Testlabor

Test: Monokular Anruzon 10-30×50 mit Smartphone-Halterung

Was taugt ein 46-Euro-Vergrößerungsmonster? Oder ist nur der Haben-Will-Faktor groß?

Ferngläser, Monokulare und Teleskope sind typische Produkte für Impulskäufe – wenn denn nur der Preis stimmt. Ältere Semester werden es noch aus den Veedes-Spielzeug-Katalogen zur Weihnachtszeit kennen, alles voller Teleskope … Heute ist es eher Amazon, das uns ständig suggeriert: Du brauchst ein Fernglas! Für das Smartphone! Zoom! MEGAZOOM! Aber optische Geräte sind oft verdammt teuer, was also kann ein 50-Euro-Chinadingens?

Features

Es gibt bei Amazon Hunderte günstiger Monokulare, die Wahl viel auf das Anruzon da es Zoom bietet, mit einer Vergrößerung von bis zu 30-fach und einem 50-mm-Objektiv am oberen Ende in der Welt der Billigheimer spielt und zudem eben eine Smartphone-Halterung mitliefert. Dazu kommen noch Tasche, Handgelenklasche, Reinigungstuch und eines der miesesten Stative, die je gebaut wurden.

Das Monokular samt Zubehör.
Das Monokular samt Zubehör.

Das Monokular besteht aus rutschfestem Material, hat ein 22-mm-Okular, ein Sichtfeld von 130m auf 1000m Abstand und man kann den Abstand zwischen Auge und Linse ein wenig regulieren. Die vordere Schutzkappe ist am Monokular befestigt, die hintere ist lose.

Verarbeitung

Das Monokular selbst ist eigentlich ziemlich ordentlich gefertigt. Es fühlt sich wertig an, ist tatsächlich rutschfest, die Schutzklappen passen exakt, die Stativaufnahme ist stabil und die Linsen liefern – soweit von außen zu sehen – keinen Anlass zur Beschwerde.

Beim Zubehör sieht es schon anders aus: Die Tasche ist gut und kann direkt am Gürtel befestigt werden. Die Smartphone-Halterung ist aus billigem, scharfkantigem Plastik gefertigt und hat interessanterweise ebenfalls eine Stativaufnahme, so dass man sie auch ganz abseits des Monokulars nutzen kann, um ein Smartphone auf einem Stativ zu befestigen – schöner Zusatznutzen! Handschlaufe und Reinigungstuch können wir wohl mal außen vor lassen …

handy-halterung für monokular.
Keine ausgefeilte Technik, aber die Halterung sitzt sehr ordentlich.

Das Stativ ist ein Witz! Es besteht bis auf die Schrauben komplett aus billigem Plastik. Ein Zweijähriger könnte es vermutlich mit Leichtigkeit in Stücke brechen.

stativ im detail
Müll: Das Stativ ist einfach nur Müll.

Handhabung

Die Bedienung funktioniert tadellos, insbesondere die Scharfstellung ist haptisch sehr gut gelungen und funktioniert perfekt mit einer Hand. Die Einstellung der Vergrößerung hingegen ist deutlich unrunder, funktioniert aber.

detail-aufnahme des monokulars.
Das Fokussieren mit dem oberen Rädchen läuft extrem geschmeidig.

Ansonsten gibt es eigentlich nur die Smartphone-Halterung zum Handhaben: Sie mag aus billigem Plastik bestehen, tut aber was sie soll und dürfte mit nahezu jedem Smartphone zurecht kommen. Das Handy wird schlicht über eine Feder eingespannt, die Halterung mit der Öffnung für die Kamera wird über einen beweglichen Arm justiert, anschließend stülpt man das Ganze auf das Monokular.

smartphone-halterung im detail.
Material suboptimal, Funktion simpel und universell passend.

Wer hier präzises Aufsetzen, sattes Einrasten und dergleichen erwartet wird enttäuscht – natürlich. Die Halterung hält das Handy sehr gut und hält auch selbst gut genug am Monokular, aber man muss schon ein wenig drücken, drehen und zurechtrücken, um ein sauberes Bild ohne Ränder in die Kamera-App des Smartphones zu bekommen. Für eine Universalhalterung im Billigsegment ist das allerdings völlig in Ordnung.

Die Abstandseinstellung zum Auge hin ist auch sehr praktisch, um beispielsweise nicht ständig mit den Wimpern an die Optik zu kommen. Allerdings: Einmal aufgestülpt, sitzt die Halterung gut und fest -, so fest, dass beim Abziehen ordentlich Kräfte auf die Abstandseinstellung wirken. Mal schauen, ob sich das im Laufe der Zeit rächt …

detail-aufnahme des monokulars.
Praktisch für lange Winpern.

Das Stativ könnt Ihr wie gesagt vergessen: Es ist ausziehbar, verfügt über ein Kugelgelenk und kann leichte Dinge wie Smartphones durchaus präzise genug halten. Auch das Monokular lässt sich einigermaßen justieren, aber einigermaßen genügt einfach nicht, wenn man Dinge erfassen will, die ein paar Hundert Meter entfernt sind – selbst ein wenig Spiel lässt das Motiv dann verschwinden. Es ist nicht völlig nutzlos, aber billiger Mist.

gerät von der seite.
In der Hand liegt das Monokular gut und ist rutschfest – auf dem Stativchen wirkt es fehl am Platze.

