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WhatsApp-Sprachnachrichten sind die Pest!

Früher gab es so ein Gerät. Ich weiß nicht, ob Ihr es noch kennt: Das stand in den meisten Haushalten herum. Man gab per Wählscheibe oder Tasten eine Nummer ein und dann ratterte es. Danach gab es ein Tuten, und wenn man Glück hatte, hatte man plötzlich jemanden am anderen Ende. Mit dem konnte man Sprechen. Richtig sprechen. Ganz so, als würde man mit ihm in einem Raum sitzen. Dieses altmodische Gerät nannte sich „Telefon“ und was anscheinend viele nicht wissen: Jeder von uns hat eines in der Tasche! Da muss man keine vollidiotischen Sprachnachrichten per WhatsApp verschicken, Ihr Dödel!

Sprachnachrichten WTF?!

Ich bin ja schon länger mit technischen Dingen unterwegs, aber selten ist mir eine so dämliche Funktion wie die Sprachnachrichten von WhatsApp, iMessage und anderen Messengern untergekommen. Was soll dieser Unsinn? Da labert einer, der offenbar zu faul zum Tippen ist oder nicht mal kurz rechts ranfahren will, irgendein dummes Geschwätz in den Äther. Beim Empfänger macht es „Ping“ und der darf sich das gehaltfreie Geplapper dann minutenlang anhören. Ohne Möglichkeit zur Intervention. Ohne Antwort. Ohne Dialog. Diese Schwachsinnsfunktion ist ein Micro-Podcast für Unterbelichtete und ehrlich: Ich will es nicht. Es nervt!

Nennt sich Telefon. Ist in jedem Handy drin. (Bild: 526663/Pixabay)
Nennt sich Telefon. Ist in jedem Handy drin. (Bild: 526663/Pixabay)

Generation Narzissmus

Messenger-Sprachnachrichten, diese Einweg-Telefoniererei, dieses Behämmerten-Radio für selbstverliebte Legastheniker, wird meist von den gleichen Leuten genutzt, die einem anno Tobak den Anrufbeantworter vollgeplappert haben. Die auf Anrufe aber oft nicht reagieren. Und dann per Sprachnachricht „zurückrufen“. Ich würde diesen Blödsinn ja ignorieren, aber irgendein Idiot schickt sie ja dann doch. Dabei deuten Messenger-Sprachnachrichten doch auf eine zutiefst narzisstische Störung der Generation Twitter hin: Man betrachtet das Gegenüber nicht nur für so unwichtig, es nicht anzurufen, nein: Man wertet die andere Person sogar derart ab, sich nicht die Zeit zu nehmen, eine Textnachricht mit einer weiteren Textnachricht zu beantworten. Und um dieser Selbstgefälligkeit noch die Krone aufzusetzen, hält man sein eigenes dummes Geschwätz offensichtlich für relevant genug, dem Empfänger minutenlang Lebenszeit zu stehlen. Nur, um egomanische Befindlichkeitskotze loszuwerden. Und der Empfänger muss es von vorne bis hinten anhören, denn anders als Text kann man den Quatsch, der ja möglicherweise doch einen wichtigen Satz enthält, nicht einfach überfliegen.

Und dann das Abhören!

Moderne Jugendliche nutzen diese Idiotenfunktion inzwischen auch gerne zur Konversation. Man schickt sich Sprachnachrichten hin und her, und das ist so unfassbar dämlich, dass ich weinen möchte. Wissen diese Deppen denn nicht, dass ihre tollen Hosentaschen-Fetische auch Telefone sind? Die Frage erübrigt sich offensichtlich.
Hinzu kommt: Sprachnachrichten abhören ist total bekloppt. Man sitzt da, es macht „Ping“ und dann darf man den Hörer ans Ohr halten, um sich 15 Minuten Irrwitz anzuhören. Richtig rücksichtslose Zeitgenossen lassen ihre Umwelt auch daran teilhaben und drehen dafür auch mal gerne in Bus und Bahn die Smartphone-Lautsprecher auf. Warum muss ich mir im Bus die Befindlichkeiten irgendwelcher Armleuchter oder scheinwichtige Pubertätsdramen anhören? Ich will nicht an diesem fremden Sprachnachrichten-Austausch teilhaben, ich will nicht wissen, wie diese Leute ihre Hochhausmenschen-Probleme oder Adoleszenz-Inszenzierung lösen! Das ist mir unangenehm und es stört. Die Nummer ist obendrein noch weniger intim als lautes Telefonieren in der Öffentlichkeit: Da muss man sich als Unbeteiligter wenigstens nur das Proleten-Tourette einer Seite reinziehen.

