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Alles über Open Source und Free Software

Professionell programmierte Software, völlig kostenlos, nach Belieben zu verteilen und anzupassen – das gibt es nicht? Doch, Open Source bietet genau das und mit Programmen wie Firefox oder Chrome benutzt Ihr es vermutlich schon. Oder wie sieht’s mit Android aus? Auch nicht ganz unbekannt … Aber was steckt dahinter? Wir zeigen Hintergründe von der Historie, über Personen bis hin zu Technik und Lizenzpolitik und klären alle wichtigen Fragen – etwa, warum Open Source nicht einfach nur kostenlos ist!

Über den Artikel

Der Artikel war ursprünglich mal Teil einer größeren Strecke den Zeitschriften PC Praxis und OpenSource Magazin, lebte dann anschließend auf meiner eigenen Seite Gizlog.de weiter und ist nun hier gelandet. Der Artikel ist angepasst, an der ein oder anderen Stelle aber nicht ganz aktuell – weil von ca. 2010. Beispielsweise etwaiges Zahlenmaterial oder die Jobs erwähnter Personen, aber nur Kleinigkeiten. Aber es geht hier um Basics und Historie – und die passen immer noch. Ich sehe aber zu, ihn ab und an anzupassen ;)

Inhaltsverzeichnis:foo
Was ist Open Source denn nun überhapt?
Was heißt das denn praktisch für mich als Endanwender?
Was ist der Unterschied zwischen Free Software und Open Source Software?
Philosophisches Duell: Open Source oder Free Software?
Welchen Audruck sollte ich denn nun verwenden?
Und was ist dann gleich Freeware? Oder gar Prayware??
Gibt es auch für Open Source Lizenzen? Oder ist das rechtefrei?
Exkurs: Lizenzen
Wie hat Open Source angefangen?
Und wie hat es sich entwickelt?
Was sind die wichtigsten Errungenschaften?
Wer sind die wichtigsten Akteure?
Wie funktioniert Open Source in der Praxis?
Wie kann ich bei Projekten mitwirken?
Woher bekomme ich Open Source Software?
Kann ich freie Programme genauso installieren wie andere Software?
Woher bekomme ich Hilfe, wenn etwas nicht klappt?
Kann Open Source etwas, was kommerzielle Produkte nicht können?
Welche Software sollte ich auf jedenfall kennen?
Lässt sich etwas nicht durch FLOSS ersetzen?
Abschluss

Was ist Open Source überhaupt?

Open Source bedeutet wörtlich „offene Quelle“ und heißt, dass die Quelltexte der Programme frei einsehbar sind. Ihr bekommt also nicht wie bei proprietären (herstellerabhängigen) Programmen lediglich ein paar ausführbare EXE- und DLL-Dateien und ähnliches, sondern auch Textdateien mit dem zu Grunde liegenden Code. Das hat den großen Vorteil, dass Ihr genau erforschen könnt, wie ein Programm funktioniert und was es tut. So lassen sich Fehler und Sicherheitslücken finden. Und natürlich wird auch vermieden, dass Programme irgendwelche Informationen „nach Hause“ senden. Wenn Ihr nun keine Ahnung von Programmierung habt macht das gar nichts, denn auch wenn Ihr selbst nichts mit Quelltexten in C, C#, Java oder sonst einer Sprache anfangen könnt – viele andere können es!

Und eben diese anderen User, Programmierer und Tester würden schnell aufschreien, wenn irgend jemand Spionagefunktionen in ein Programm einbauen würde, eine unsichere Verschlüsselung nutzen oder sonstige Risiken eingehen will. Und da Open Source Software gemäß ihrer jeweiligen Lizenzen (mehr dazu später) auch verändert und weitergegeben werden darf, können unerwünschte Funktionen einfach entfernt werden. Ein bekanntes Beispiel ist etwa Googles Chrome-Browser: Funktionen wie Nutzerstatistiken und automatische Updates gefielen vielen nicht, folglich kam mit Chromium in kurzer Zeit ein erstes Derivat auf den Markt, aus dem diese Merkmale entfernt wurden.

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Die Grundlage für Open Source: Quelltext.

Open Source bedeutet also kurz gesagt, dass die Quelltexte der Programme einsehbar sind und verändert, weiterverwendet (etwa als Funktion in anderen Programmen, zum Beispiel MP3-Codecs in CD-Rippern) und weitergegeben werden dürfen. Aber auch die Entstehung von Open Source Software ist besonders: In der Regel wird sie nicht von einem geschlossenen Programmiererkreis entwickelt, wie etwa MS Office, sondern einer offenen Community, an der sich jeder beteiligen kann. Da die Organisation des Codes und des ganzen Projekts über Internet-Plattformen abläuft, funktioniert so ein Prozess auch mit vielen tausend Beteiligten, die über die ganze Welt verteilt sind. Dieser Entwicklungsprozess bringt vor allem den Vorteil, dass sehr viele Augen über die verrichtete Arbeit schauen und so Fehler um Fehler finden und ausmerzen können.

firefox
Firefox – kennt wohl fast jeder.

Was heißt das praktisch für Endanwender?

