Der Support für Windows 7 läuft im Januar 2020 aus. Und ohne Sicherheitsupdates ist Windows 7 dann schlicht und ergreifend tot. Nun, nur fast überall ... Und ja, das ist verdammt traurig. Windows 7 ist nämlich ein bisschen wie die Rolling Stones - nur nicht genug ...
Windows "Rolling Stones" 7
Als die Rolling Stones 1962 das Licht der Welt erblickten, dürfte die Welt auch für viele jüngere Menschen ein wenig heller geworden sein. Vorher gab es vornhemlich weicheierige Mainstream-Mucke, die den Mief der elterlichen Spießigkeit ausschwitzte. Selbst der rauhe Blues dürfte für einen hyperaktiven Jugendlichen zu lahm gewesen sein, zu viel Klammerei an die Vergangenheit, es fehlt das Neue. Dann kamen die Stones, nahmen das Beste vom Blues und vermischten es mit viel Energie zu etwas Neuem, etwas Unerwartetem. Musik war wieder spannend.
Als Windows 7 2009 auf die Menschheit losgelassen wurde, ging es Windows-Usern ganz ähnlich. Windows Vista war angesagt, der Horror. Windows XP war im Grunde für seine Zeit recht ordentlich, passte aber nicht mehr in die Zeit, hatte irgendwann den Charme einer 50er-Jahre-Amtsstube. Und Vista hat alles nur noch schlimmer gemacht, hier wollte piefige Technik unbedingt einen auf hip machen - und hat alles falsch gemacht. Kennt Ihr das, wenn spießig-konservative Leute unbedingt was "junges, frisches" machen wollen? Der Spiegel hat einiges ausgegraben. Einfach nur peinlich ... Und dann kam Windows 7 - WOW! Nicht, dass Win 7 einen ähnlich aufwirbelnden Charakter wie die frühen Stones gehabt hätte, aber es war der benötigte Hoffnungsschimmer für jüngere Computer-Nerds, die Microsoft mit Vista schon untergehen sahen. Man war schon verblüfft, dass Microsoft offenbar doch noch Neu konnte. Windows war wieder - nein, nicht spannend - aber stabil ;)
Grundsolider Rock'n'Roll
Seit 57 Jahren spielen die Stones grundsoliden Rock'n'Roll - das Neue ist weg, das Spektakuläre längst etabliert, keine Jugendkultur wird die Stones als ihre Stimme erwählen. Aber wenn man einfach gute, bluesige Old-School-Rockmusik hören will, ohne Angst haben zu müssen, wegen schwachsinniger Kollegah-Texten Hirnschmerzen oder dem immergleichen Billo-Discobeat-aus-der-Bontempi-Kinderorgel einer Helene Fischer Ohrenschmerzen zu bekommen, sind die Stones eine grundsolide Wahl. Da weiß man was man hat.
Seit 10 Jahren bespaßt Windows 7 einen Großteil der (Desktop-)Rechner weltweit. Ja, es sieht nicht mehr ganz frisch aus - aber mal einen Blick auf Keith Richards geworfen? Aber es läuft stabil, ist relativ sicher und bietet eine solide Plattform für das, was ein OS eigentlich nur tun soll: Anwendungsprogramme laufen lassen. Hier muss man keine Angst vor Windows-10-artiger Dauerfunkerei haben (nun, weniger ...), nicht vor sektenartiger Apple-Abhängigkeit oder gar einer ach so schrecklich frickeligen Linux-Welt. Bei Windows 7 weiß man, was man hat.
Like a bröseling Stone
Windows 7 wird gehen, viele werden sagen keine Sekunde zu früh - aber beim Blick auf die beschissenen Wackelkacheln im Windows-10-Startmenü oder die doppelgleisigen Systemeinstellungen wird ein Tränchen rollen ... Die Stones hingegen bleiben, viele werden sagen viel zu lange - aber warum den Fels neu erfinden, wenn es doch so schön vor sich hin rollt?!
Doch leider enden die Parallelen hier. Dürfte ich nur noch eine Band hören, würde ich mich sofort von den Stones verabschieden (nun, in einer theoretischen Welt, in der Praxis höre ich nahezu überhaupt keine Stones - in meiner Jugend waren die das Establishment, auf dem Plattenteller lagen eher die Dead Kennedys ...) - aber dem ist ja nicht so. Beim (Haupt-)Betriebssystem nutzt man aber eben nicht 250 verschiedene Interpretationen nach Lust und Laune parallel. Heute sind die Stones selbst bei jungen Menschen ein hochgeschätztes Kulturgut - weil sie sich einem "Abgang in Würde" stets verweigert haben. Sie haben ihren Zenit überschritten, sind dann ein wenig als Altersrocker belächelt worden, spielten aber weiter und weiter und weiter und spielen immer noch - und bewegen sich nun auf einem Dauer-Zenit. Jagger und Richards würde selbst in Rollstühlen auf der Bühne nur Respekt aus der Menge entgegen branden.