Wer schreibt, der bleibt

Und dann steckt bei diesen Sprachnachrichten oft auch noch eine nervige Spacko-Attitüde hinter: „Wer schreibt, der bleibt.“ Oder im Umkehrschluss: Wer spricht, der bleibt nicht. Viele Menschen sind inzwischen nicht mehr in der Lage, einen deutschen Satz in Wort und Schrift fehlerfrei zu formulieren. Und können durch ihr eigenes selbstgefälliges Schäumen auch ihre Gedanken nicht ordnen. Denen kommt die Selbstvernichtung und fehlende Speicherung der Sprachnachrichten zugute: Weil sie Angst haben, dass die eigene Inkompetenz auffallen könnte, wird die Nachricht gesprochen statt getextet – und verschwindet nach kurzer Zeit im Nirwana. Zumal so etwas im Zweifel den Kopf aus der Schlinge zieht. Das ist vor allem im Business-Kontext beliebter Sport.

Telefon, E-Mail, Messenger – reicht doch!

Dabei gibt es doch einfache Regeln für die Kommunikation: Komplexe Dinge durchsuch- und wiederfindbar per E-Mail, Anfragen und Kleinabsprachen per Text-Messenger oder Telefon – mehr ist doch für effiziente Kommunikation nicht nötig. WhatsApp-Sprachnachrichten machen alles schlechter, sie nehmen der Kommunikation ihre Effizienz, weil irgendwelche Einfaltspinsel glauben, ihr Personality-Plappern wäre wichtig genug für eine kleine Radiosendung. Dabei braucht niemand, wirklich niemand diesen Knallchargen-Rundfunk.

Christian Rentrop

Diplom-Journalist, Baujahr 1979. Erste Gehversuche 1986 am Schneider CPC. 1997 ging es online. Seither als Schreiberling in Totholzwäldern und auf digitalen Highways unterwegs. Öfter auch auf der Vespa oder mit dem Wohnwagen unterwegs. Seit 2020 Tochtervater, dementsprechend immer sehr froh über eine kleine Kaffeespende.

12 Kommentare

  1. Wenn man keine Sprachnachrichten mag, muss man sie auch nicht anhören. Für Menschen, die nur deutsch sprechen aber nicht deutsch schreiben und lesen können, sind sie äusserst hilfreich.

  2. Klasse. Geht mit Quellenangabe und leicht editiert nun als Standardtext an jene, die mit Sprachnachrichten nerven.

  3. Verstehe dieses behinderte Sprachnachrichten Bashing nicht.
    Wer es nicht nutzen will soll es halt lassen. Aber jeden der es nützt als Idiot zu bezeichnen finde ich mehr als fragwürdig.
    Naja Kritik von so Pfeiffenheiner Journalisten kann man ja auch eher als Kompliment auffassen

    1. Ich verstehe diese „behinderte“ Nutzung des Wortes „behindert“ nicht. Aber gut, Sprachnachrichten Freund, was will man erwarten.

  4. Einfach köstlich zum ersten und zweiten Kaffee, vielen Dank. Habe heute Morgen eure Seiten entdeckt und komme nur schwer los! Link ist aufgenommen :).
    Weiter so und viele Grüße aus Werder an der Havel

  5. Hi, ich bin da voll bei dir in deinem Gedanken um Sprachnachrichten. Verzweifelt suche ich immer noch die Möglichkeit diesen Mist zu sperren in der Hoffnung das dann beim Sprachnachrichtenverfasser eine Meldung kommt: „Der Empfänger lässt keine Sprachnachrichten zu du musst wohl tippen müssen.“ Jedoch glaube ich mittlerweile das eine solche Funktion bewusst nicht implementiert wurde um die Menschheit sich gegenseitig nerven zu lassen. Bleibt nur das das störrische ignorieren bzw das beantworten solcher Nachrichten per Text.

    1. Der Witz ist ja, wenn man zu faul zum tippen ist, muss man es auch nicht. Auf beinahe jeder Tastatur gibt’s das olle Mikro, damit kann der labern, und Text wird daraus gemacht. Man müsste nur noch absenden drücken. Scheint wohl aber zu kompliziert für den Faulen.

  6. Yeah! Sprichst mir aus der Seele. Mich nervt in der Öffentlichkeit zusätzlich das „Gerät-vors-Gesicht-Halten“ – mit Lautsprecher. Statt an’s Ohr, wo’s hingehört. Zum K***!

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