Ihr als Endanwender könnt Open-Source-Programme kostenlos herunterladen, nutzen und weitergeben – und das auch im kommerziellen Umfeld. Und Ihr profitiert von dem Entwicklungsprozess, der zu stetigen Neuerung, Updates und Patches führt sowie eine sehr hohe Sicherheit gewährleistet. Zusätzlich seid Ihr von keinem Hersteller abhängig, der jederzeit ein Produkt einstellen, die Nutzungsbestimmungen oder Preispolitik ändern könnte.

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Die meisten FLOSS-Tools arbeiten mit offenen Standards – wie etwa Areca, das Backups in ZIPs speichert.

Unterschied zwischen Free Software und Open Source Software

Neben dem bekannteren Begriff Open Source wird häufg alternativ Free Software verwendet. Dahinter stehen zwei unterschiedliche Philosophien und Organisationen. Was es genau mit dieser „Idealisten gegen Pragmatiker“-Thematik auf sich hat, könnt Ihrunten nachlesen. Kurz und praktisch gedacht: Open Source betont Entwicklungsprozess und Quelloffenheit, Free Software betont vier grundsätzliche Freiheiten, nämlich ein Programm nachvollziehen, verändern, verteilen und beliebig nutzen zu können. In der Praxis könnt Ihr fast jedes Programm so oder so nennen, denn im Endeffekt entsteht überall freie Software.

Philosophisches Duell: Open Source oder Free Software?

Die endlosen, jahrzehntelangen Debatten, ob es besser Open Source oder Free Software heißen sollte, wirken auf den ersten Blick banal, aber dahinter stecken zwei sehr unterschiedliche Ansichten: Richard Stallman,  die Free Software Foundation & Co. treten vor allem für die sozialen und ethischen Vorzüge freier Software ein und beharren daher auf Free/Frei im Sinne von Freiheit (nicht Freibier). Eric S. Raymond und die Mitstreiter der Open Source Initiative konzentrieren sich auf den pragmatischen Ansatz, dass quelloffene Software durch die entsprechende Entwicklung durch eine Community, schlicht bessere Produkte hervorbringt. (Mehr zu den Personen im Kapitel „Die wichtigsten Akteure“.) Der jüngere Begriff Open Source ist so auch ein Versuch, in der Industrie ein besseres Image aufzubauen und sich von der von Idealen und einigen Freaks geprägten Free-Software-Fraktion zu distanzieren.

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„Wir stimmen mit der Open Source-Fraktion bezüglich der grundsätzlichen Ziele und Werte nicht überein, aber ihre Ansichten und unsere führen in vielen Fällen zum gleichen praktischen Verhalten – wie das Entwickeln freier Software. Quelle: Wikimedia Commons, Autor: Billie Ebbesen, Lizenz: CC-BY-SA 3.0“

Schon in der offiziellen Begründung hieß es bei der Gründung der OSI, es sei „Zeit, die moralisierende und auf Konfrontation angelegte Attitüde, die in der Vergangenheit mit „Free Software“ in Verbindung gebracht wurde, abzuschütteln und die Idee strikt auf den gleichen pragmatischen, wirtschaftlichen Grundlagen zu verkaufen, die Netscape motivierten“, den Quellcode freizugeben.

Aber die Animositäten gehen noch weiter und auch bis an die persönliche Ebene, denn wenn die OSI-Website ihren ersten Präsidenten anführt, der „glaubte, die Open-Souce-Community brauchte führende Institutionen, die nicht abhängig vom Charisma oder Talent ihrer Gründer sind“, weckt sie sogleich auch Assoziationen an den FSF-Sprecher, -Gründer und eindeutig sehr charismatischen Richard Stallman.

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„Genau gesagt, haben wir ein Problem mit dem Terminus „Free Software“ selbst, nicht mit dem Konzept. Ich bin überzeugt, das der Terminus verschwinden muss. “ Quelle: Wikimedia Commons, Autor: jerone2, Lizenz: CC-BY-SA

Wenn dieser wiederum in seinem sehr empfehlenswerten Essay „Why Open Source misses the point of Free Software“ Open Sourcelern vorwirft, selbst bösartige, Freiheiten einschränkende Software mit DRM mittels Open-Source-Entwicklungsprozess „besser“ zu machen, muss man auch nicht allzu sehr zwischen den Zeilen lesen, um die Antipathie zu spüren.

Für den Endnutzer ist das ohne praktische Belange, führen doch beide Seiten meist zum gleichn Ergebnis – daher setzt sich auch immer mehr das vereinigende Akronym FLOSS für Free/Libre and Open Source Software. „Fast alle Open-Source-Software ist freie Software.“ stellt etwa Stallman fest.

Übrigens ist auch das Vorgehen von OSI und FSF grundlegend verschieden: Die idealistischen Aktivisten der FSF rufen dazu auf, „öfter und lauter als je zuvor“ den Begriff und die Idee Free Software zu promoten, und starten regelmäßig aggressive Kampagnen gegen Dinge wie proprietäre Software, Patente oder DRM. Die OSI definiert ihre Methodik hingegen als „ruhiges Hinter-den-Kulissen-Überzeugen statt öffentlichem Aktivismus“. Dass Anhänger derart unterschiedlicher Ideologie häufig zusammen an Projekten arbeiten und gemeinsam freie Software produzieren, wundert und freut übrigens auch Herrn Stallman. Nebenbei: Böse Gesellen könnten auch unterstellen, es handle sich um kleinliche Wortklauberei, Teile der Diskussion lesn sich schließlich fast wie eine linguistische Debatte, aber man kann den Beteiligten ruhig abnehmen, dass es tatsächlich um grundlegende Unterschiede geht, die auch die aktive Politik der jeweiligen Organisationen maßgeblich bestimmen. Und ob nun der Terminus „Open Source“ oder der Terminus „Free Software“ mehr über den Begriff und die Idee dahinter aussagt, dürfte objektiv sowieso nicht zu klären sein.

