Web & Netzkultur

Fake-Shops mit Tradition, made by AI aus purem Chinesium

Fake-Shops im Netz sind ärgerlich oder sogar gefährlich. Wir zeigen, wie Ihr schwarze Schafe erkennt und von seriösen Angeboten unterscheidet.

So traurig es ist, doch wer – außer dem Eigentümer – freut sich nicht über eine Geschäftsauflösung? Die sind dieser Tage leider nicht selten, und der "Alles-muss-raus"-Verkauf verspricht Schnäppchen satt. Doch Vorsicht: China-Shops mit KI-Hintergrund lauern an jeder Ecke! Zum Glück könnt Ihr sie recht einfach entlarven.

Wie wäre es hiermit? Ein alteingesessenes "Taschenatelier" schließt "schweren Herzens". Es ist der "letzte Neujahrsverkauf". Bis zu 80 Prozent Rabatt sind drin! Auf das bizarr riesige Sortiment natürlich "handgefertigter" Lederwaren. Die Website zeigt auch gleich ein rühriges Bild des Betreibers samt Über-mich-Seite, auf der "Werner" wortreich beschreibt, warum er Lederwaren liebt und dass er aus "Altersgründen" schließen will.

Rabatte, Rabatte, Rabatte!!!

Rührseliges Storytelling, direkt von der KI

Das ist rührseliges Storytelling vom Feinsten, es geht direkt ans Herz und spricht gleichzeitig den Schnäppchenjägerinstinkt an: Der arme Werner soll bloß seine Millionen Taschen und Rucksäcke los werden, damit er sicher und warm in den Ruhestand gehen kann.

Wenn man dabei noch ein Schnäppchen machen kann, ist das eine Win-Win-Situation mit Extrapunkten in der Haltungsnote. Natürlich verfängt das beim modernen Großstädter! Natürlich klickt man auf die Anzeige! Und bestellt womöglich auch was im Shop, um Werner – und natürlich sich selbst – eine Freude zu machen.

Dummerweise gibt es Werner und seine Ledermanufaktur nicht. Qualität und Umfang der Website mögen nicht so recht zu einer eigentümergeführten Ledermanufaktur passen. Es gibt zu viele Produkte, Banner, Rabatt-Störer.

Und tatsächlich verrät ein Blick ins Impressum: Hinter Werners Shop steckt eine niederländische Firma mit Sitz in Drunen. Die Website ist weitestgehend KI-generiert. Die Bilder von Werner? KI. Die Texte und Produktbeschreibungen? Höchstwahrscheinlich auch KI.

Website-Generator und Produkte aller Art

Die meisten Website-Baukästen namhafter und weniger namhafter Hoster machen es Website-Betreibern inzwischen mit Künstlicher Intelligenz sehr leicht, attraktive Websites zu bauen: Sie erstellen Fotos, schreiben Texte, befüllen Shops – da war es nur eine Frage der Zeit, bis Chinawaren-Anbieter die Technik nutzen, um ihre Massenware unters Volk zu bringen. Wer bei Werner bestellt, bestellt direkt in China.

Werners Ledergeschäft ist dabei leider kein Einzelfall: Es gibt tausende Online-Shops dieser Art, die auf diese Weise Waren unters Volk bringen – oder sogar als Fake-Shops schlicht abkassieren wollen. Wer im Netz, insbesondere auf Facebook, X und Co. unterwegs ist, wird früher oder später auf eine Anzeige für einen solchen Shop stoßen: Schuhe, Elektronik, Lederwaren, Mode oder Outdoor-Equipment: Es gibt nichts, was es nicht gibt.

Russisches Roulette bei der Bestellung

Warum das problematisch ist? Nun: Die Bestellung in einem solchen Shop gleicht russischem Roulette: Ihr werdet die angepriesene Qualität, gar handgemachte Ware bestimmt nicht bekommen. Im besten Fall handelt es sich einfach um Dropshipping: Die Ware kommt direkt aus der Fabrik in China. Das dauert, bleibt möglicherweise im Zoll hängen und am Ende habt ihr vielleicht etwas Zuviel für sehr einfaches Produkt aus purem Chinesium bezahlt. Das ist ärgerlich, aber zu verkraften.

Im schlimmsten Fall handelt es sich bei dem Shop um einen vollumfänglichen Scam, der nur dazu dient, Eure Adress- und Zahlungsdaten abzugreifen oder Euch Waren zu versprechen, die Ihr bezahlt, aber nie erhaltet. Da die Betreiber im Ausland sitzen und die Shops oft schnell wieder verschwinden, ist es so gut wie unmöglich, juristisch gegen diese Shops vorzugehen.

Impressum und Adresse checken, Lieferzeiten prüfen

Zum Glück sind die Shops auf das schnelle Geld aus – und das kommt Euch zugute: Normalerweise reicht ein Blick ins Impressum, Fake-Shops von Dropshipping- oder seriösen Shops zu unterscheiden.

