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Im Internet gibt’s nur 14-Jährige – Teil 2: Let’s Play nerdiges Kellerkind

Ihr haltet die Aussage, im Netz gäbe es nur 14-Jährige für übertrieben? Dann schluckt dies: Ein Typ zockt jedes noch so schlechte Computerspiel und brabbelt dazu seine Gedanken, in der Art „Ha, scheiss Zwerg, ab mit dem Kopf. Den hab ich jetzt voll nen Kopf kürzer gemacht. Und jetzt guck ich mich mal hier um … – hm, hm, hm, ähhh, ja, da ist wohl nichts hier. Gehe ich mal weiter. Oder nein, ich nehme mal den Zauberer. Ah, da ist eine Hütte. Gehe ich da mal rein? Hmm, nööö. Oh, eine Ratte, die packe ich mal ein, ist später vielleicht nützlich, hä hä hä …“ – gerne auch mal drei Stunden lang. Und dann geht der Typ auf die Gamescom und das typische Teeny-Geschrei geht los – ja genau, wie damals, als sich Take That trennten.

Tausende jubelnde, schreiende Messebesucher kurz vor der Ohnmacht, weil da ein Typ steht, der beim Computerspielen mit sich selbst redet – noch vor 15 Jahren wäre das ein bemitleidenswertes Kellerkind gewesen, das im amerikanischen Highschool-Klischee viel Zeit im Spind verbracht hätte. Heute wird der ganze Stuss aufgenommen, Let’s Play genannt und ist ein riesen Ding – und ist langweilig bis zum geht nicht mehr. Bei Let’s Play geht meine 14-Jährigen-Theorie wunderbar auf und die Gamescom-Auftritte belegen sie auch anschaulich – kreischende Kiddies soweit das Auge reicht. Ich kann ja verstehen, dass sich jemand Spiele-Reviews anguckt, kurze Gamplay-Clips als Kaufberatung sucht oder talentierten Zockern bei E-Sport-Veranstaltungen staunend zusieht, aber Otto Normalgamer beim Selbstgespräch? Habt Ihr Idole so sehr nötig? Nun, ich hoffe dennoch, dass die Protagonisten zumindest reich werden – denn Ohnmachtsanfälle von minderjährigen Kreischgirlies sind hoffentlich nicht der Beweggrund. Übrigens: Let’s Play als Impro-Comedy mit einem eingespielten Team talentierter Comedians könnte selbst samstagabends im TV ein echter Hit werden, nur mal so am Rande … .

P.S.: Für alle, die die Protagonisten nicht kennen oder meinen, ich würde mir das ausdenken, hier die obskure Wahrheit, die an geschätzen 98 Prozent aller Menschen völlig vorbeigeht – und das ist nichts gegen die Masse der tatsächlichen Lets-Play-Clips, ganz egal von wem auch immer:

Die Serie: Im Netz gibt’s nur 14-Jährige
Diese wunderbare Erkenntnis ist beim diesen Text verfassenden, rosarote Brille tragenden, misanthropisch veranlagten Autor im Laufe der Jahre gereift – die Alternative wäre ein Netz voller Vollidioten, anders lässt sich der viele Schwachsinn nicht erklären. Kommentare bei SPON? Let’s Play? Heftig.co? Facebook-Farmen? Katzenbilder? Bild.de? Welche Erklärung ist Euch lieber? 14-jährige, die noch genug Kind sind, um alles spannend und neu zu finden und alt genug, um sich mit wahnwitzigem Nonsens selbst auszudrücken? Oder soll doch lieber ein Querschnitt der Gesellschaft für dieses unfassbare Maß an unreflektiertem Unsinn verantwortlich sein? Mir wäre das zu heftig. In der Serie „Im Netz gibt’s nur 14-jährige“ wird bei Tutonaut hemmungslos gemotzt, geheult, verunglimpft und dem Hass auf Memes gefröhnt.