Wie soll man es nun nennen?

Die meisten Kollegen, Behörden, Universitäten und so weiter verzichten auf diese feinsinnige Unterscheidung und verwenden pauschal Open Source, allein schon weil deutlich populärer – so wie auch wir es bis hierhin gemacht haben. Um der Sache gerecht zu werden, setzt sich erfreulicherweise die Abkürzung FLOSS durch, die für Free/Libre Open Source Software steht und der Sache – gerade aus Anwendersicht – sehr gerecht wird. Das Libre soll übrigens dafür sorgen, dass klar ist, dass Free wie in Freiheit gemeint ist, nicht wie in Freibier (das Originalzitat aus der Free Software Definition: „Free as in „free speech“, not as in „free beer““).

Und Freeware? Oder gar Prayware??

Das Freibier-Free findet Ihr bei kostenloser Software aber auch: Freeware ist zwar gratis, davon abgesehen entsprechen die Lizenzen meist denen kostenpflichtiger proprietärer Produkte, regulieren also strikt die Nutzung (etwa nur für private Zwecke) und verbieten in der Regel die Weitergabe und immer die Veränderung. Freeware wird häufig von einzelnen Privatleuten programmiert, aber Firmen auch geben immer wieder kostenlose Utilities heraus, wie etwa Piriform den bekannten Ccleaner. Außerdem gibt es noch etliche weitere Lizenzen, von der mittlerweile populären Donationware (gratis mit Bitte um Spende), über die verhasste Adware mit Werbung im Programm bis hin zu unserem Lieblingsexoten: Eine Prayware-Lizenz forderte uns tatsächlich auf, dem Programmierer ein Gebet zu widmen … .

foobar
Toll, aber leider nur Freeware: foobar2000 setzt zwar teils auf Offenheit (SDK), ist aber letztlich nur Freeware, ein Blick auf den Quelltext gibt es daher leider nicht.

Lizenzen? Oder ist das rechtefrei?

Ein Programm ist nur dann FLOSS, wenn eine entsprechende Lizenz dies bestimmt – und vergeben wird sie vom Rechteinhaber, also dem Ur-Programmierer/Projektteam. Hat eine Software keinerlei Lizenz, ist sie in vielen Ländern tatsächlich rechtefrei, so genanntes Public Domain, bei dem der Rechteinhaber sein Copyright komplett aufgibt. Im Deutschen Recht ist das so nicht vorgesehen, lizenzloses Public Domain gibt es hier nicht. Ein Aber folgt am Ende des nächsten Absatzes.

Exkurs: Lizenzen

Open Source oder Free Software bedeutet keinesfalls rechte- oder lizenzfrei, es gibt nach wie vor einen Rechteinhaber, der eine (Open-Source-) Lizenz vergeben hat. Die wichtigste Software-Lizenz ist die GNU General Public Licencse, kurz GPL. Die Lizenz gewährt die FLOSS-Freiheiten und hat noch eine Spezialität an Board: Copyleft. Damit ist gemeint, dass Derivate oder Produke, die eine GPL-Software als integrativen Bestandteil nutzen, ebenfalls unter GPL oder kompatibler Lizenz stehen müssen. Damit ist sichergestellt, dass die vom Rechteinhaber garantierten Freiheiten bestehen bleiben und Hersteller proprietärer Produkte nicht „einfach so“ die Früchte anderer verkaufen. Eben dieses Copyleft brachte Steve Ballmer einst dazu, Open Source mit Krebs zu vergleichen – was jedoch Unsinn ist, da es zum einen durchaus Möglichkeiten gibt, GPL-Software in proprietären Produkten zu nutzen, ohne damit zu FLOSS zu werden. Zudem existiert mit der LGPL ( L für Lesser/weniger) explizit eine GPL-Variante, die die Verquickung unterschiedlich lizenzierte Produkte unterstützt. Neben der GPL gibt es noch etliche weiter von der Open Source Initiative zertifizierte Open-Source-Lizenzen, die auf der OSI-Homepage zu finden sind.

Eine weitere wichtige Lizenz ist die Creative Commons, die in unterschiedlichen Ausprägungen für freie Inhalte wie etwa die Wikipedia eingesetzt wird. Allerdings sind die Freiheiten recht unterschielich: Die Basislizenz CC-BY-SA, erlaubt freies Weitergeben und Verändern bei Beibehaltung der Lizenz und Nennung des Autors (BY = Namensnennung, SA = Same Attribution). Die Zusätze NC für Nichtkommerziell sowie ND für „Keine Derivate“ schränken die Freiheiten optional ein. Und mit der CC0 gibt es quasi lizenziertes Public Domain – klingt unsinnig, aber die CC0 sagt genau das: Macht was Ihr wollt, Ihr müsst auch keine Quelle nennen.

Mehr Infos zu FLOSS-Lizenzen von mir findet Ihr hier bei Dev-Insider oder hier bei heise.

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Die Open Source Initiative pflegt diverse Lizenzen.

