Macbook Air M1 im Praxistest: Mac to the roots
Das Macbook Air M1 ist der erste wirklich echte Mac und dabei auch noch ein hervorragendes Produkt. Allerdings gibt es auch Kritikpunkte.
Es ist schon seltsam: Da halte ich ein 2021er-Macbook Air in der Hand, das meinem 2018er MacBook Air wie ein Ei dem anderen gleicht. Und trotzdem ist alles anders. Das 2018 als hervorragende Neuheit von mir gefeierte Intel-Air mit Retina-Display ist nämlich ausgesprochen schlecht gealtert: Es hat nur zwei Jahre gedauert, um das ohnehin schon schwache Gerät in einen Föhn mit geringer Akkulaufzeit trotz guter Kapazität zu verwandeln. Das aktuelle MacBook Air mit M1-ARM-CPU wirkt schon deshalb wie aus einer anderen Welt: Endlich wieder ein Mac, der diesen Namen auch verdient!
Intel war nie erste Wahl
Aber fangen wir von vorne an, dafür ein kleiner Schritt in die Vergangenheit: Als Apple 2005 von IBMs PowerPCs auf Intel umstieg, war ich zwiegespalten. Einerseits gab der Umstieg einen enormen Leistungsschub, andererseits wurde der Mac-Plattform durch die Windows-Kompatibilität irgendwie die Exklusivität geraubt. Plötzlich wollten alle MAcs haben, weil man da ja Windows drauf installieren konnte. Gut für Apple, gut für alle, die den Umstieg wagten, aber irgendwie auch seltsam: Der Mac war jetzt ein schicker PC mit einem exklusiven Betriebssystem, mehr nicht.
Das fand ich irgendwie schade – zumal ich die Intel-Plattform aus verschiedenen Gründen nie so recht leiden mochte. Einer davon ist, dass im Kern jedes modernen intel-kompatiblen noch der Ur-Prozessor 8086 und alle Vorgänger seit 1978 stecken. Wirklich effizient ist das nicht. Da waren seinerzeit PowerPC und heute ARM als reine RISC-Prozessoren deutlich besser aufgestellt. Fakt ist, dass Apple nicht zu Intel wechselte, weil die Prozessoren so gut waren – sondern weil IBMs PowerPC-Prozessoren immer schlechter mithalten konnten.
Macbook Air M1: Der erste richtig echte Mac
Allerdings war Apples Philosophie ja schon immer, alles möglichst aus einer Hand anzubieten. Das gelang recht früh beim iPhone: Mit dem iPhone 4 konnte Apple erstmals eigene Prozessoren einbauen. Hardware und Software kamen aus einer Hand. Das war beim iPad sogar von Anfang an so und vermutlich auch einer der Grüne, warum sich das Tablet bis heute gegen alle Mitbewerber durchsetzen konnte: Hard- und Software aus einer Hand bedeutet auch, dass Apple CPU und Funktionen exakt aufeinander abstimmen kann. Unnötiger Overhead oder das Warten auf die Entwicklungsschritte eines Zulieferers entfallen, wodurch ein weitestgehend perfekter Computer entsteht.
Es war also nur logisch, dass Apple früher oder später auch den Mac auf die hauseigenen ARM-Prozessoren umziehen würde. Bezogen auf Apples Firmenphilosophie ist das Macbook Air M1 – wie seine Geschwister Macbook Pro M1 und Mac Mini M1 – damit im Grunde der erste wirklich echte Mac: Ein Computer, dessen Kernkomponenten vollständig von Apple geliefert werden! Bei allen Macs zuvor waren entweder Intel, IBM oder Motorola die Prozessor-Lieferanten.
Macbook Air M1 in der Praxis: Supersnappy
Doch zurück zum Macbook Air: Dass die Entscheidung, den Mac mit dem hauseigenen M1-ARM-Prozessor auszustatten, eine kluger Schritt war, merkt man bereits, wenn man das Gerät das erste Mal startet. Genauer gesagt startet es sich beim Aufklappen selbst und ist sofort da – Apple hat hier definitiv nicht zuviel versprochen. Die Einrichtung ist ein Kinderspiel und schnell erledigt: Um technischen Overhead zu vermeiden, entschied ich mich, das neue Gerät neu aufzusetzen und kein Time-Machine-Backup des 2018ers einzuspielen. Als Zweitrechner war das Air ohnehin weitestgehend mit der iCloud vernetzt – wichtige Daten habe ich hier nicht gelagert. Die Einrichtung ist identisch mit der bei den Intel-Macbooks, der einzige Unterschied ist die enorme "Snappyness": Man merkt bei vielen Schritten praktisch keine Verzögerung mehr, wo sich Intel-Macs zum Teil einige deutliche Bedenksekunden genehmigen.