Im Internet gibt’s nur 14-Jährige – Teil 1: Heftig geht die Welt zugrunde

Mirco Lang

Freier Journalist, Exil-Sauerländer, (ziemlich alter) Skateboarder, Dipl.-Inf.-Wirt, Einzelhandelskaufmann, Open-Source-Nerd, Checkmk-Handbuchschreiber. Ex-Saturn'ler, Ex-Data-Becker'ler, Ex-BSI'ler. Computer-Erstkontakt: ca. 1982 - der C64 des großen Bruders eines Freunds. Wenn Ihr hier mehr über Open Source, Linux und Bastelkram lesen und Tutonaut unterstützen möchtet: Über Kaffeesponsoring via Paypal.freue ich mich immer. Schon mal im Voraus: Danke! Nicht verpassen: cli.help und VoltAmpereWatt.de. Neu: Mastodon

6 Kommentare

  1. Moin, Mirco,
    mal davon abgesehen, dass ich die Situation so ähnlich sehe (und an dieser Stelle auch danke an Simon für den Gedanken, spielen zu lassen anstelle selber zu spielen – da kommt gleich noch die Parallele zum Denken), erscheint es mir allerdings wenig sinnvoll, da ins Detail zu gehen.
    Eher könnte ich mir vorstellen, das auf einer abstrakteren Ebene anzugehen, um der zugrunde liegenden Problematik näher zu kommen. Und da haben sich in meinen bisherigen Betrachtungen zwei Spannungsfelder gezeigt:
    1.) Gruppenzugehörigkeit vs. Individualität
    2.) Rationalität vs. Emotionalität
    Zu 1.) wäre zu sagen, dass letztlich jeder Mensch einerseits „irgendwo zugehören“ möchte, und sich andererseits als Individuum mit seinen Besonderheiten zum Ausdruck bringen will – möglicherweise individuell unterschiedlich gelagert mehr das eine oder das andere. Was aber gerne einen Kult um die Person eines Gruppenanführers (psychologisch: Alpha) führt (genug „Lemminge“ vorausgesetzt) nach sich zieht. Nur mal als Denkansatz…
    zu 2.) frei nach dem Motto „Denken lassen statt selber denken“ ist es doch i.d.R. viel einfacher, emotional irgendwelchen Agitatoren nachzulaufen (und auf diesem Wege gleich seinen Frust zu ventilieren), als die Denkkruste selber zu bemühen (was evolutionär auch ungünstig ist wegen des damit verbundenen hohen Energieverbrauchs bei knappen Nahrungsmitteln). Rationalität ist also anstrengend, und anstrengen ist out. Und bei Benutzung der eigenen Ratio läuft man dann ja noch Gefahr, dass das Ergebnis nicht im sofortigen Einklang mit der aktuellen emotionalen Haltung steht – das wäre dann ja auch noch zu bewältigen!
    Leider scheint es mir so, dass diese Haltungen durch kommerzielle Institutionen noch gefördert werden, um den abschließend unmündigen Konsumenten zu erschaffen, dem man dann nur noch über Werbung (idealerweise unter Nutzung des vorher adressierten Alphas) erklären muss, was er gerade benötigt. Ich beobachte seit Kurzem die „Parallelisierung“ von Spielen und Filmen zu einer „mentalen virtuellen Realität“, die eigentlich nur eine vollständige Volksverblödung (zumindestens signifikanter Teile des Volkes, die Verblödung aber dafür vollständig) zum Ziel haben kann, um damit schlicht und ergreifend Geld zu verdienen.
    Man darf gespannt sein, was uns da noch alles erwartet.

