Testlabor

Hardware-Hut: D-Link DCS-6100LH – weniger geht nicht

Eine Sicherheitskamera, die nur einen Verbrecher entlarvt - den Produktmanager

Selten hat mich ein Produkt so sehr zur Weißglut getrieben wie diese Sicherheitskamera. Sie ist ein absoluter Witz und niemand sollte sie kaufen – nicht für die 60 Euro UVP, nicht für die heutigen 25 Euro. Über 0 Euro ließe sich reden – und D-Link würde selbst dann noch Gewinn machen!

Bei der DCS-6100LH weiß ich kaum, wo ich anfangen soll zu meckern. Also erstmal zu den versprochenen Features: Bewegungserkennung mit automaticher Aufzeichnung/Benachrichtigung, Nachtsicht, Aufzeichnung per Cloud, SD-Karte oder direkt aufs Smartphone, Live-Ansicht, ein Jahr kostenloser D-Link-Cloud-Speicher.

Zunächst zum einzig Guten an dem Ding: Die Hardware ist nicht schlecht. Das Bild ist in Ordnung, die Nachtsicht funktioniert (meistens) und die Halterung könnte zumindest stabil genug sein, um die Kamera einige Zeit in Position zu halten.

Gelinkt von D-Link

Der Mist begann hier schon bei der Einrichtung: Die mydlink-App hat lediglich die WLAN-Netzwerke einiger Nachbarn erkannt – meine SSID und die genutzte Verschlüsselung musste ich manuell eingeben. Und zumindst bei der Verschlüsselung dürften die meisten Nutzer raten müssen. Diese Art der Einrichtung ist längst Standard und technisch eher trivial – aber für D-Link offenbar schon zu viel. Das ist mir wirklich seit Jahren nicht mehr untergekommen.

Aber egal, irgendwann lief sie. Beim Versuch zu testen fiel dann gleich das erste Versprechen: Hier gibt es keinen SD-Karten-Slot – allerdings kann man das nicht D-Link anlasten, das hat der Verkäufer auf Amazon versaut, der schlicht das SD-Karten-Werbebild anderer D-Link-Kameras in die Beschreibung gebaut hat.

dlink bei amazon.
Nope, hier gibt es keinen SD-Karten-Slot Quelle: Amazon

Na gut, dann halt Aufzeichnung auf dem Smartphone: In den Settings lässt sich das nicht einstellen, da gibt es nur die Cloud. Schaltet man die Live-Ansicht auf dem Startbildschirm von mydlink an – nix mit Aufzeichnung. Erst, wenn man die laufende (!) Live-Ansicht nochmals in einem neuen Screen öffnet, gesellt sich ein Record-Button hinzu. Und ja, damit lässt sich auf das Smartphone aufnehmen. Wohlgemerkt einfach nur den Live-Stream! Aufnahmen über die Bewegungserkennung sind so nicht möglich. Nützlich könnte das höchstens in einer theoretischen Welt sein, in der Ihr zufällig einschaltet, wenn gerade ein Einbrecher seinem Job nachgeht …

Mit anderen Worten: Die eigentliche Funktion dieser Sicherheitskamera ist nur mit der D-Link-Cloud möglich. Aber hey, man darf ja ein Jahr lang kostenlos speichern – könnte man zumindest noch drüber nachdenken. Aber auch das ist nur ein Versprechen von Gestern, denn der Gratiszeitraum liegt Stand heute bei gerade mal 14 Tagen! Die Sache mit der völlig unnützen Smartphone-Aufzeichnung könnte man noch als aggressives (und hochgradig asoziales) Marketing verstehen – das Jahr Gratis-Cloud ließe sich hingegen sicherlich einklagen. Denn das ist – um juristische Begrifflichkeiten zu vermeiden – schlicht Beschiss. Die Verpackung der Kamera erwähnt übrigens ebenfalls kostenlose Cloud-Pläne, im Kleingedruckten auf der Unterseite heißt es aber auch direkt, dass diese jederzeit ohne Ankündigung verschwinden können. Klar, so eine Packung lässt sich nachträglich auch nicht ändern. Eine Website, liebe D-Linker, schon.