Wie hat Open Source angefangen?

FLOSS, im Sinne, dass der Quellcode von Programmen offen liegt, verbessert und weitergegeben werden kann, existiert schon seit den frühen Tagen Computer-Welt – allerdings gab es damals keine Bezeichnung dafür, es war schlicht normal. Dazu muss man sich bewusst machen, dass in den frühen sechziger Jahren, als Computer anfingen sich auszubreiten, eigentlich alle User Hacker waren und Systeme nicht wie heute wie von Zauberhand Tausende kompatible Applikationen und unterstützte Peripheriegeräte mit brachten, sondern alles mühsam lernen mussten – entsprechend war es normal, dass Nutzer selbst Fehler aus dem Programm entfernten oder Verbesserungen einfügten. Auch konnte man nicht einfach das Internet anschmeißen und sich beliebig mit Tools versorgen, vielmehr wurde Software üblicherweise über Tauschzirkel/User Groups verteilt.

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Brief von Bill Gates an Computer-Hobbyisten.

Erst gegen Ende der 60er, Anfang der 70er, als Software nicht mehr als Gesamtpaket mit der zugehörigen Hardware sondern einzeln vertrieben wurde, fing die Branche an, Programme zunehmend proprietär anzubieten, also ohne Quellcode oder die Erlaubnis, das Produkt zu verbessern oder zu verteilen. Und Ende der 70er, Anfang der 80er wiederum, etablierten Konzerne das Modell des Verkaufs von Software-Lizenzen, die entsprechend an Nutzungsbedingungen, Copyrights oder auch Trademarks gekoppelt waren. Heute mag uns dieses Modell als selbstverständlich erscheinen, damals stellte es sich vielen Usern eher so dar, dass plötzlich Selbstverständlichkeiten durch Restriktionen ersetzt wurden, für die auch noch gezahlt werden sollte.

In der Geschichte der Computer und Software hat kaum jemand so gut technisches und vor allem wirtschaftliches Talent kombiniert wie Bill Gates, dem man mit etwas bösem Willen durchaus unterstellen könnte, ganz wesentlich mitverantwortlich für die ab 1983 existierende FLOSS-Szene zu sein: 1976, kurz nach dem Start seiner Karriere mit Microsoft (damals noch Micro-Soft), schrieb Gates einen offenen Brief an Hobby-Computer-User (Open Letter to Hobbyists), in dem er sich darüber beklagt, dass lediglich 10 Prozent der Nutzer seiner entwickelten Software diese auch gekauft und die anderen sie gestohlen hätte. Damit definierte Gates das für viele damals ganz normale „tauschen“ als „stehlen“ – und diese Umdefinierung ist noch heute Grundlage für Diskussionen rund um Filesharing, Quellcodes, Rechte der Hersteller vs. Freiheiten der User und so letztlich auch für die komplett gegensätzlichen Standpunkte von FLOSS’lern und Vertretern der proprietären Software-Industrie.

Wie hat sich FLOSS entwickelt?

Die Entwicklung der Szene begann dann ab 1985, als Richard Stallman, damals Wissenschaftler am MIT, aus Unzufriedenheit über bestehende Software-Restriktionen die Free Software Foundation gründetet. Hauptaugenmerk lag zunächst auf der freien Unix-Alternative GNU, die er bereits ab 83 entwickelte. 1989 entstand die erste Version der General Publlic License (GPL), deren zweite Version von 1991 auch heute noch sehr verbreitet ist. Ab 1992 ging es dann wirklich rund: Zunächst steuerte Linus Torvalds dem GNU-System mit seinem Linux einen Kernel bei und bereits ’92 gründete Ian Murdock mit Debian eine der bis heute erforgreichsten GNU/Linux-Distributionen – schließlich ist Debian die Grundlage für Ubuntu! In den 1990ern entwickelte sich FLOSS auch zur Grundlage für das Internet, insbesondere in Form des LAMP-Stacks. Die Kombination aus Linux, Apache (Webserver), MySQL (Datenbank) und PHP/Python als Skriptsprache, ist bis heute die Basis für etliche WWW-Angebote und Intranets.

Aber erst in der zweiten Hälfte des Jahrzehntes wurden die Grundsteine dafür gesetzt, dass heutzutage auch Endnutzer und nicht nur Admins mit Linux herum hantieren: KDE und Gnome sorgten endlich für eine komfortable, grafische Nutzeroberfläche, womit Linux mit Windows und Mac konkurrieren konnte. Mit dem Aufbruch ins neue Jahrtausend durfte man FLOSS als technisch, wirtschaftlich und juristisch etabliertes, erwachsenes Phänomen betrachten, dass aus der technischen Ecke in die breite Öffentlichkeit treten kann – und die will Programme!

Virtuelle Maschine NAS installation
Alt, und immer noch gut: Debian ist ein stabiles, gut gepflegtes Linux ohne lästige Spielereien.

Die wichtigsten Errungenschaften

Neben Betriebssystem und weiterer Infrastruktur (Linux, LAMP), muss FLOSS natürlich auch Endnutzerprogramme liefern, um sich durchzusetzen. Hier sind vor allem drei Produkte zu nennen: Die aus dem Netscape Communicator entstandenen Mozilla-Produkte Firefox und Thunderbird stellen einen kompletten Ersatz für Microsofts Internet Explorer und Outlook und Suns OpenOffice.org machte Microsofts Office-Programm weitgehend überflüssig. (UPDATE: OOo liegt mittlerweile bei Oracle, LibreOffice entstand als Abspaltung.) Damit waren die wichtigsten Bereiche der PC-Arbeit im Unternehmen abgedeckt.

