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iPhone 11 im ehrlichen Test: Lohnt sich das Upgrade?

Wir haben das iPhone 11 besorgt und uns genau angeschaut. Das Gerät ist ziemlich gut – ein Umstiegsgrund von älteren iPhones fehlte uns jedoch.

OK, liebe Leser. Ich musste dann doch dem Kommerz huldigen. Das iPhone 11 mit 128 Gigabyte in knallrot ist vor einer Woche angekommen. Und nein: Wir bei Tutonaut bekommen schon lange nichts mehr von Apple, weil wir nicht zur Jubelpresse gehören. Stattdessen habe ich mein neues iPhones aus Überzeugung gekauft. Und aus dem tiefen Wunsch heraus, das olle iPhone 6S mal endlich zu ersetzen. Jetzt, nach ein paar Tagen Praxiseinsatz, möchte ich Euch an meinen Erfahrungen teilhaben lassen. Vorneweg: BRAUCHEN tut man das nicht. Aber man braucht halt auch so vieles nicht.

Was für ein Riesenviech

Das iPhone 11 also. Nun: Beim Auspacken war ich zunächst entsetzt, was für ein Brocken das Gerät ist. Mein altes iPhone 6S ist federleicht, schlank und mit seinem 4,7″-Display auch recht klein. Und daneben liegt dieser 6,1″-Brecher, der noch dazu dicker ist und einen ganzen Mars-Riegel mehr wiegt. Daran muss ich mich gewöhnen, zumal das Viech nur mit Ach und Krach in die hintere rechte Jeanstasche passt. Zu meiner Zeit wurden Handys immer kleiner, schön zu sehen im Film Zoolander. Das ist heute nicht mehr so: Groß ist das neue klein – und 6,1 Zoll sind schon eine Ansage. Zumindest für jemanden wie mich, der aus guten Gründen bisher auf Plus- und Max-Varianten verzichtet hat. Zumal die Ränder des Displays unnötig breit sind, was zusätzlich aufträgt.

Haptik irritiert zunächst

Ebenfalls zunächst irritierend: Das iPhone 11 ist vorne und hinten mit Gorilla-Glas ausgestattet. Das ist solide und gut, aber fühlt sich im Direktvergleich mit einem Alu-iPhone wie dem 6S etwas „billig“ an: Das Glas ist warm und nicht kalt, was eine plastikartige Haptik verursacht. Das war aber nur der erste Eindruck, nach wenigen Minuten hatte ich mich an das neue Gefühl in der Hand gewöhnt. Schön: Das Gerät ist nicht so rutschig, wie man vermuten würde. Ansonsten ist das Design hübsch, wenn auch etwas altbacken, insofern: Gewohnte iPhone-Qualität, da gibt es nichts zu meckern.

iPhone halt.
iPhone halt.

iPhone 11 in der Praxis: Kamera top, aber keine 800 Euro wert

Wie ich schon mehrfach schilderte, ist ja vor allem die Kamera ein Entscheidungsgrund für einen neuen Taschencomputer. Und ehrlich: Die reguläre 26mm-Weitwinkel-Linse rockt! Die Bildqualität, die Farben und das Rauschverhalten sind um Längen besser als bei meinem iPhone 6S – und auch besser als bei dem iPhone X, das ich mal zwischendurch hatte und dann wegen der mangelhaften Kameraqualität wieder habe zurückgehen lassen.

Der Nachtmodus ist top: Das Bild wurde bei schlechtem Licht aus der Hüfte geschossen.
Der Nachtmodus ist top: Das Bild wurde bei schlechtem Licht aus der Hüfte geschossen.