mydlink-screenshots.
Automatische Aufnahmen? Cloud only …

Um es ganz klar zu sagen: Ohne D-Link-Cloud ist die Kamera nahezu völlig nutzlos. Es wäre nur fair, das Teil bei Abschluss eines Cloud-Abos zu verschenken. Es geht D-Link hier ganz offensichtlich ausschließlich darum, monatlich 5 Euro Cloud-Gebühr einzutreiben.

cloud-pläne laut website.
Cloud-Pläne laut Website – ohne Bezug zur App (aka Realität) Quelle: D-Link

Bonus-Mist

Ihr wollt die Cloud nutzen und findet 5 Euro monatlich für tendenziell sehr wenige Videos nicht übertrieben? Gut, auch dann solltet Ihr das Teil nicht kaufen ;) Fangen wir im Browser an: Im Browser könnt Ihr den Privacy-Modus der Kamera umstellen (aka ein-/ausschalten), zoomen, Screenshots machen und die Live-Ansicht sehen. Da die Live-Ansicht aber nach ein paar Minuten automatisch abschaltet, taugt das nicht als Überwachungsmaßnahme – es ist nur eine lustige Spielerei. Immerhin: In der mydlink-App könnt Ihr so lange live streamen wie Ihr wollt. Wow.

dlink-screenshot mit abgelaufener session.
Nur ein Tropfen auf den heißen Stein …

Natürlich kann die Kamera auch Benachrichtigungen schicken, sobald eine Bewegung oder ein Geräusch erkannt wird – super! Und diese kommen sogar aufs Smartphone – samt Aufnahme! Jedoch … auch das versaut D-Link. Die Mitteilungen kommen als Rich Notification, heißt: Das aufgenommene Foto seht Ihr nur in der Benachrichtigung und könnt es entsprechend nicht vergrößern oder mal eben speichern. Eigentlich ist das nur ein Hinweis, dass eine Aufzeichnung gestartet wurde – was halt nur in der Cloud geht …

Mehr? Gerne! Die Erkennung pausiert nach einer Bewegungserkennung scheinbar für 5 Minuten – mit Cloud-Aufzeichnung wäre das okay, verlässt man sich auf die bebilderten Benachrichtigungen, bringt es schon wieder gar nichts. Infos? Fehlanzeige. Oder die Nachtsicht: Diese kann sich automatisch einschalten und funktioniert sogar ziemlich gut. Im Testbetrieb gab es hier aber zum Beispiel einen Zeitraum von ca. 15 Minuten, in denen die Kamera im Dämmerlicht alle paar Sekunden umgeschaltet hat – was ihr jedes mal ein recht lautes Knacken entlockt. Das kompensierte sie hier aber – just jetzt steht sie im hell erleuchteten Zimmer und bleibt stur im Nachtmodus. Oder wie wäre es mit dem Screenshot-Modus im Browser: Ja, es wird ein Foto von der Kamera gespeichert – aber nicht in HD, sondern in der Größe des Videofensters. Und im Vollbildmodus verschwinden die Buttons … Dass die App vollgestopft mit Videos und Kaufangeboten ist, ist bei all dem kaum noch der Rede wert.

kamera mit nachtlicht.
Was meint Ihr? Sieht das Foto so aus, als sollte die Kamera im Nacht-Modus laufen?

D-Link hat hier wirklich in fast allen Belangen Mist gebaut: Das Marketing grenzt an (imho ist, aber inal ;) ) Betrug – wer ein Jahr Gratis-Cloud verspricht muss das auch halten oder das Versprechen zurücknehmen, bevor das Angebot selbst zurück genommen wird. Und dass „Videos … auf dem Smartphone aufzeichnen.“ das eigentliche Feature einer Sicherheitskamera – automatische Aufnahme bei Bewegungserkennung – explizit ausschließt, ist schon verdammt frech. Die Software taugt im Browser nicht und macht auf dem Smartphone keinen Spaß. Und das Produktmanagement, das dieses Konglomerat als Gesamtkunstwerk zu verantworten hat, sollte tatsächlich mal zur Verantwortung gezogen werden! Vielleicht mal privat unter vier Augen mit den Entwicklern der Hardware – denn diese ist nun wirklich nicht schlecht. Ich wäre als Hardware-Entwickler jedenfalls stocksauer, wenn die lieben Kollegen mein Produkt dermaßen versauen würden.

