Anleitung: Schallplatten mit Audacity digitalisieren – Teil 1
Vinyl hat nach wie vor viele Fans, neue Alben erscheinen immer häufiger auch als Schallplatte - und von den analogen Musikarchiven in vielen Haushalten brauchen wir gar nicht erst anzufangen. Ob Ihr nun von Euren alten Schätzchen loskommen oder nur digitale Varianten für unterwegs anlegen wollt, mit Audacity ist das recht schnell und in bester Qualität erledigt. Wir zeigen Euch, wie Ihr Platten digitalisiert und die einzelnen Tracks als separate FLAC- oder MP3-Dateien speichert.
Digitalisieren mit Audacity
Audacity ist ein wunderbarer Audioeditor, der auch für professionelle Projekte genutzt wird - dabei aber recht einfach bleibt. Das Tool ist Open Source und kann mit Add-ons erweitert werden, beherrscht den gesamten Workflow von der Aufnahme der Platte über den Schnitt bis hin zur Klangoptimierung. Weitere Artikel rund um Audacity findet Ihr hier.
Apropos Workflow: Im Folgenden seht Ihr an einem konkreten Beispielprojekt, wie eine Platte aufgenommen und in einzelne Stücke gesplittet wird. Die Grundidee: Über die Stille zwischen zwei Stücken erkennt Audacity die einzelnen Tracks der LP und schneidet und exportiert diese dann automatisch in separate Dateien. In Teil 2 seht Ihr dann, wie Ihr Rauschen entfernt.
1. LP aufnehmen
Zuächst benötigt Ihr die LP als einzelne, großen Datei. Dazu könnt Ihr entweder den Plattenspieler über einen (Phono-) Verstärker an die Soundkarte anschließen und in Audacity schlicht auf Record klicken. Oder Ihr nutzt, wie wir für unser Beispiel, die Aufnahmefunktion vieler USB-fähiger Plattenspieler – USB-Stick rein, Platte an, Aufnahmen ein, fertig. Dabei könnt Ihr ruhig beide LP-Seiten in eine einzige Aufnahme packen. Der anschließende Import in Audacity dauert rund ein, zwei Minuten.
2. Stücke identifizieren
Bei der importierten Stereo-Spur erkennt Ihr recht deutlich die fünf einzelnen Stücke der A-Seite sowie die beiden sehr langen Stücke der B-Seite. Wenn Ihr genau hinschaut, seht Ihr auch die lange Stille beim Umdrehen der Platte.
3. Stille erkennen
Startet nun die automatische Stille-Erkennung Analyse/Silence finder, um Markierungen zwischen den einzelnen Tracks zu setzen.
4. Stille erkennen 2
Hier könnt Ihr nun über den db-Wert festlegen, ab welchem Wert das immer leicht vorhandene Rauschen als Stille, also Pause definiert werden soll. Auch die Mindestdauer der Stille ist relevant, gibt es doch auch mitten in Liedern sehr ruhige Phasen, insbesondere bei Genres wie Klassik, Jazz oder experimenteller Musik. Letztlich legt Label Placement fest, wo genau die Stille-Markierung gesetzt wird, also wie viele Sekunden vor Ende der Stille; allerdings könnt Ihr in Schritt 9 nochmals nachkorrigieren.
5. Hörspiele, Klassik & Co.
Jetzt heißt es wieder ein wenig zu warten; Zeit für eine kleine Info: Bei Live-Aufnahmen, DJ-Platten, dem einen oder anderen Konzeptalbum oder auch Hörspielen, gibt es zwischen den Tracks oft keine Pausen, sondern Anmoderationen, Applaus, sanfte Überleitungen und dergleichen. In diesen Fällen müsst Ihr das Stück zwangsläufig in Audacity abspielen, bei entpsrechenden Stellen pausieren und manuell Textspur- und marken erzeugen (mehr dazu in Schritt 11).
6. Stille-Markierungen anpassen 1
In der neuen Textspur seht Ihr nun die Stille-Markierungen in Form von Textmarkierungen – und Ihr seht, dass es zu viele sind. Also korrigiert sie manuell nach. (Beachtet, dass vor dem ersten Stück bereits eine Markierung gesetzt ist, was in Schritt 11 nochmal interessant wird.)
7. Stille-Markierungen anpassen 2
Zoomt mit STRG+Mausrad weit in die Zeitleiste hinein. Um Markierungen wie hier im Bild zu löschen, markiert einfach den Bereich in der Textspur und entfernt sie mit ENTF.
8. Track-Markierungen säubern
Säubert so zunächst das gesamte Album, Artefakte wie hier im Bild kommen immer wieder mal vor.
9. Markierungen optimieren
Wenn Ihr die Markierungen nun manuell optimieren wollt, klickt einfach auf den (sehr, sehr) kleinen Punkt zwischen den Klammern und zieht ihn zum Beispiel in die Mitte der oben zu sehenden Stille.
10. Fertige Track-Struktur
Im bereinigten Zustand erkennt Ihr nun ganz eindeutig die gesamte Plattenstruktur, Seite A ist hier zur Verdeutlichung markiert.
11. Alternative: Markierungen per Liste
Alternative: Über Spuren/Textmarken bearbeiten könnt Ihr auch in tabellarischer Form mit Textmarken arbeiten. Sofern auf dem Album-Cover korrekte Zeitangaben zu finden sind, könnt Ihr etwa die jeweilige Pause zwischen den Titeln zu den Liedlängen hinzu addieren und die Marken sogar komplett händisch setzen, ohne Silence-Erkennung. Auch die Track-Namen könntet Ihr bereits hier setzen, statt wie wir später im Metatag-Dialog – denn standardmäßig werden Textmarken als Track-Namen genutzt.
