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iPad Pro 10,5: Erfahrungen nach 8 Wochen Dauereinsatz

Wow, was habe ich auf das Gerät gewartet. Endlich ein iPad – und vor allem ein iOS – mit dem ich arbeiten kann. Allerdings war mir das iPad Pro 10,5″ in der Ausführung, die ich gerne gehabt hätte (256 GB LTE) vom Start weg zu teuer, weshalb ich erstmal abwartete. Ende Juni 2017 hielt ich das Gerät dann Dank eines Rakuten-Gutscheins endlich in den Händen, den bekloppten Apple Pencil habe ich mir gleich noch dazu gegönnt, außerdem eine Kavaj-Echtledertasche. Seither sind acht Wochen ins Land gezogen – und ich möchte Euch meinen kleinen iPad Pro Erfahrungsbericht präsentieren.

Mit iOS 11 rockt die Kiste

Vorneweg: Ich habe das iPad Pro 10,5″ direkt mit der iOS-11-Beta ausgestattet. Warum? Nun: Eigentlich hatte ich mir geschworen, kein iPad mehr zu kaufen, zumindest nicht, solange iOS derart eingeschränkt ist. Mit iOS 11 ist das deutlich besser geworden – und mit der aktuellen Betaversion 6 läuft es auch endlich, wie es laufen soll. So gibt es echtes Multitasking, Drag & Drop und vor allem die Files-App, die allerdings noch weit davon entfernt ist, ein Finder- oder Explorer-Ersatz für das iPad zu sein. Schön und gut: Mit iOS 11 und der extrem leistungsstarken Hardware, auf die ich nicht mehr weiter eingehen will, ist das iPad Pro 10,5″ definitiv das beste iPad, das es je gab.
Dummerweise ist es nach wie vor ein iPad.

Das iPad Pro könnte so toll sein...
Das iPad Pro könnte so toll sein…

Zeichnen ist klasse

Stift, Tasche, iPad Pro: Ich war bereit, meinen gesamten kreativen Input in das Teil fließen zu lassen, ganz intuitiv, wie Apple das immer bewirbt. Und tatsächlich: Malen und Zeichnen mit dem Pencil ist einfach genial, einzig: Es mangelt mir an Talent. Trotzdem habe ich mir die beiden Apps Procreate und Graphic zugelegt – Übung macht bekanntlich den Meister. Letzere ist ein Vektor-Zeichenprogramm, das auch untalentierten Zitterfingern wie mir die Chance gibt, schnelle Erfolge zu erzielen. Tatsächlich habe ich seither eine ganze Reihe unserer Tuto-Typen fabriziert – und das macht wirklich Spaß! Den Pencil braucht man in der App allerdings nicht wirklich. Aber gut: In dieser Hinsicht gab es bei mir einen deutlichen Produktivitätsschub und das olle, aufgrund mangelhafter Hand-Auge-Koordination ungenutzte Wacom-Tablet ist obsolet. Genial und unverzichtbar für alle, die gerne am Rechner zeichnen – und durch die integrierte OCR-Handschrifterkennung inzwischen sogar leidlich gut für den Einsatz als papierloses Büro geeignet.

Zeichnen mit dem Pencil am iPad macht Spaß – dank der Apps Graphic und Procreate
Zeichnen mit dem Pencil am iPad macht Spaß – dank der Apps Graphic und Procreate

Arbeiten? Mehr so böööp

Doch wie steht es mit dem produktiven Arbeiten? Meine Arbeit besteht darin, Texte zu schreiben, Bilder zu bearbeiten und den ganzen Schlomp dann als ZIP-File an meine Auftraggeber zu schicken. Oder hier Tutos zu schreiben. Mit dem iPad Pro ist das mehr so… naja. Es mag an meiner Arbeitsweise liegen, aber trotz iOS 11 und der ganzen Power des Geräts, des tollen Bildschirms und so weiter bleiben vier alte Themen, die ich mit dem Gesamtkonzept iPad immer hatte und offensichtlich auch bis auf’s Weitere werde haben müssen:

  • Erstens fehlt mir nach wie vor die Maus oder das Trackpad. Wer jemals versucht hat, am iPad einen Textschnipsel schnell auf dem Touchscreen auszuschneiden und an andere Stelle zu kopieren, weiß, was ich meine: Man rastet aus. Buchstäblich. So fummelig ist das. Mit einer externen Tastatur geht das besser, ist aber trotzdem nicht meine Art, zu arbeiten und damit nicht intuitiv. Klar nutze ich die Tastatur-Shortcuts für iOS 11, doch Apples zwanghafter Verzicht auf eine Mausunterstützung wirkt, als wäre man amputiert. Denn nur, weil man seine Füße (oder manche Leute ihren Kopf…) nicht immer nutzt, heißt das ja nicht, dass die weg können. Das scheint aber die Logik hinter manchen Apple-Designentscheidungen zu sein.
    Die Wordpress-App ist OK – aber eingeschränkt.
    Die Wordpress-App ist OK – aber eingeschränkt.
  • Zweitens ist iOS auch in Version 11 noch in vielerlei Hinsicht beschränkt. Zip-Funktionen im „Finder“ Files-App? Nope. Und auch die zentrale Anlaufstelle für Dateien fehlt derzeit noch in diesem „Dateimanager“: Man tippt sich nach wie vor durch irgendwelche App-Strukturen, obwohl eigentlich ein zentraler Benutzerordner mit der üblichen Hierarchie Dokumente-Bilder-Musik-Filme sinnvoll wäre. Nervig. Und ärgerlich. Denn eine wirklich sinnvolle Ordnung aller Dokumente ist damit kaum möglich.
    Die Files-App verspricht viel, kann aber wenig.
    Die Files-App verspricht viel, kann aber wenig.
  • Woraus sich direkt das dritte Problem ergibt: Apples Basis-iCloud-Speicher für Backups ist mit fünf Gigabyte alles andere als ausreichend, wenn man viele Dokumente besitzt. Zwar lässt sich das Problem per iCloud-Speicher-Upgrade lösen, doch besser wäre doch, wenn sich Backups auch ohne Rechner und Cloud auf einer externen Festplatte erstellen ließen oder Daten auf diese Weise auslagern, verwalten oder sichern ließen. Geht aber trotz Files-App nicht, nicht einmal Netzwerkfreigaben, FTP-Server oder WebDAVs können (Stand: Beta 6) angesprochen werden.
    Es ist ja nett, dass es die iCloud gibt. Alternativen wären aber wünschenswert.
    Es ist ja nett, dass es die iCloud gibt. Alternativen wären aber wünschenswert.
  • Und viertens ist die Bedienung in vielerlei Hinsicht nach wie vor umständlich: Allein das Gefummel, das nötig ist, um zwei Apps nebeneinander anzuzeigen, ist weit davon entfernt, logisch oder intuitiv zu sein. Dieses Problem – meiner Ansicht nach eine Folge des immer weitergehenden Aufrüstens eines Mobilbetriebssystems – zieht sich durch die ganze iPad-Bedienung. Zentrales Austauschwerkzeug ist nach wie vor der Teilen-Dialog, und der ist inzwischen doch erheblich überfrachtet.
    Der Teilen-Dialog ist inzwischen völlig überfrachtet.
    Der Teilen-Dialog ist inzwischen völlig überfrachtet.

Kleinliche Beschränkungen

Hinzu kommen kleinliche Beschränkungen, die Apple partout nicht ändern will: Die Musik-App erlaubt kein Einpflegen neuer Songs außer aus dem iTunes-Store, Drucker werden nur mit AirPrint unterstützt, der Medienaustausch vom Rechner zum iPad benötigt fast zwingend iTunes oder Apple-Cloudlösungen… Alles Dinge, die nach wie vor verhindern, dass das iPad Pro als echter Notebook-Ersatz eingesetzt werden kann. Im Gegensatz zu zum Beispiel Microsofts Surface, das den umgekehrten Weg geht, mit Windows 10 deutlich flexibler, aber dafür eben auch deutlich mieser zu bedienen ist.

Die Musik-App ist weit davon entfernt, ein iTunes zu sein – leider.
Die Musik-App ist weit davon entfernt, ein iTunes zu sein – leider.

Zum Arbeiten für mich nicht geeignet

Und so sitze ich hier mit meinem iPad Pro 10,5″ mit 256 Gigabyte und LTE zum Preis eines Mittelklasse-Notebooks und schreibe diesen Text an meinem Mac. Denn die Wordpress-App für iOS ist kein wirklicher Ersatz für die Weboberfläche des Blog-Systems.
Die aber ist auf dem iPad, Pro oder nicht, einfach nur unfassbar schlecht zum Schreiben geeignet. Weil die Maus fehlt. Und so beißt sich die Katze irgendwie in den Schwanz. Ja, ich rufe es in die Welt heraus: Schreiben am iPad ist nach wie vor eine Qual, wenn man häufig Textschnipsel ändert oder umkopiert. Und damit ist das „Pro“ als Arbeitsgerät für meine Art der Anwendung leider gänzlich ungeeignet. Zumal auch andere Dinge, etwa das Anschließen von USB-Peripherie, die Verwendung an einer Dockingstation oder das Hochfahren einer virtuellen Maschine (noch) nicht möglich sind. Dadurch disqualifiziert sich das iPad als Standalone-Rechner. Und erfüllt für mich damit nicht den Pro-Anspruch, den Apple so gerne bewirbt. Das ist fast metaphorisch für das Gesamtkonzept iPad: Vieles geht, vieles nicht, aber fast alles geht besser an einem normalen Rechner.