Gerade ab 2000 gab es viele wissenschaftliche Studien über FLOSS und gerichtliche Bestätigungen der GPL, wodurch der Weg frei war für freie Business-Applikationen wie SugarCRM oder Compiere, Anwendungen von Forschungsstellen wie das Lernsystem Moodle oder den Welt-Begucker Worldwind von der NASA. Auf dem Heimcomputer gibt es heute viele nicht mehr wegzudenkende FLOSS-Werkzeuge, etwa die Bildbearbeitung Gimp, Multimedia-Player wie VLC oder HTPC-Oberflächen wie Kodi. Und selbst wenn Sie all diese Tools nicht nutzen, werden Sie FLOSS unbewusst einsetzen, da Routine-Aufgaben wie Verschlüsselung, Komprimierung oder Online-Sitzungen häufig von freien Bibliotheken abgearbeitet werden, die in kommerzielle/proprietäre Produkte integriert sind.

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Ohne Office-Suite bräuchte sich die Open-Source-Szene gar nicht erst an die Öffentlichkeit wagen – mit LibreOffice gibt es erfreulicherweise einen echten MS-Office-Ersatz.

Die wichtigsten Akteure

Die wichtigsten Akteure der FLOSS-Szene zu benennen ist im Grunde genommen etwas unfair, denn die wichtigsten Akteure sind die Millionen über Communities beteiligten Menschen, die Ihren Beitrag leisten, die so genannten Contributors, die Code schreiben, Projekte managen, Designs erstellen, Dokumentationen schreiben, Webseiten administrieren, Veranstaltungen durchfürhen, PR-Arbeit leisten, Support anbieten oder auch juristische Probleme durchboxen.

Hier  stellen wir Euch aber einige der prominenten und vor allem lautesten FLOSSler vor, die die Szene stark geprägt und teils gegründet haben – ein wenig schillernd und polarisierend sind Raymond & Co. ebenfalls durch die Bank. Übrigens: Nicht zu unterschätzen ist auch die Rolle der Lobbyisten, die etwa bei der EU enorm Druck machen, wenn es darum geht, ob FLOSS bei größeren Projektvergaben berücksichtigt wird – allerdings des öfteren der Übermacht der proprietären Software-Industrie hilflos gegenüber steht.

Hier eine kleine Auswahl:

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Richard Stallman

Richard Stallman
Der Gründer des GNU-Projekts und der Free Software Foundation ist leidenschaftlicher Vertreter der sozialen und ethischen Ausrichtung Freier Software, Entwickler des Editors Emacs, extrem polarisierend und (eigenwillig) humorvoll, was er bei seinen zahlreichen Vorträgen gerne vorfuhrt (was man sich auf YouTube nicht entqehen lassen sollten!).

Quelle: Wikimedia Commons, Autor: Billie Ebbesen, Lizenz: CC-BY-SA 3.0

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Eric S. Raymond

Eric S. Raymond
Der Mitgründer der Open Source Initiative ist der pragmatische Counterpart zu Stallman. seit 1990 Maintainer des Jargon File (Glossar des Hacker-Slang) und Autor des wegweisenden Essays The Cathedral and the Bazaar, der Open Source als Entwicklungsmodell analysiert und darstellt. Auch Raymond polarisiert; er ist etwa überzeugter Verfechter des Rechts auf Feuerwaffen. Ein Blick auf seine Website zeigt schnell, wie Raymond, häufig nur esr genannt, so tickt.
Quelle: Wikimedia Commons, CC-BY-SA, Autor: jerone2

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Bruce Perens.

Bruce Perens
Perens ist ebenfalls Mitgründer der Open Source Initiative, ehemaliger Projektleiter bei Debian, Autor der Open-Source-Definition (nutzt aber wieder den Begriff Free Software, da ihm der OSI-Begriff nicht stark genug ist!). Erfinder von BusyBox, ehemaliger Pixar-Mitarbeiter, Amateur-Funk-Aktivist und, naturlich, ebenfalls strittig. Außerdem repräsentiert Perens FLOSS häufig vor Regierungsvertretern.
Quelle: Wikimedia Commons, Lizenz: CC-BY-SA 3.0, Autor: Manon Anne Ress

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Linux Torvalds

Linus Torvalds
Der über die Grenzen des Open-Source-Universums wohl bekannteste Abgesandte ist der Erfinder und bis heute Verwalter des Linux-Kernels, an dem er heute unter der Obhut des Open Source Development Lab in Vollzeit arbeitet. Auch Torvalds wurde bisweilen angegriffen, da er im Zweifelsfall auch proprietäre Software akzeptiert, sollte, diese technisch besser sein.

Quelle: Wikimedia Commons, Autor: linuxmag.com, Lizenz: CC-BY-SA

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Jimmy Wales

Jimmy Wales
Der Begründer der Wikipedia (2001) startete mit seiner Firma Bomis bereits 2000 mit der Nupedia das erste Online-Lexikon auf PeerReview-Basis. 2004 gründete er Wikia, einen kostenlosen Hosting-Service für Wikis. Der mehrfach studierte Finanzwissenschaftler steht in unserer Liste stellvertretend für FLOSS-nahe Projekte, etwa für freie Inhalte oder offene Standards.