Während seriöse Shops ein vollwertiges Impressum samt Datenschutzerklärung haben, in denen eine echte, in Google Maps auffindbare Geschäftsadresse angegeben ist, gibt es bei den Fernost-Fälschungen entweder kein Impressum – oder eines, das den Betreiber als Dropshipping-Unternehmen in den Niederlanden oder anderswo ausweist.

Ein weiterer Hinweis können die Bestellzeiten oder die Rücksendebedingungen sein. Wenn der Shop – wie unser Werner – behauptet, er bräuchte "1-3 Tage" für die Fertigung und anschließend noch einmal eine "Lieferzeit von 4-7 Werktagen" oder noch länger aufschlägt, könnt Ihr ziemlich sicher sein, dass das Produkt nicht aus Deutschland verschickt wird.

Richtige Fake-Shops scheren sich natürlich nicht um solche Angaben und lassen sie wahrscheinlich weg. Das gleiche gilt für undurchsichtige oder kuriose Rücksendebedingungen: Seriöse Shops geben diese in aller Regel auf ihrer Website an.

Das dauert zu lange, Werner!

Hilfe bei der Fakeshop-Erkennung im Netz

Als Faustregel gilt: Wenn Ihr den Shop nicht kennt, solltet Ihr Euch zunächst über ihn informieren, ganz egal, ob das Angebot gut ist und irgendwelcher Countdowns Euch zum schnellen Schnäppchen nötigen möchten. Eine einfache Google-Suche nach (URL)+seriös – also etwa: "Fake-Webshop.de seriös" hilft Euch oft schon weiter: Tauchen Foren-Einträge mit Beschwerden auf oder wird der Shop gar auf einer Website der Verbraucherzentrale genannt, sollten alle Alarmglocken schellen.

Zusätzlich könnt Ihr die Website-Liste von Watchlist-Internet.at befragen oder die Shop-Adresse im Fakeshop-Finder der Verbraucherzentrale eingeben. Wichtig dabei: Nur, weil ein Shop hier auftaucht, ist er nicht zwingend seriös!

Wie man sich schützen kann

Schutz vor Fake-Shops ist nicht immer leicht. Wir empfehlen, grundsätzlich nicht in Shops zu bestellen, die Ihr nicht verifizieren könnt. Hat der Shop kein oder ein seltsames Impressum: Finger weg!

Hin und wieder stößt man aber bei der Schnäppchensuche auf unbekannte, weil kleine Shops, die völlig seriös sind. Gerade kleinere Sport- und Modegeschäfte haben nicht selten attraktive Angebote auf ihrer Internetseite, doch da man die Namen nicht kennt und die Seiten möglicherweise auch mit Website-Generatoren erstellt wurden, können solche Seiten wie Fakes wirken. Gerade am Smartphone ist die Seriosität im Eifer des Shopping-Gefechts nicht immer einwandfrei zu klären.

In diesem Fall ist es ratsam, nur mit Paypal oder vergleichbaren Zahlungsdiensten zu bestellen, die im Fall der Fälle auf Kundenschutz zurückgreifen und das Geld erstatten. Oder Ihr bestellt auf Rechnung. Kreditkarten-Daten solltet Ihr hingegen niemals eingeben, wenn Ihr Euch nicht sicher seid – egal, wie attraktiv das vermeintliche Schnäppchen ist.

Alternativ hilft übrigens auch ein guter, alter Telefonanruf im betreffenden Shop: Wenn eine Telefonnummer angegeben ist, könnt Ihr anrufen und nachfragen, ob das Produkt verfügbar ist: Fake-Shops und Dropshipping-Dienste geben entweder keine, eine internationale oder eine falsche Telefonnummer an und sind in der Regel nicht telefonisch erreichbar, womit man sie recht eindeutig entlarven kann. Aber Vorsicht: Die KI-Entwicklung könnte auch hier künftig vollautomatisierte Callcenter möglich machen.

Und Werner? Der verkauft derzeit weiter "handgemachte" Lederwaren. Schließlich muss er bald sein Geschäft aufgeben. Das existiert laut seiner Website seit 1997, die Domain wurde jedoch erstmals am 11.12.2024 registriert – übrigens auch ein guter Hinweis darauf, dass der Shop nicht ist, was er zu sein vorgibt.

Wie erkennt Ihr Fake-Webshops und Dropshipping-Angebote? Und seid Ihr schon einmal auf einen solchen Shop hereingefallen? Lasst es uns in den Kommentaren wissen.

Christian Rentrop

Diplom-Journalist, Baujahr 1979. Schreiberling in Totholzwäldern und auf digitalen Highways. Öfter auch auf der Vespa oder mit dem Wohnwagen unterwegs. Seit 2020 Tochtervater, dementsprechend immer sehr froh über eine kleine Kaffeespende.

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