Bildqualität

Die eigentlich Frage ist aber, wie es mit der Bildqualität steht. Zunächst mal zum Monokular selbst, ohne Smartphone: Hier gibt tatsächlich nichts zu meckern, keine Verzerrungen, keine Unschärfen, kein großer Lichtabfall und das alles über die gesamten Schärfe- und Zoomeinstellungen. Lediglich ganz am Rand des Sichtfelds, an den Linsenrändern, ist ein leichtes Farbspiel zu beobachten – man muss aber schon absichtlich hinschauen. Bei 30-facher Vergrößerung braucht man allerdings schon eine sehr ruhige Hand!

monokular-aufnahmen aus der hand im vergleich.
Im Sitzen aus der Hand mit 10- und 30-facher Vergrößerung, Abstand ca. 20 Meter.

Was die Qualität von Fotos und Videos angeht: Natürlich hängt das massiv vom Smartphone ab, hier im Test hing ein Pixel 3a am Monokular.

Mit Stativ solltet Ihr aber immer noch mit Fernauslöser oder zeitlich gesteuert fotografieren, da das ganze Gebilde recht wackelig ist, selbst auf einem guten Stativ – klar, schließlich hängt das Smartphone nur über eine Plastikkappe am Monokular. Wirklich tolle Fotos wie in der Werbung lassen sich freilich nicht schießen, aber wenn man sich die Kombination aus altem Smartphone und superbilligem Objektiv im Vergleich zu einer Spiegelreflexkamera mit 320-Euro-Objektiv anguckt, ist das schon mehr als nur in Ordnung. Aber überzeugt Euch selbst, hier ein paar Bilder mit Pixel und Monokular und zum Vergleich mit Canon 600D und Tamron AF SP 70-300 4-5.6 mit maximalem Zoom.

Zunächst mal das Monokular-Foto im Canon-Foto bei ca. 100 Meter Abstand:

dslr- und monokular-fotos im vergleich.
Details des besten Monokular-Fotos im Vergleich mit dem Ergebnis Canon 600D und 70-300-mm-Tamron-Objektiv drum herum.

Und hier ein Detail im direkten Vergleich:

detail-fotos im vergleich.
100 Meter entfernt, fotografiert mit einem drei Jahre alten Smartphone der mittleren Preisklasse – dafür ist es nicht schlecht.

Ihr seht schon, die Unterschiede sind groß, aber mit dem Monokular als Objektiversatz kommt durchaus Ordentliches zustande kommen; hier wohlgemerkt durchs Fenster fotografiert, bei guten, aber nicht optimalen Lichtverhältnissen.

Fazit

Für den Preis gibt es am Monokular nichts zu beanstanden, Optik, Haptik und Handhabung sind gut und für gelegentliche Wanderungen und Schnappschüsse allemal ausreichend. Die Qualität von Fotos liegt definitiv weit über den Erwartungen. Das Zubehör fühlt sich durchgehend billig an, erfüllt aber seinen Zweck – allein das Stativ ist wirklich grottenschlecht.

detail-aufnahme des monokulars mit smartphone.
Das Smartphone als Display.

Ob es sich lohnt? Hängt davon ab, was Ihr machen wollt. Als günstige Vergrößerung für die Hand, etwa auf Wanderungen, ist es sicherlich sein Geld wert. Es gibt kleinere, mobilere Varianten und solche mit mehr Leistung, aber als Kompromiss funktioniert das Anruzon sehr gut. Als Smartphone-Objektiv ist vielleicht ein wenig mehr als ein Spielzeug für gelegentliche Schnappschüsse, da sollte man keine Wunder erwarten. Allerdings lässt sich das Smartphone auch wunderbar als reiner Monitor verwenden: Wenn Ihr zum Beispiel im Wald sitzt und auf einen anfliegenden Dodo zum Fotografieren wartet, müsst Ihr nicht stundenlang durch ein Kameraobjektiv oder Fernglas linsen, sondern könnt entspannt im Campingstuhl sitzen und das Nest auf dem Smartphone im Auge behalten. Für das Foto nehmt dann aber besser eine echte Kamera und ein echtes Objektiv.

(* = Affiliate-Link / Bildquelle: Amazon-Partnerprogramm)

Weitere Tests.

Mirco Lang

Freier Journalist, Exil-Sauerländer, (ziemlich alter) Skateboarder, Dipl.-Inf.-Wirt, Einzelhandelskaufmann, Open-Source-Nerd, Checkmk-Handbuchschreiber. Ex-Saturn'ler, Ex-Data-Becker'ler, Ex-BSI'ler. Computer-Erstkontakt: ca. 1982 - der C64 des großen Bruders eines Freunds. Wenn Ihr hier mehr über Open Source, Linux und Bastelkram lesen und Tutonaut unterstützen möchtet: Über Kaffeesponsoring via Paypal.freue ich mich immer. Schon mal im Voraus: Danke! Nicht verpassen: cli.help und VoltAmpereWatt.de. Neu: Mastodon

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