Quelle: Wikimedia Commons, Autor: Manuel Archain, Lizenz: CC-BY-SAUnported

Tim O’Reilly

Tim O’Reilly
Der einzige Nicht-Hacker in unserer Liste ist Gründer und CEO von O’Reilly Media, die er als Technologietransfer-Unternehmen beschreibt. O’Reilly verlegt Bücher, publiziert online und richtet auch seit jeher Konferenzen aus, beispielsweise im September 1997 jene, auf der Raymond sein Essay The Cathedral and the Bazaar vorstellte. Die Bücher genießen einen sehr guten Ruf, sind immer einfarbig gehalten und zeigen irgendwelches Getier.
Ouelle: Wikipedia , Autor: Robert Scoble, Lizenz: CC-BY

Wie funktioniert Open Source in der Praxis?

Grau ist alle Theorie und bis hierher ist eines noch nicht ganz klar: Wie entsteht denn nun ein freies Programm in der Praxis? Projekte starten meist entweder von Universitäten und Forschungsprojekten, von Unternehmen, die ein neues Tool entwickeln oder ein altes freigeben, oder von Privatleuten, die schlicht eine Lösung für ein konkretes Problem bauen wollen. Bei größeren Projekten geben die Organisationen die Verwaltung und Prozesse vor, bei kleineren organisiert sich die Community über spezielle Software-Plattformen selbst.

Meist gibt es einen kleineren Kreis an sehr involvierten Personen, die Code-Bestandteile zu einem Produkt zusammenfügen, die Produktpolitik bestimmen, Kernelemente programmieren und die Organisation selbst übernehmen. Hinzu gesellt sich ein wesentlich größerer Kreis aktiver Nutzer, die selbst in Form von Troubleshooting, Code, Support, Fehlerbehebung und so weiter beitragen. Ein noch größerer Nutzerkreis hilft durch Testen der Programme und anschließender Meldung etwaiger Fehler – was letztlich zu sehr wenig Bugs in FLOSS-Produkten führt oder zumindest zu regelmäßigen, schnellen Updates. Die Arbeit selbst wird meist technisch organisiert, entweder über spezielle Web-Angebote wie Sourceforge, Github oder Google Code oder über Kollaborationssoftware wie Mediawiki, die Grundlage der Wikipedia.

Wie kann ich mitwirken?

Der Einstieg in ein offenes Projekt ist in der Regel einigermaßen unkompliziert, eine Anmeldung bei einem Sourceforge-Projekt oder der Wikipedia reicht schon, Tools zum Mitmachen werden meist auch explizit angeboten, also beispielsweise Mailing-Listen für Übersetzer oder Bugtracking-Systeme für Beta-Tester. Bei der Wikipedia reicht es etwa ganz konkret, sich anzumelden und schon könnt Ihr in beliebigen Artikeln per Texteditor Änderungen vornehmen oder eigene Artikel anlegen.

Die vielleicht simpelste Art der Teilnahme: Nutzt frühe Programmversionen mit integriertem Bug-Tracking. Nutzt Ihr etwa die Vorabversionen vom Firefox, helfen schon die Nutzerstatistiken, die – natürlich optional – an Mozilla gesandt werden. Inhaltlich könnt Ihr vielerlei Arbeit beisteuern – und vor allem vieles, was keinerlei Programmierkenntnisse voraussetzt! Ganz im Gegenteil fehlt es bei vielen Projekten eher an Designern, Grafikern, Forumsmoderatoren, Organisatoren und Leuten, die in der Lage und willens sind, eine ordentliche Dokumentation zu verfassen.

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Mitmachen kann bei Open Source jeder – auch ohne Programmierkenntnisse: Die Free Software Foundation Europe gibt unter www.fsfe.org zum Beispiel viele Anregungen.

Woher bekomme ich FLOSS?

Open Source Software bekommt Ihr zum einen bei allen großen Download-Portalen von Filehippo.com bis zum heise-Download-Center – allerdings solltet Ihr hier immer etwa Vorsicht walten lassen, wenn Euch der Open-Source-Charakter wichtig ist, denn mit den Lizenzangaben nehmen es viele nicht so genau und FLOSS wird oft fälschlicherweise als Freeware bezeichnet (den umgekehrten Fall gibt es erfreulicheweise so gut wie nie). Zum anderen gibt es spezielle Portale wie Github, die komplett auf FLOSS spezialisiert sind und auch als Plattformen für die Entwickler dienen. Zudem haben natürlich viele Projekte eigene Download-Bereiche. Am besten besorgt Ihr Euch die Programme von FLOSS-Spezialisten, Homepages oder seriösen Portalen, denn wenn Ihr eine quelloffene Software von einer unbekannten Quelle saugt, könntet Ihr natürlich auch eine mit Viren oder Spionagefunktionen „angereicherte“ Version finden – allerdings sind derart verseuchte FLOSS-Programme in der Praxis, gelinde gesagt, selten.

github
Github.com ist der zentrale Umschlagsplatz für freie Software.

Kann ich freie Apps normal installieren?