Das Display ist um Welten besser
Besonders bemerkenswert finde ich beim neuen Macbook Air M1 übrigens das Display: Mit dem 2018er-Display habe ich immer gefremdelt, weil es mangels sRGB-Unterstützung und TrueTone-Funktion doch verglichen mit meinem iPad Pro, iPhone 11 oder auch dem iMac Pro irgendwie farblos und düster wirkte. So, als litte man an grauem Star. Das Problem ist mit dem neuen Air beseitigt: Das Display unterstützt den großen P3-Farbraum, die TrueTone-Funktion passt die Farben automatisch an die Beleuchtung an und auch die Helligkeit ist deutlich gewachsen. Die 400 Nits hatte Apple beim 2018er "nachgeliefert", es waren ursprünglich nur 300 Nits. Das 400-Nits Display des Macbook Air M1 ist in den meisten Anzeigesituationen völlig ausreichend, Bildbearbeitung macht hier endlich Spaß und vor allem ermüdet es nicht mehr so, wie es beim 2018er der Fall war. Übrigens: Auch der Sound ist ohne Tadel.
Endlich wieder Scherenmechanismus
Das gleiche gilt auch für die Tastatur: Die besitzt wieder den guten, alten Scherenmechanismus, wie ihn Apple bis 2016 eigentlich überall verbaut hat. Dadurch wird das Air geringfügig dicker, dafür ist das Schreibgefühl um Längen besser. Ich für meinen Teil schreibe wieder gerne am Macbook Air, so auch diesen Beitrag. Das war mit der sehr flachen Butterfly-Tastatur nie der Fall, auch wenn ich in technischer Hinsicht nie Probleme mit diesem Keyboard hatte. Nicht so schön ist allerdings, dass Apple die Steuerung der Tastaturbeleuchtung von der Tastatur genommen hat. Diese wird jetzt automatisch vom System geregelt, ist meiner Ansicht nach aber oft zu hell. Immerhin kann sie aber über die Menüzeile und das neue Kontrollzentrum auch manuell eingestellt werden. Am Schreibgefühl ändert das nichts: Das Macbook Air M1 ist gegenüber den Modellen mit Butterfly-Keyboard ein riesiger Fortschritt in Sachen Tastatur.
Kein Lüfter, keine Wärme
Interessant am Macbook Air M1 ist übrigens die Tatsache, dass das Gerät ohne Lüfter auskommt. Das ist zunächst verstörend: Man ist einfach gewöhnt, dass Notebooks schon bei aufwändigeren Websites mindestens leise säuseln. Das 2018er-Air hat schon beim Besuch von Spiegel Online in einem einzelnen Tab oft den Lüfter mit voller Drehzahl angeworfen. Diese Gewöhnung ging so weit, dass ich plötzlich Rauschen hörte, wo keines war – mein Gehirn hat offensichtlich das permanente Lüftergeräusch des alten Air "neutralisiert" und durch den Wegfall der Gegenwelle "hörte" ich nun einen Phantomlüfter. Diesen Effekt kenne ich bei mir schon von lauten Festplatten, aber er verlor sich nach wenigen Stunden. Ein Lüfter würde aber überhaupt nicht benötigt: Bei normalen Alltagsaufgaben wird das Air nicht einmal warm – und auch das ist erstaunlich.
Selbst mein 2017er iPad Pro strahlt manchmal mehr Wärme ab als das M1-Air – und das bei deutlich geringerer Systemlast. Gut, das Ding ist alt, dreieinhalb Jahre sind (endlich) wieder eine Computer-Unendlichkeit. Ich werde hier keine Benchmarks veröffentlichen – das können andere besser. Was ich aber sagen kann, ist, dass das Gerät trotz der geringen Wärmeabstrahlung flott bleibt, auch wenn viele Browser-Tabs offen sind oder Youtube-Videos nebenher laufen. Mit einem solchen Setup ist so manches Intel-Gerät bereits überfordert. Dabei hat das M1-Air nur 8 Gigabyte RAM, die auch für die Grafik genutzt werden. Etwas ältere Spiele sind übrigens auch kein Problem, selbst wenn sie mit Rosetta laufen.
