. Computer-Erstkontakt: ca. 1982 - der C64 des großen Bruders eines Freunds. Wenn Ihr hier mehr über Open Source, Linux und Bastelkram lesen und Tutonaut unterstützen möchtet: Über Kaffeesponsoring via Paypal.freue ich mich immer. Schon mal im Voraus: Danke! Nicht verpassen: cli.help und VoltAmpereWatt.de. Neu: Mastodon

2 Kommentare

    1. Ha noi, da han i, h-hmmm … habe ich dem ollen Paarrheimer pauschal seine Figuren in den Mund gelegt. Und als „Schwäbischen Gruß“ kannte ich Banause das gar nicht … Aber nach zwei Dekaden ist der Deutsch-LK auch verjährt.

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