Das Nightmode-Feature funktioniert nahtlos und bringt auch bei relativ schlechtem Licht erstaunliche Ergebnisse hervor. Nicht so doll ist, wie ich bereits prognostizierte, die 13mm-Ultraweitwinkel-Linse. Die ist zwar gut für Innenräume und kreative Fotos, allerdings sollte die Beleuchtung stimmen. Denn die recht kleine Blendenöffnung von f=2.4 erweist sich bei schlechtem Licht dann doch wie erwartet als Rauschfabrik – zumal sie den Nachtmodus nicht unterstützt! Und die Ränder zerfasern doch recht arg. Der bei Nahaufnahmen interessante Fischaugen-Effekt zeigt bei Landschaftsaufnahmen deutliche Verzerrungen: Runde Objekte am Bildrand werden zu Ovalen.

Weitwinkel: Bei gutem Licht ergeben sich tolle Aufnahmen.
Weitwinkel: Bei gutem Licht ergeben sich tolle Aufnahmen.

Positiv hervorzuheben ist allerdings, dass die Fotos der regulären 26mm-Kamera deutlich besser sind als alles, was ich beim iPhone 6S produziert habe. Und dass das iPhone 11 für ein Smartphone wirklich hervorragende Fotos macht. Kurzum: In Sachen Kamera lohnt sich der Umstieg von älteren iPhones allemal, sofern man viel mit dem Gerät fotografiert und auf andere Kameras verzichten will. Zwar hätte ich persönlich lieber ein Tele als ein Ultraweitwinkel zur Hand, aber im täglichen Gebrauch entpuppt sich das Ultraweitwinkel als nützliches Zusatzfeature.

Gleicher Standort, links Standard, rechts ultraweit.
Gleicher Standort, links Standard, rechts ultraweit.

Allerdings sollte jeder Hobbyfotograf wissen, dass das iPhone eben auch nur ein Smartphone ist. Die Kamerasensoren sind winzig, die Linsen auch. Die Bildqualität wird durch massive Software-Trickserei erzeugt, wodurch den Bildern wie bei allen Smartphone-Fotos die Tiefe fehlt. Das Bokeh wird im Porträtmodus wird zum Beispiel ebenfalls per Software erzeugt und hat arge Probleme mit Brillen und Haaren. Wer nur besser fotografieren will, greift also besser zur System- oder Spiegelreflex-Kamera: Die macht selbst als Einsteiger-Modell für einen Bruchteil der 800 Euro nach wie vor deutlich bessere Fotos. Und das wird auch auf lange Sicht so bleiben. Anders sieht es aus, wenn man die Kamera für Videos nutzt: Zumindest nichtprofessionellen Camcordern kann sie ohne Weiteres das Wasser reichen. Insgesamt hat das iPhone 11 aber die beste Smartphone-Kamera, die ich bisher in den Händen hatte.

Der Porträtmodus funktioniert gut, hat aber mit Haaren und Brillen Schwierigkeiten.
Der Porträtmodus funktioniert gut, hat aber mit Haaren und Brillen Schwierigkeiten.

Das Display reicht völlig aus

Kommen wir zum Display: Das ist ja letztlich der Hauptunterschied zum iPhone 11 Pro. Und wenn ich ehrlich bin, sehe ich da nur mit bösem Willen einen Unterschied. Klar: Auf dem Papier gibt es das dolle Kontrastverhältnis des OLED-Bildschirms, gegen das das „Liquid Retina-Display“ des iPhone 11 theoretisch nicht anstinken kann: Viel weniger Auflösung, viel weniger Kontrast. Aber! Obwohl ich ein Display-Fetischist bin, reicht mir das völlig aus. Ich würde sogar so weit gehen, dass man den Unterschied nur sieht, wenn man beide Geräte nebeneinander hält.

Das Display ist völlig in Ordnung.
Das Display ist völlig in Ordnung.

Letztlich ist die OLED-Technik aber besser, die Pixel leuchten für sich, während LCD eine Hintergrundbeleuchtung braucht. Die man auch sieht und die vermutlich der einzige deutliche Unterschied ist. Natürlich wäre es ein feiner Zug von Apple gewesen, die Pro-Modelle nicht ausgerechnet per Display-Qualität abzugrenzen. Doch in der Praxis macht das vermutlich nur für einen Bruchteil der User einen Unterschied. Ich jedenfalls mag das Display: Es ist groß, hell und man sieht keine Pixel – der Rest ist Angeberei.