Leistung und Akkulaufzeit beeindruckend
Kurzum: Die Leistung des Macbook Air ist erstaunlich für ein derart kompaktes Gerät. Und weil der ARM-Prozessor so ressourcenschonend agiert, konnte Apple die Akkulaufzeit gegenüber den Intel-Vorgängern deutlich erhöhen. In der Praxis sind die von Apple beworbenen 15-18 Stunden sicher kaum erreichbar. Aber das war ja schon bei den alten Macbooks so gut wie nie der Fall. Die damals beworbenen 10 Stunden liefen in der Praxis auf vielleicht vier bis fünf Stunden echte Arbeit hinaus. Diesen Wert kann das M1-Air aber bei mir effektiv verdoppeln – und so ist es tatsächlich endlich kein Problem mehr, einen ganzen Arbeitstag mit einer Akkuladung zu überstehen. Am Ende bleibt sogar noch genug Batterielaufzeit, um ein paar Youtube-Videos zu schauen. Während ich beim alten Intel-Air nervös wurde, wenn der Akku unter 50 Prozent anzeigte und schon hektisch nach einem Netzteil kramte, weil es dann oft ganz schnell ging, ist man beim M1-Air deutlich entspannter: Die Akkulaufzeit nimmt langsam und konstant ab und die Restlaufzeit lässt sich gut überschlagen.
Es gibt auch Kritikpunkte
All diesen Vorzügen zum Trotz merkt man am relativ preisgünstigen Air natürlich auch, dass Apple den Rotstift angesetzt hat: Das Air M1 hat immer noch eine überaus miese Webcam, die schon bei Tageslicht vermatschten Pixelbrei anzeigt. Dass Apple bei so einem preiswerten Bauteil spart, kann nur einen Grund haben: Man will das Air vom Pro absetzen. Ein weiterer Kritikpunkt ist sicherlich, dass derzeit keine Windows-Software per VM oder Dualboot ausgeführt werden kann. Das ging zwar mit dem alten Air, aber Freude hat das auch nicht gemacht. Insofern hält sich der Verlust für mich in Grenzen. Und wenn ich Windows für die Arbeit brauche, gehe ich eben an meinen iMac Pro. Wer Windows auf dem Mac allerdings braucht, sollte besser noch mit der Anschaffung warten. Ich nehme stark an, dass Parallels hier demnächst eine Intel-Emulation anbietet oder Microsoft sein ARM-Windows frei verkaufen wird. So oder so sind das tatsächlich die einzigen Kritikpunkte, die aus meiner Sicht gegen den Kauf eines Macbook Air M1 sprechen.
Fazit: Ein Macbook, wie ich es mir immer gewünscht habe
Ich bin zwar ein professioneller User, aber sicher keiner, der seine Computer permanent mit Spielen und Videoschnitt ans Limit treibt. Ich arbeite mit Browser, Mail, Chat und Textverarbeitung, aber genau deshalb bin ich besonders empfindlich, wenn die Kisten Radau machen. Was mich besonders ärgert, sind Geräte, die schon bei der kleinsten Last die Lüfter anschmeißen. Leider war das bei vielen Intel-Macbooks so und mein 2018er-Air war tatsächlich schon von den einfachsten Tasks am Rande eines hysterischen Lüfteranfalls. Und was mich ebenso nervt, sind Verzögerungen, etwa beim Aufwachen aus dem Ruhezustand oder beim Öffnen von Programmen. Genau diese Nerv-Faktoren hat Apple mit dem M1-Air in den Griff bekommen: Programme starten ohne Verzögerung, Dateien sind sofort da, der Rechner wacht schneller auf, als man das Display aufklappen kann. Und vor allem gibt es keinen Lüfter. Kurzum: Das Macbook Air M1 ist für mich und meine Arbeit absolut perfekt und der Rechner, auf den ich seit Jahren gewartet habe. Das beste daran ist allerdings, dass der Mac jetzt wirklich ein Mac ist – und keine teure Windows-Kiste mit einem alternativen Betriebssystem. Für Leute wie mich ist das tatsächlich ein Kaufgrund – Mac to the roots eben!