90 Prozent oder mehr aller Programme, die Euch über den Weg laufen, lassen sich wie jedes andere Tool installieren/nutzen – meist also über eine setup.exe oder programmXY.exe. Ab und an kommt es aber vor, dass Ihr selbst kompilieren müsst(et), also aus den Quelltexten eine lauffähige Anwendung erzeugen, sprich eine EXE-Datei. Theoretisch ist das meist nicht sonderllich kompliziert, für die Praxis können wir Euch aber dennoch nur den Rat erteilen:

Lasst es – sofern Ihr nicht Spaß an Bastelei und/oder grundlegende Ahnung vom Programmieren habt. Denn häufig ist dieser Prozess mit vielen nachzuinstallierenden Tools, konkreten Programmversionen, magerer bis fehlerhafter Dokumentation und entsprechend haufenweise Fehlermeldungen und Frickelei gespickt, so dass die Zeit zumindest unter Windows besser in die Suche nach einer Alternative investiert wird.

gnu
FLOSSler sind auch nur Menschen, die meisten Tools sind unter Windows schlichte EXE-Dateien, wie hier die GNU utilities for Win32.

Woher bekomme ich Hilfe?

Ihr ruft gerne die Hersteller-Hotline an? Das kommt bei Open Source meist nicht in Frage, stattdessen solltet Ihr in erster Linie die jeweiligen Nutzerforen konsultieren, die für jedes auch nur halbwegs genutzte Programm existieren. Der Tonfall ist nicht in jeder Community immer sofort freundlich, aber sofern Ihr euch an drei Grundregeln haltet, dürftet Ihr sehr zufrieden mit dem Support sein: Sucht zunächst, ob es im Forum oder Handbuch/Wiki bereits eine Lösung gibt, Doppel-Postings führen fast immer zu hämischen, genervten Kommentaren. Postet schließlich Euer Anliegen, platziert es in einer passenden Kategorie (wird sonst garantiert verschoben und den gehobenen Zeigefinger gibt es obendrein …) und forumuliert eine konkrete Frage mitsamt Begleitumständen, also etwa genutztes Betriebssystem, Hardware, Programmversion und so weiter. Wem das umständlich erscheint, möge sich mal an die bisherigen Erfahrungen mit (kostenpflichtigen) Hotelines erinnern – ein Vergnügen?

Wollt Ihr komplexere Programme, wie Office-Suite oder Kundenmanagementsystem, kommerziell im Unternen einsetzen, könnt Ihr in der Regel wie gewohnt Support oder Wartung einkaufen – und da Services für ein FLOSS-Produkt jeder anbieten darf, seid Ihr nicht einmal auf den Hersteller angewiesen!

Kann Open Source etwas, das Kommerzielles nicht kann?

Ist ja alles ganz nett, aber von mir aus darf Software durchaus was kosten – was soll ich also mit Open Source? Gute Frage – zumal es tatsächlich gute Gründe dafür gibt: Keine Abhängigkeit von irgendeinem Hersteller (kostenpflichtige Upgrades, eingestellter Support, Hersteller-Konkurs, etc.), qualitativ sehr hochwertiger, fehlerarmer Code, sehr hohe Sicherheit, sehr häufig Plug-in-fähig, garantiert keine Reklame für weitere Produkte des Herstellers und sehr häufig sehr innovative, fortschrittliche Programme, da Communities meist schneller neue Features umsetzen können und nicht auf bestimmte Release-Termine (Weihnachten, Messen, etc.) warten müssen. Ihr wollt einen Beweis?

Dieser Artikel entstand beispielsweise mit LibreOffice, ging mit Thunderbird an die Redaktion, wurde mit 7Zip gepackt und landete mit Filezilla auf dem Server – obwohl auf diesem Rechner auch die kommerziellen Produkte von Microsoft, Winzip und so weiter installiert sind; aber eben nur für Testzwecke. Und nun, 2018, liegt der Artikel auf einem Apache-Webserver in einer Wordpress-Installation und wurde mit Notepad++ nachbearbeitet – und wieder: Alles Open Source.

firefox
ede Nacht eine neue Photoshop-Version im Entwicklungsstatus? Eher nicht … – beim quelloffenen Firefox kein Problem.

Welche Software sollte ich kennen?

Es gibt einige Tools, die Ihr auf jeden Fall kennen solltet – weil Euch sonst einfach etwas entgeht! Einige Tools sind besonders interessant, weil Sie Alternativen zu sehr teuren Programmen sind (Gimp statt Photoshop), andere, weil sie besser als die kommerzielle, bekannte Konkurrenz ist (Kodi statt Windows Media Center) und wieder andere, weil es gar keine wirklichen Alternativen gibt, wie bei der Speicher-Visualisierung Windirstat. Zudem gibt es einige besonders wichtige Projekte, die Ihr zumindest indirekt auch nutzt: Linux ist das häufigste Betriebssystem für Server, als Webserver läuft meist Apache, PHP und MySQL liefert einen großten Teil der Webseiten – meist gebastelt mit Wordpress -, Eure Mails werden mit quelloffener Software verteilt, Eure Medien mit offenen Codecs angezeigt und so weiter.