Tonqualität gigantisch

Deutlicher ist der Unterschied bei der Audiotechnik: Im Direktvergleich mit dem iPhone 6S wird deutlich, welche Fortschritte Apple an dieser Stelle gemacht hat. Der Sound der internen Lautsprecher ist laut und kristallklar, auch per Kopfhörer oder CarPlay liegen Welten zwischen beiden Geräten. Leider liegt dem iPhone 11 wie schon dem Xr und Xs kein Klinkenadapter für alte Kopfhörer mehr bei, was ich sehr ärgerlich finde. Das Teil kostet nichts und wäre wirklich ein nettes Goodie. Den Adapter separat kaufen zu müssen, ist eigentlich eine Unverschämtheit gegenüber dem Kunden.

iPhone 11: Die Tonqualität ist hervorragend.
iPhone 11: Die Tonqualität ist hervorragend.

Das iPhone 11 ist flott, aber…

Kommen wir zu den Funktionen: Face-ID ist wohl die augenscheinlichste, und die Gesichtserkennung funktioniert tadellos und flott. Vorbei die Zeiten, in denen ich am Handy rumfummelte, bis ich endlich den Daumen auf dem Sensor hatte. Das war es aber dann auch schon mit den augenscheinlichen Neuerungen. Klar: Das Ding ist flotter, hat mehr Speicher und natürlich bessere Foto- und Videoqualität. Aber ehrlich: Gegenüber dem 6S ist die Verbesserung doch erstaunlich gering. De facto kann das iPhone 11 nicht viel mehr als mein altes Gerät, der hohe Preis ist also in dieser Hinsicht kaum zu rechtfertigen. Zumal die GUI von iOS 13 auch auf Altgeräten wunderbar rund läuft. Das Bisschen mehr Videoqualität mag den ein oder anderen anfixen. Was mich persönlich aber regelrecht ärgert, ist, dass die Slow-Motion-Funktion der Rückenkamera nach wie vor nur 1080p kann. Und wo wir gerade dabei sind: Slofies mit der Frontkamera sind, genau wie die ollen Animojis, Blödsinn und definitiv kein Grund für einen Umstieg.

Erstaunlich wenig Verbesserungen

Und so gibt es dann beim iPhone 11 auch erstaunlich wenig gute Argumente, ein iPhone wie das 6S auf’s Altenteil zu schicken. Zwischen beiden Geräten liegen fünf Prozessorgenerationen, der RAM hat sich verdoppelt und das ganze Gerät ist dicker, schwerer und leistungsstärker geworden. Kurioserweise spielt das in der Praxis keine Rolle: Selbst wenn ich das iPhone 6S nach ein paar Tagen mit dem 11er wieder in die Hand nehme, bin ich erstaunt, wie flott und leicht das Gerät mit iOS 13 noch ist. Kein Vergleich zu den Zeiten, in denen man mit jedem iOS-Update um seine Performance fürchten musste.

Hervorragende Akkulaufzeit

Ein Gerät wie das 6S könnte noch eine ganze Weile gut sein – würde Apple dem nicht mit dem künftigen iOS 14 (vermutlich) einen Riegel vorschieben. Außer den Kameras, dem größeren Display, dem besseren Sound, Face-ID und der Blödsinns-Funktionen wie Slofie und Animoji gibt es aus meiner Sicht eigentlich keinen wirklich guten Grund, von einem Modell der 6S-Generation oder neuer auf die aktuelle iPhone-Generation umzusteigen. Denn auch das 6S war (und ist!) ein gutes Smartphone. Die Argumente schwinden zusätzlich mit jeder weiteren iPhone-Generation. Ein Argument für den Umstieg gibt es aber dann doch: Die Akkulaufzeit ist beim iPhone 11 nämlich exorbitant besser als beim 6S, vor allem, wenn das Bluetooth-Modul an ist. Das lutscht das 6S regelrecht leer, beim iPhone 11 stört es kaum.