  2. Tja, gut erkannt, halbherzig war’s schon, nach spätestens drei Minuten muss ich anfangen zu skippen, sonst wird meine Aufmerksamkeitsspanne überreizt …,. aber ein paar Videos mehr waren es durchaus. Gibt es einen großen Unterschied zum Anhimmeln von Popstars oder Schauspielern? Da mag man sich streiten, aber Fakt ist: Ich fand Personenkult schon immer scheisse. Take That trennt sich und lemmingmäßig stürzen sich Kiddies die Brücken hinunter, oder zumindest Tränenbäche die Wangen – wie armselig. Die Stones treten auf und 60-Jährige kommen auf den gleichen Trip – genauso schrecklich. Menschen für Ihre Leistungen anerkennen, vielleicht sogar bewundern? Klar, kein Problem – Rodney Mullen und Richard Stallman sind Menschen, deren Treiben ich vieles abgewinnen kann, aber ich pilger weder zu dem einen noch trage ich Laserdisc-Heiligenscheine zur Huldigung des anderen. Und als ich 14 war und wie besessen Tennis gespielt habe, kamen mir auch keine Bumm-Bumm-Boris-Poster an die Wand oder Steffi-Graf-Röcke um die Hüften – ja, ich hatte ein paar Lendl-Shirts wie dieses, das war’s dann aber auch. Personenkult macht mir Sorge – und einen Unterschied gibt es hier tatsächlich: Ein Großteil der Menschen kennt Youtube, aber nur ein paar IT- und Netz-Interessierte (nicht -Nutzer!) kennen Gronkh, Lets Play, LOL Cats oder sonstige Memes – außerhalb der Altersklasse findet all das nur bei Menschen wie uns statt, oder glaubst Du, als Informatikstudent wärest Du bezüglich Online-Wissen repräsentativ? In meinem Freundeskreis gibt es, außer den Tutonauten, leider nicht einen auch nur ansatzweise PC-interessierten Menschen und keiner versteht irgendetwas von dem, was wir hier reden.

    Und: Danke! Danke für einen tatsächlich neuen Gedanken. Dass sich Menschen tatsächlich Spiele angucken wollen, ähnlich einem Film, die sie nie spielen werden und das auch nicht vor haben, wow, das war mir neu – und fremd bleiben wird es mir für alle Zeit.

    Was Deinen geliebten Gronkh angeht: Ja, Indie-Spiele bekannt zu machen ist super, Kaufanreize geben legitim und überhaupt macht der Mensch alles richtig und einen guten Job – ob er sich als Künstler sieht? Keine Ahnung. Dass ich die tiefschürfenden Philosophievorlesungen am Ende von achtstündigen Minecraft-Special-Folgen verpasst habe tut mir in der Tat leid, ein paar Rousseau-Updates beim zünftigen Holzhacken wären genau mein Ding. Nur leider finde ich Minecraft sowas von kacke … – leider, denn eigentlich ist es schon sehr geil. Apropos: Minecraft kennt auch wieder kein Schwein in der Realowelt, mir wurde es von meine Neffen gemailt, damals noch als geschlossene Beta – und was macht der? Informatik studieren. Gute Nacht, mein Prinz.

  3. Anscheinend hat sich der Autor nur halbherzig mit der Materie auseinandergesetzt, das Gamestar Video gesehen und sich gedacht „hey jetzt mal schön Let’s Play Bashing betreiben“. Wie bereits geschrieben wurde, himmeln pubertierende Jugendliche YouTuber an, als wären es Superstars. Aber wie sieht es denn heutzutage aus? In dieser Altersklasse ist das Hauptmedium das Internet, da liegt es doch nahe, dass auch „Internetpersönlichkeiten“ Berühmtheit erlangen. Ob sie jetzt einem Schauspieler, einem Sänger, oder eben einem YouTuber zu Füßen liegen: wo liegt der Unterschied? Das Format (ich beziehe mich jetzt auf Let’s Plays) mag zwar auf den ersten Blick langweilig wirken, aber wenn man früh Abends nach Hause kommt und nicht mehr die Muse hat selbst zu spielen da bieten sich solche Kanäle geradezu an. Geschweige denn die Möglichkeit, so viele Spiele mitzuerleben, die man sich selbst nicht alle kaufen kann. Im speziellen Fall Gronkh kommt noch hinzu, dass oft Indie Games gezockt werden, von denen die Masse wahrscheinlich noch nichts gehört hat und sich denkt: oh cool, da hab ich Bock drauf, das hol ich mir! Achja und wenn man mal ein paar Minecraft Folgen ansieht, v.a. die Special Folgen, dann sind die Gedanken tiefgründig und jenseits der Probleme von 14 Jährigen.

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