Meinung

Saturn, 90er, PC-Abteilung: Die „Einarbeitung“

Start der Kolumne, einer Ansammlung von Anekdoten aus der Frühzeit der Digitalisierung

Drei Computer mindestens, heute vermutlich Standard: Handy, Tablet, Laptop. Mitte der 90er? Klar, ein paar Amiga und Commodore standen in den Kinderzimmern und ein paar wenige Techies hatten vielleicht einen PC. Aber in der breiten Masse waren Computer einfach kein Thema. Wozu auch? Das Internet kam erst langsam aus den Puschen, für den Alltag waren sie keine Hilfe, dafür aber teuer, laut, langsam, kompliziert ... Aber in der zweiten Hälfte der 90er hat das Thema massiv Fahrt aufgenommen und Saturn war einer der Hauptschauplätze - wir haben die Bevölkerung vermutlich mehr digitalisiert als sonst jemand.

Zur Kolumne "Saturn, 90er, PC-Abteilung"

Vorwort

Vorwörter sind doof, habe ich noch nie gemocht - warum nicht gleich zur Sache kommen? Tja, und nun sitze ich hier, will ein paar Anekdoten aus der PC-Steinzeit auf Papier bringen und stelle fest: Vielleicht sollte ich zumindest kurz mal kundtun, wie ich überhaupt dahin gekommen bin. Geht ein Philosoph in den Saturn ...

Nach der Schule hat's mich in den Bochumer Betonklotz Ruhr Uni verschlagen, um - wie sich das für Menschen in dem Alter gehört - meine Zeit mit hochgeistigem, völlig sinnfreiem Krempel zu füllen. Oder ist so ein Studium der Philosophie sowie vergleichender und historischer Sprach- und Geschichtswissenschaften nicht vielmehr ein Unterbau für ein 12-Semester-Saufgelage?

Naja, war jedenfalls nichts, also wieder zurück in die Realität, in die Lehre, in den Einzelhandel, in den Saturn, in die Computer.... Nö, von Computern war eigentlich nie die Rede. Ich hatte kein Bock auf Büro, darum Einzelhandel. Interesse und Grundahnung von Hifi-Kram, also braune Ware (so schimpft sich der ganze klassische Unterhaltungsbereich, sprich Fernseher, Hifi-Geräte etc.).

Das Vorstellungsgespräch war irgendwie surreal. Eigentlich war das damals wörtlich zu nehmen: Man hat Werbung für sich machen müssen, um einen Job zu bekommen. Uneigentlich hat mir der Geschäftsführer eine Stunde lang erzählt, wie toll es bei Saturn ist und dann gefragt, wann ich denn anfangen wolle. Und nicht in der braunen Ware, sondern in der Abteilung "neue Medien", wie der Bereich mit Computern, Telefonen, Faxgeräten, Software und Handys hieß. Ich so: Keine Ahnung davon! Er: Kommt. Okay, also ab in die Ausbildung.

Berufsschule

In der Reihe geht es darum, wie es in den 90ern in der Computerabteilung abging. Aber da es aus dem Kopf heraus muss, hier noch eine Warnung für alle angehenden Studienabbrecher: Wenn man sich in der einen Minute mit Dingen wie Keilschrift und Staatsphilosophie auseinandersetzt und in der nächsten in der Einzelhandelsberufsschulklasse sitzt, nun, dann ist das gewöhnungsbedürftig.

Ich musste Komma-Diktate schreiben. Und Eszett-oder-Doppel-S-Diktate. Und Groß-/Kleinschreibung-Diktate. Und ich musste Dreisatz-Rechnungen erledigen - mit einem Taschenrechner! Tja, hätte ich fast 'ne 6 für bekommen ;) Die Klausur hatte ich zwar binnen Minuten fertig, aber ohne Rechenwege. RECHENWEGE! Für Dreisatz mit Taschenrechner. Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaargh.

In dem Fall hatte der Lehrer tatsächlich noch ein Einsehen, aber später wollte er sich unbedingt als Nemesis aufspielen. Der hat auch noch EDV und Rechnungswesen unterrichtet. Ich stand in beiden bei einer Eins und im Saturn hat er mich als Kunde über EDV-Themen ausgefragt - wollte mir dann aber irgendwann kein Zeugnis ausstellen, weil er meinte 60 Prozent Fehlstunden seien zu viel. Vollhonk, elender. Naja, unser sozial angehauchter Klassenlehrer hat dann interveniert, Danke nochmal dafür.

Liebe Lehrer, wenn Schüler Eure Klausuren bestehen, lasst sie doch einfach in Ruhe. Anwesenheit wird überschätzt.

Die Einarbeitung

So, nun aber zu Sache. Und da schon das Vorwort den angedachten Rahmen für Folgen dieser Reihe übersteigt, hier mal meine komplette Einarbeitung bei Saturn in Echtzeit: "Hier ist die Weste. Sie müssen ja am ersten Tag noch niemanden ansprechen, gucken Sie sich einfach mal in der Abteilung um. Schönen Tag." Habe ich erwähnt, dass ich zudem Zeitpunkt keine Ahnung von Computern hatte? Und das mit dem Umgucken hat sich auch schnell erledigt, im damals zweitkleinsten Saturn Deutschlands ...

Aber eigentlich war das auch nur mäßig schlimm (und von kurzer Dauer), denn Computerverkauf war damals vor allem eines: Grundlagenschulung! CPU, RAM, MHz, Kbyte - alles unbekannte Begriffe und unbekannte Dimensionen. Aber dazu mehr in der nächsten und eigentlich ersten echten Folge von Saturn, 90er, PC-Abteilung. Ab sofort jeden Sonntagabend, bis mir Stoff oder Lust ausgeht.

Und nur falls dieses Einwort-Martyrium jemandem entgangen ist: Westen! Ja, bis 97 oder 98 trug Saturn-Personal tatsächlich blaue Westen mit silbernen Sternchen drauf. "O horror, horror, horror!"

In der nächsten Folge geht es dann um das, was Saturn-Verkäufer bisweilen tun: Schilder vorlesen.

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Mirco Lang

Freier Journalist, Exil-Sauerländer, (ziemlich alter) Skateboarder, Dipl.-Inf.-Wirt, Einzelhandelskaufmann, Open-Source-Nerd, Checkmk-Handbuchschreiber. Ex-Saturn'ler, Ex-Data-Becker'ler, Ex-BSI'ler. Computer-Erstkontakt: ca. 1982 - der C64 des großen Bruders eines Freunds. Wenn Ihr hier mehr über Open Source, Linux und Bastelkram lesen und Tutonaut unterstützen möchtet: Über Kaffeesponsoring via Paypal.freue ich mich immer. Schon mal im Voraus: Danke! Nicht verpassen: cli.help und VoltAmpereWatt.de. Neu: Mastodon

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