Der Akku hält eine gefühlte Ewigkeit.
Der Akku hält eine gefühlte Ewigkeit.

Warum ich das iPhone 11 trotzdem behalten werde

Letztlich ist der Umstieg im Anbetracht der doch relativ geringen Verbesserungen Käse. Übrigens ein Problem, mit dem der ganze Smartphone-Markt derzeit zu kämpfen hat, nicht nur Apple. Aber ich behalte das iPhone 11 trotzdem. Warum? Weil es mir einfach gut gefällt, mein altes 6S total verbeult ist und ich mal mir mal wieder ein neues iPhone gönnen will. Letztlich ist das aber weniger ein Technik- als ein Luxusproblem.
Hauptargument für das neue 11er ist für mich vor allem der Speicher: Dank 128 Gigabyte passt endlich meine ganze iTunes-Mediathek drauf. Nicht so recht anfreunden kann ich mich übrigens mit dem Formfaktor und dem großen Bildschirm: Trotz großer Hände ist die Einhand-Bedienung nahezu unmöglich. Dafür ist das größere Display natürlich wunderbar zum Lesen unterwegs geeignet: Der Kindle und das iPad können jetzt viel öfter zuhause bleiben.

Fazit: Ein gutes iPhone. Punkt.

Unter dem Strich halte ich das iPhone 11 für ein sehr gutes Gerät. Es ist leistungsstark, besitzt eine gute Kamera und ein brauchbares Display. Der Formfaktor ist Geschmackssache, genau wie das Design. Technisch und haptisch gibt es nichts zu meckern. Am Preis allerdings schon: Premium hin oder her, 100-150 Euro weniger hätten es über die gesamte iPhone-Palette auch getan. Dann wäre das 11er auch ein echter No-Brainer. Zum von Apple veranschlagten Preis fällt die Rechtfertigung schon schwerer. Letztlich bleiben als Argumente für das 11er-iPhone:

  • Die (nicht so gute) zusätzliche Ultraweitwinkel-Kamera.
  • Die hervorragende Qualität der normalen Kamera.
  • Die lange Akkulaufzeit
  • Face-ID statt Touch-ID
  • Das helle, große Display
  • Die gute Soundqualität

Kaufen oder nicht?

Wirklich sinnvoll ist das Upgrade also nur, wenn Ihr noch ein Gerät besitzt, das jetzt nicht mehr mit iOS-Updates versorgt wird. Oder wenn Ihr sowieso kostengünstig ein neues Gerät mit Eurem Handyvertrag bekommt. In den meisten anderen Fällen empfehle ich, entweder beim Altgerät zu bleiben – oder iPhone Xr und iPhone 8 genauer anzuschauen: Beide Geräte sind gute (und preiswertere) Alternativen, bei denen Ihr letztlich nur auf den Ultraweitwinkel verzichten müsst. Die bei iPhone Xr und 8 verbaute Standard-Weitwinkel-Kamera ist nämlich auch ziemlich gut und wesentlich besser als bei den Vorgängern.

Wer noch hadert, sollte also lieber abwarten. Den Gerüchtequellen ist zu entnehmen, dass es im kommenden Jahr ein dickes Redesign und ein iPhone SE 2 geben wird. Vermutlich wird Apple dann auch noch einmal den Preis senken, denn diese hohen Preise sind inzwischen im Smartphone-Segment durch nichts mehr zu rechtfertigen. Wenn Ihr 800 Euro übrig habt, die Euch in der Tasche jucken, könnt Ihr aber bedenkenlos zuschlagen. Ein gutes iPhone ist das iPhone 11 nämlich allemal.

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Christian Rentrop

Diplom-Journalist, Baujahr 1979. Erste Gehversuche 1986 am Schneider CPC. 1997 ging es online. Seither als Schreiberling in Totholzwäldern und auf digitalen Highways unterwegs. Öfter auch auf der Vespa oder mit dem Wohnwagen unterwegs. Seit 2020 Tochtervater, dementsprechend immer sehr froh über eine kleine Kaffeespende.

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