Windows XP hat es auch irgendwie geschafft, den toten Punkt zu überdauern, belächelt zu werden und trotz etlicher legitimer Nachfolger immer noch seinen Platz in der Welt zu behaupten - auf Rechnern, die nicht im Internet sind und beispielsweise Geldautomaten oder Maschinen betreiben. Auch als VM erfreut sich XP nach wie vor großer Beliebtheit. Im Grunde ist es eines von sehr wenigen Betriebssystemen, die es geschafft haben, sich einen gewissen Retro-Respekt zu erarbeiten. Auch das kann man respektieren.
Windows 7 sollte im Grunde bereits 2012 von Windows 8 abgelöst werden. Doch weder ist die Welt in dem Jahr mayamäßig untergegangen, noch hat sich irgendwer für das völlig verkorkste Windows 8 interessiert - ein noch viel schlimmerer "PR-GAU". Ab dem Zeitpunkt konnte auch Windows 7 viel Respekt für sich deklarieren. Und da Windows 10 in der ersten Version auch ziemlich korkig war, hielt das bist ungefähr 2016/2017 an. Wer 2018 noch Windows 7 nutzte, musste sich schon den ersten Lachern hingeben ... Doch 2019 ist der Zeitpunkt, da es 7 an den Kragen geht, die Nutzer belächelt werden. Die Stones haben diese Zeit ausgesessen und sind heute weitgehend unantastbar. XP hat diese Zeit ausgesessen und ist heute zumindest ein irgendwie symphatisches Relikt aus der Vergangenheit.
Paint it black
Windows 7 hat nur winzige Chancen einen ähnlichen Dreh zu finden. Zwar wird es für Unternehmen gegen Aufpreis vermutlich auch noch länger Patches geben, wie bereits bei XP geschehen, doch die breite Masse der User wird an solch einem Programm nicht teilnehmen können. Man könnte auch hier das beste aus beiden Welten verknüpfen und die rote Tür schwarz anmalen - es bliebe ein Portal:
Windows 10 benötigt dringend das "Windows Classic Theme", damit endlich die elende Zappelei und das bescheuerte, moderne, Platz verschwendende Design verschwindet. Dann müssten noch die Tablet- und Touch-Ansätze verschwinden, wenn es doch auf einem fucking Desktop läuft ... Die schizophrene Zweiteilung Systemeinstellungen und Systemsteuerung gehört auch auf den Misthaufen. Dann noch das Nach-Hause-Funken abstellen und nicht ständig 500-Gigabyte-Updates, schon wäre Windows 10 vielleicht toll. Viele andere Dinge sind nämlich durchaus besser als bei Windows 7. Sagt man. Performance. Sagt man. Und äh, ja, genau. Doch all das wird nicht passieren ...
Windows und die Zukunft
Was passiert denn, wenn Windows 7 irgendwann stirbt? Nun, das ist einfach, da gibt es nicht allzu viele Möglichkeiten:
- Windows 7 forever: Internetverbindung kappen und für immer Windows 7 weiternutzen. Trotz ftw!
- Windows 10: Umstieg auf Windows 10 + Antidepressiva.
- Windows 8: Nekrophile Masochisten könnten ihr Leiden noch ein paar Jahre verlängern.
- macOS: Vom Regen in die trau...te Sicherheit einer Sekte - nur für suizidgefährdete Nicht-Gamer empfehlenswert.
- Ubuntu: Machbar für Gelegenheits-Gamer, die eigentlich nur surfen, facebooken, mailen, youtuben und so weiter.
- Debian + LXDE + gehärtetes Windows 10 als KVM: Gaming-taugliche Wunderwaffe für Menschen, die auch gerne Wasserkühlungen installieren.
- Thin Client + AWS: Für Zukunfts-Hipster genauso geeignet wie für Leute, die sich noch mit Kollegen/Kommilitonen um CPU-Zeiten streiten mussten.
Wenn Ihr weder mehrere Rechner betreiben, noch auf Gaming verzichten, noch komplett auf ein Linux umsteigen wollt/könnt, hier mal eine auch für Otto Normalverbraucher wirklich brauchbare Empfehlung: Stellt Euren Hauptrechner auf Windows 10 um und installiert dort ausschließlich Spiele und einen Virtual Machine Manager wie VirtualBox. Dann könnt Ihr nach belieben zocken und mit einem virtuellen Ubuntu, Mint, Debian oder Was-auch-immer-Linux vernünftig arbeiten.
In meinem Fall wird es wohl auf etwas in der Art hinauslaufen, da ich aus beruflichen Gründen sowohl Linuxe als auch Windows brauche und zum Zocken keinen zweiten Rechner anwerfen will. Andererseits: Spätestens im Januar ist eh ein neuer Rechner fällig, dann gibt's eben zum Testen einen Linux-Tower, einen Win-7-Tower, einen Win-10-Tower, dazu zwei Linux-Laptops und als Hauptrechner einen Win-10-plus-Ubuntu-Arbeits-VM-Tower ...
Vielleicht laufen Spiele dann endlich auch komplett aus der Cloud, dann reicht mir mein alter Rechner mit Debian vermutlich für den Rest meines Lebens. Ein 2019er High-End-PC mit Debian und LXDE - das hätte das zeitliche Potenzial der Stones.