Für den Windows-Desktop gibt es etliche Tools, die man kennen sollte, etwa: Die Bildbearbeitung Gimp, das Office-Paket LibreOffice, die Browser Chromium und Firefox, den Mediaplayer VLC, das Mediacenter Kodi, den Texteditor Notepad++, den Passwort-Safe Keepass, die Virtualisierungssoftware VirtualBox, der Konverter Handbrake, das Mail-Programm Thunderbird, das HDR-Spielzeug Luminance HDR, die Versionsverwaltung git, die supertollen GNU Utilities for Windows, den Video-Editor OpenShot, der Software-KVM Synergy, die bessere Windows-Zwischenabalge Ditto oder den Linux-Desktop-auf-Windows-Desktop-Lieferanten X2Go – um nur mal ein paar persönliche Lieblinge zu nennen.

Anleitungen zu etlichen Open-Source-Programmen haben wir hier.

Lässt sich etwas nicht durch FLOSS ersetzen?

Leider ja. Natürlich bildet nicht jede FLOSS-Alternative jede Funktion eines eventuellen kommerziellen Vorbilds 1:1 ab – sind solche in einen größeren (Firmen-) Workflow eingebunden, kann das schon mal dazu führen, dass es sehr schwierig ist, etwa MS Office durch LibreOffice zu erstetzen, wenn beispielsweise Hunderte Vorlagen, Schnittstellen und Skripte angepasst werden müssen. Einige Programme sind aber auch an sich kaum zu ersetzen. Zum Beispiel ist die Videobearbeitung ein sehr kritisches Feld. Zwar gibt es extrem leistungsfähige Videoschnittlösungen und einfache Cutter für den Privathaushalt, komplexe und angenehm zu bedienende Editoren wie man Sie von Roxio oder Nero kennt, sind jedoch nach wie vor nicht zu finden – hier lohnt es sich, Geld auszugeben. (UPDATE: Da hat sich durchaus was getan, schaut zum Beispiel mal hier.)

Nicht ganz so deutlich ist der Umstand bei Photoshop: Gimp dürfte Privatnutzern zu 80, 90 Prozent ausreichen, dennoch gibt es eingige Photoshop-Funktionen, die Gimp nicht oder deutlich schlechter umsetzt (Fluchtpunkt, automatisches Freistellen, Workflow mit weiteren Adobe-Produkten). Für ambinionierte Hobby-Fotografen können sich die horrenden, monatlichen Kosten vielleicht noch lohnen, schaut man sich gängige Foto-Hardware-Preise an.

Weitere Kategorien ohne wirkliche FLOSS-Konkurrenz sind Spiele und Lernprogramme – beide leben wesentlich von Multimedia-Inhalten und eben jene sind nur mit einem PC nicht zu erstellen. Und Videostudios, professionelle Sprecher und ähnliches sind in offenen Projekten freilich eher selten zu finden. Zu guter letzt fehlt natürlich noch Windows selbst: Linux ist zwar eine perfekte Alternative und dank der Windows-„Simulation“ Wine laufen sogar viele Windows-Anwendungen unter Linux, jedoch gibt es nach wie vor nicht die umfassende native Spieleunterstützung – für viele User Grund genug, Linux gar nicht erst in die engere Auswahl zu nehmen.

open source videoschnitt_openshot
Mit der Openshot lassen sich Videos super bearbeiten – aber hier hat der Kommerz immer noch die Nase vorn.

Abschluss

Der Artikel ist wie oben eingeleitet schon einige Jahre alt – und die FLOSS-Welt hat sich enorm weiterentwickelt. Github hat Googel Code hat Sourceforge als Quelle Nummer 1 abgelöst. Chromium in der Variante Google Chrome Firefox. Android als grundsätzlich offenes Betriebssystem ist omnipräsent. Microsoft engagiert sich für Open Source. FLOSS ist längst gesellschaftsfähig, die alten Mythen von wegen mieserabler Usability oder miesem Support sind längst passé. Und Snowden und WikiLeaks und so weiter haben ihren Teil dazu beigetragen, dass FLOSS in die Gesellschaft vordringt. Langsam, stückweise, aber immerhin.

FLOSS gibt Euch nicht nur kostenlose Software, sondern auch Tools, die ohne Werbung und Tracking auskommen, allgmein sehr sicher ist und sich an offene Standards halten. Ob Ihr Euch mit den Philosophien hinter Open Source und Free Software identifizieren wollt oder nicht: Es gibt eben ganz praktische Vorteile. Persönliche bevorzuge ich immer noch Free Software und halte es eher mit Stallman/FSF denn mit OSI/früher-mal-Raymond. Ein Purist bin ich nicht, ich mache viel zu FLOSS unter Windows und das Hauptbetriebssystem ist Windows 7 – allerdings verbringe ich mittlerweile genau so viel Zeit in GNU/Linuxen, allerdings in Virtuellen Maschinen oder über SSH.

FLOSS ist super!

Mirco Lang

Freier Journalist, Exil-Sauerländer, (ziemlich alter) Skateboarder, Dipl.-Inf.-Wirt, Einzelhandelskaufmann, Open-Source-Nerd, Checkmk-Handbuchschreiber. Ex-Saturn'ler, Ex-Data-Becker'ler, Ex-BSI'ler. Computer-Erstkontakt: ca. 1982 - der C64 des großen Bruders eines Freunds. Wenn Ihr hier mehr über Open Source, Linux und Bastelkram lesen und Tutonaut unterstützen möchtet: Über Kaffeesponsoring via Paypal.freue ich mich immer. Schon mal im Voraus: Danke! Nicht verpassen: cli.help und VoltAmpereWatt.de. Neu: Mastodon

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