Pages am iPad: Brauchbar, aber nicht für mich geeignet.
Pages am iPad: Brauchbar, aber nicht für mich geeignet.

Für alles andere ist es super

Trotzdem will ich es nicht mehr missen. Es ist inzwischen tatsächlich mein meist genutztes Device. Das iPhone ist Taschen-iPad und halt Telefon, der Mac ist Arbeitsgerät. Für alles andere benutze ich das iPad Pro, weil es wunderbar handlich ist, einen hervorragenden Bildschirm besitzt und ausgesprochen flott ist. Auch Tippen auf dem Bildschirm ist dank der neuen iOS-11-Tastatur mit Wischgeste und durch das größere Display problemlos möglich – solange es sich um Chats, Facebook-Postings oder andere Kleinigkeiten handelt. Wirklich gut ist, dass Apple das olle Airdrop endlich in den Griff gekriegt hat: Die Funktion ist unter iOS 11 permanent aktiviert, kann aber in den Einstellungen ausgeschaltet werden. Und, gepriesen sei der heilige Steve, nach sage und schreibe fünf (!) Major-Versionen von iOS funktioniert es endlich, wie es soll. Was den Dateiaustausch im Apple-Ökosystem, aber eben auch nur da, deutlich erleichtert.

Der iOS-11-Homescreen – das nützlichste iOS aller Zeiten, aber eben immer noch ein iOS.
Der iOS-11-Homescreen – das nützlichste iOS aller Zeiten, aber eben immer noch ein iOS.

Fazit: Leider kein Pro-Gerät…

Zusammenfassend muss ich leider feststellen, dass selbst einfache Tasks meiner täglichen Arbeitswelt mit dem iPad Pro 10,5″ nur unter Schmerzen zu bewerkstelligen sind. Es geht, aber ist in vielen Fällen einfach unnötig komplex, aller Neuerungen von iOS 11 zum Trotz. Ich würde mir wünschen, dass Apple iOS endlich zu einem vollwertigen Betriebssystem macht. Oder, besser noch, direkt MacOS mit einer anständigen Mobile-GUI ausstattet und einfach auch auf den iPads vorinstalliert. Dann wäre das iPad Pro ein wirkliches Pro-Gerät, wäre vieles einfacher: Das olle Geraffel mit zahlreichen Rechnern, Cloud-Diensten und Adaptern hätte ein Ende, ich könnte das iPad in eine Dockingstation hängen und wie aktuell mein Macbook mit Monitor, Tastatur und Maus sowie USB-Geräten und beliebigen Netzwerkfreigaben nutzen und jede Software laufen lassen, die ich möchte.

Macbook oder iPad Pro? Keine Frage: Beides!
Macbook oder iPad Pro? Keine Frage: Beides!

… aber ein unfassbar gutes iPad

Aller Meckerei zum Trotz endet mein iPad Pro Erfahrungsbericht nun aber positiv: Als iPad, also als Tablet-Rechner, ist das iPad Pro tadellos: Man kann dank iOS 11 deutlich mehr damit machen als noch mit älteren iPad- oder iOS-Versionen. Es ist rasant, es hat eine tolle Haptik, einen nahezu perfekten Bildschirm, guten Sound, geniale Apps und reihenweise praktische Funktionen. Das iPad Pro 10,5″ ist ein tolles iPad. Aber es bleibt wegen iOS eben ein iPad und damit der ewige Zweitrechner, der auch in der inzwischen 8. (?) Hardware- und 11. Software-Version immer noch einen PC oder Mac voraussetzt.

Alle, die einen Notebook-Ersatz suchen, muss ich deshalb enttäuschen: Wenn Ihr ein Gerät für die Uni oder als Hauptrechner sucht, spart Euch das Geld für das dicke Pro, kauft Euch von dem Geld lieber ein günstiges gebrauchtes Macbook Air oder Pro und dazu ein iPad Air 2 oder das aktuelle iPad ohne Pro – außer der Stift-Unterstützung dürftet Ihr nichts vermissen. Falls Ihr überhaupt ein iPad braucht, denn nach wie vor geht das meiste, was am iPad möglich ist, auch auf dem Mac – nur eben deutlich einfacher.

Christian Rentrop

Diplom-Journalist, Baujahr 1979. Erste Gehversuche 1986 am Schneider CPC. 1997 ging es online. Seither als Schreiberling in Totholzwäldern und auf digitalen Highways unterwegs. Öfter auch auf der Vespa oder mit dem Wohnwagen unterwegs. Seit 2020 Tochtervater, dementsprechend immer sehr froh über eine kleine Kaffeespende.

3 Kommentare

  1. Bin ein super Fan von allen Apple Produkte. Finde die Marke einfach toll und würde mir immer wider dort was kaufen

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