dlink-homepage-ausschnitt.
Ja, man kann auf dem Smartphone aufnehmen – aber nicht so, wie man vermuten muss Quelle: D-Link

Ihr merkt schon, ich bin ziemlich angefressen – mehr noch als beim kürzlich entdeckten Murks, den Logitech bei seiner hochpreisigen Konferenzkamera getrieben hat. Aber trotz versprochener und nicht vorhandener Features ist die Logitech-Kamera ein tolles Produkt. Die D-Link DCS-6100LH sollte eigentlich niemand kaufen. Wenn Ihr allerdings eh schon für die D-Link-Cloud bezahlt und die Dinger als Install-and-Forget-Lösung an die Wand schrauben wollt: Sie tut ihren Dienst. Aber bitte, ermutigt diese Pfeiffen nicht auch noch …

Aus dem Hardware-Hut ziehen wir in unregelmäßigen Abstand interessante Hardware-Gadgets aller Art und stellen sie Euch vor. Meistens, aber nicht immer, geht es dabei um Dinge, die wir mögen. Der Fokus liegt bei unseren Hardware-Hut-Berichten auf dem Praxiseinsatz. Dröge Messwerte und Tabellen verlinken wir lieber, statt Euch damit zu langweilen ;-). Weitere Ausgaben vom Hardware-Hut findet Ihr hier – und es sind noch viele in der Mache.

So, normalerweise käme hier natürlich der obligatorische Amazon-Partner-Link zur D-Link-Kamera, wir müssen ja auch verdienen. Aber diesen Mist will ich einfach nicht verlinken, daher hier eine völlig willkürlich ausgewählte Kamera zu einem ähnlichen Preis – und ich fresse einen Besen, wenn die nicht besser ist.

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(* = Affiliate-Link / Bildquelle: Amazon-Partnerprogramm)

Mirco Lang

Freier Journalist, Exil-Sauerländer, (ziemlich alter) Skateboarder, Dipl.-Inf.-Wirt, Einzelhandelskaufmann, Open-Source-Nerd, Checkmk-Handbuchschreiber. Ex-Saturn'ler, Ex-Data-Becker'ler, Ex-BSI'ler. Computer-Erstkontakt: ca. 1982 - der C64 des großen Bruders eines Freunds. Wenn Ihr hier mehr über Open Source, Linux und Bastelkram lesen und Tutonaut unterstützen möchtet: Über Kaffeesponsoring via Paypal.freue ich mich immer. Schon mal im Voraus: Danke! Nicht verpassen: cli.help und VoltAmpereWatt.de. Neu: Mastodon

2 Kommentare

  1. Hab 3 von den Kameras . heute sind die für 10 euro beim Prime Day erhältlich.
    Warum sollen die Nutzlos sein. Hat man ein NAS sind die Super. Hat man Qnap oder Synology NAS kann man die sehr leicht in seine Überwachungs app einbinden. In QVR Pro z.b eine neue Kamera manuell hinzufügen. Marke „Generic Model“ und bei Model dann „Generic RTSP“ auswählen.
    Der PIN Ihrer Kamera ist auf der Unterseite Ihrer Kamera angegeben.

    Die RTSP URL lautet dann (ersetzt mit Ihrer PIN und der lokalen IP Adresse der Kamera):
    rtsp://admin:PIN@LOKALE-IP-ADRESSE/live/profile.0

    Für den Preis ist die Kamera Top.

  2. Habe mir die Kamera auch gekauft und muss sagen es war die Katze im Sack. Habe erst bei der Installation festgestellt das man da ein Abo abschliessen muss, damit man die überhaupt nutzen kann. Ich finde das ist eine Frechheit. Habe das Sch….teil wieder zurückgebaracht.

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