12. Metadaten vergeben
Öffnet nun über Datei/Metadaten bearbeiten den Metadatendialog und vergebt die für das ganze Album relevanten Tags.
13. Einzelne Tracks ausschneiden
Über Datei/Mehrere Dateien exportieren startet Ihr nun den automatischen Schnitt.
14. Decoder auswählen
Wählt hier einen beliebigen Decoder, für direkt mit Audacity aufgenommene Alben solltet Ihr FLAC nehmen, für eine MP3-Version vom Plattenspieler selbst solltet Ihr hingegen bei MP3 oder einem anderen Verlustformat bleiben – besser werden MP3s durch Konvertierung nach FLAC freilich nicht. Wichtig ist der Punkt Tondaten vor der ersten Textmarke mit einschließen: Wie oben bereits erwähnt, liegt unsere erste Marke vor dem ersten Stück – abgetrennt werden hier das Auflegen und Starten der Platte. Diesen Bereich wollt Ihr natürlich nicht. Setzt also das Häkchen, damit das nicht als Teil des ersten Stücks exportiert wird.
Bei der Namensvergabe solltet Ihr ebenfalls die Standardoption wechseln, da ansonsten alle Stücke wie die Schnittmarken (hier also S) hießen. Zu guter letzt startet noch kurz die Optionen für den FLAC-Encoder.
15. FLAC-Qualität einstellen
Wieder steht hier der Wert 8 für die beste Qualität, die Ihr auch auf jeden Fall wählen solltet.
16. Finaler export
Nun erscheint als letzter Schritt nochmals der Metadatendialog für jedes zu exportierende Stück, natürlich mit den vorher vergebenen Albendaten; Ihr müsst hier nur noch die Tracknamen vergeben. Nach dem abschließenden Export, verfügt Ihr dann über ordentliche digitale Kopien in der übersichtlichen Ordnerstruktur Künstler/Album/Titel.flac.
Tipp: Sollten die zu digitalisierenden Platten viele Knackser und ähnliche Störgeräusche produzieren, dürft Ihr diese auch über die diversen Effekte/Filter bekämpfen oder manuell entfernen, indem Ihr sehr weit in die Tracks zoomt und Spitzen, Knackser und so weiter herausschneidet – aber das ist ein anderes Thema ...
Hallo, habe gestern Audacity runtergeladen. Hat alles super funktioniert. Heute wollte ich wieder ein LP digitalisieren. auf dm Display hat es auch farbig ausgeschlagen. Nur unten kam kein Impuls an. Null linie und hin und wieder ein leichter Ausschlag. Habe es exportiert und angehört. Wie zu erwarten war nichts zu hören. Ich habe zum Voirtag nichts verändert. Was ist passiert. Könnt ihr mir helfen. Danke und Gruß
Hallo,
ich versuche meine LP’s zu digitalisieren. Das klappt soweit ganz gut. USB Plattenspieler am PC angeschlossen und über Audacity in Stereo aufgenommen. Leider habe ich das Problem, daß beide Kanäle (recht und links) exakt gleich sind, daß hat aber mit Stereo nicht viel zu tun. Wie bekomme ich den richtigen Stereoklang hin??
MfG
J. Kirsch
Hi Mirco, bei mir funktioniert der Export der Metadaten meist nicht richtig: Alle Felder werden übernommen nur der „Künstler“ idR nicht. Hab bislang nicht herausgefunden, wann der Künstler exportiert wird und wann nicht. Ich gehe wie folgt vor: Platte aufnehmen, Tracks identifizieren, Projekt speichern, mehrere exportieren, Metadaten ausfüllen, fertig. Kontrolliere ich dann den Song mit „Clementine“ oder VLC habe ich alle Infos (Name des Songs, der Platte, Genre, Jahr, Kommentar) bis auf den Künstler. Der wird nur manchmal übertragen. Ich bearbeite den Song dann mit „Clementine“ nach, das nervt aber. Ich nutze einen alten Laptop (HP Elitebook 8460p i5 2540 mit Kubuntu 20.10 und Audacity 2.4.2, Soundkarte Intel Corporation 6 Series/C200). LG Mike
Hallo Mirco, Danke für die umfassende Anleitung – die eindeutig beste, welche ich jemals auf einer Webseite gesehen habe! Nur ein Hinweis zu einem kleinen Fehler: ganz unten von Teil 1 führt der Link „Hier geht’s zum ersten Teil der Serie“ richtig zu Teil 2, aber der Text sollte entsprechend geändert werden: „Hier geht´s zum zweiten Teil der Serie“.
Danke! Auch für den Hinweis, ist korrigiert.
Hi Mirco,
ich bin dabei und will meine Platten digitalisieren. USB-Spieler, Win10. Was bei mir nicht funktioniert, bei der Aufnahme kann ich die Platte über den LapTop nicht ‚mithören‘. Das will ich aber. Gibt es da einen Trick? Ich verwende Audacity 2.3.0
Gruß Henry
Hallo Henry,
nachvollziehbares Anliegen ;) Dafür gibt es unter Edit/Preferences/Recording die Option Software Playthrough – gerade mit einem USB-Micro getestet, damit funktioniert’s.