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MP3 ist tot: Wie ich 20 Jahre Download-Musik erlebt habe

Alte Zöpfe soll man abschneiden. Ich gehörte ja früher auch wie Kollege Lang zu den Leuten, die glaubten, dass man altes Technikzeug für immer weiterverwenden müsste, aber The-Holy-Apple hat mich inzwischen bekehrt. Ohne Quatsch: Alte Anschlüsse, alte Dateiformate – das muss alles weg, wenn es nicht mehr gebraucht wird. So auch MP3, dessen letzte Lizenz Ende April 2017 auslief. Natürlich ist MP3 dadurch nicht tot – offiziell aber veraltet. Das ist einerseits traurig, andererseits auch schon lange an der Zeit – denn es gibt längst bessere Formate. Doch MP3 war damals eine Revolution, an die ich mich gerne erinnere.

Es war einmal… das MP3

Mit dem Ende von MP3 endet eine 20-jährige Ära. Ich erinnere mich noch an meine ersten Audio-Experimente an meinem ersten „Multimedia-PC“, den ich damals, 1994, als designierten Nachfolger meines Amiga 500 für 2.500 Mark kaufte. Viel Geld war das damals für einen armen Schüler, und die Verwandtschaft ließ bei mir dafür gleich zweimal Weihnachten und Geburtstag ausfallen. Es war ein 486 DX 33 mit vier Megabyte RAM und einer 250-Megabyte-Festplatte, ein Tower samt 14″-Monitor, damals zusammengeschraubt vom freundlichen PC-Fritzen in Bonn-Poppelsdorf.

Das absolute Novum an dem Gerät: Es hatte ein CD-ROM-Laufwerk. CDs konnte man damit allerdings nicht hören: Ich musste mir erstmal meinen Soundblaster zusammensparen. Der wiederum musste mit dem CD-ROM verkabelt werden, damit der ganze megawattfressende Tower überhaupt wie ein CD-Player funktionieren konnte. Etwa für Spiele-Soundtracks, die damals in der CDA-Spur der CD-ROMs lagen und auch am CD-Player abgespielt werden konnten. Ich spielte schon damals mit dem Gedanken, meine CDs auf den Rechner zu kopieren. Einzig: Drei Lieder machten die Win-3.11-Festplatte voll, denn von MP3 hatte damals noch niemand gehört.

Und dann kam Napster

So blieb das dann auch eine ganze Weile, bis ich irgendwann, es muss so Ende 1997 gewesen sein, das erste Mal online ging. Natürlich legte ich ein GMX-Konto an, natürlich war ich im Unicum-Chat unterwegs, natürlich verfluchten meine Eltern mich wegen der Telefonrechnung, denn pro Online-Minute gingen 12 Pfennig durch die Leitung. Plus AOL-Gebühren. Irgendwann kam das 56K-Modem und ich besuchte eine Party, deren Gastgeber selbst die ausgefallensten Stücke sofort zur Hand hatte. Wie das ging? Er hatte damals, elternberufsbedingt, schon Breitband, wobei das damals auch nicht wirklich breit war – und Napster.

Ein ganzes Universum an Gratis-Musik tat sich auf und das damals neue MP3-Format machte es möglich. Plötzlich kam ich an Songs, die ich irgendwie mal auf MTV gehört, aber nie käuflich erwerben konnte. Denn viele CDs wurden einfach nicht in Deutschland vertrieben. Französischer, gar russischer Hip-Hop? Japanischer Punk-Rock? Türkischer Dance-Kram? Beim sonst gut sortierten Bonner Plattenhändler jedes Mal ein Krampf und in vielen Fällen unerreichbar. Mit Napster war der Kram nur noch einen Mausklick entfernt.

iTunes
Meine iTunes-Sammlung ist 11 Jahre alt. Wow.

Lausige Qualität

Es waren die späten 90er und das Unrechtsbewusstsein bezüglich Filesharing ging gegen Null. Die Musikindustrie witterte die sich anbahnende Revolution, tat aber alles, um sie zu verhindern, statt Geld aus dem neuen Standard zu schlagen. Napster war schnell weg, es folgten Kazaa und andere Börsen, doch mangels Bandbreite auf Geber- wie auf Nehmerseite war die Qualität der Downloads oft lausig. 64 KBit, oft Mono, nicht selten sogar digitalisierte Radio-Mitschnitte. Dazu war der Datenmüll auch meist völlig falsch benannt und getaggt. Ich pflegte eine Hassliebe zu den Netzwerken: Sie waren wunderbar, um Musik kennenzulernen. Doch wenn ich sie wirklich hören wollte, kaufte ich CDs, einfach weil die Qualität so viel besser war.

Um die Songs auf dem Rechner zu haben, rippte ich die CDs dann mit Audiograbber – ein Vorgang, der meinen damaligen Pentium 200 mit Windows 95 regelmäßig an die Grenzen seiner Fähigkeiten brachte. Er hatte daran ordentlich zu rechnen. Ich weiß, dass die lausige Qualität viele Andere nicht gestört hat und die Musikindustrie litt. Ich fand MP3 aber schon damals irgendwie scheiße: Selbst in bester Qualität wollte die Musik einfach nicht so klingen, wie ich sie von der CD gewohnt war. Warum? Nun: MP3 schneidet weg, was die Fraunhofer-Ingenieure für unhörbar halten und ermöglicht auf diese Weise erst die hohen Kompressionsraten von 10:1 gegenüber unkomprimiertem CD-Audio. Es war nicht unhörbar, aber eben auch nicht toll, zumal die damaligen Festplattengrößen keine Hochqualitätskodierung von 256 KBit und mehr erlaubten.

Stream
Heute wird gestreamt statt gerippt. Was irgendwie schade ist.

Zurück auf Minidisc

Und dann war da noch ein anderes Problem: Es gab einfach keine vernünftigen MP3-Player. Die ersten Modelle dieser Art, Rio und Co., hatten lausige Speichergrößen und die damals zur Erweiterung nötigen Smart-Media-Karten waren auch sauteuer. Deshalb überspielte ich meinen MP3-Kram immer auf Minidisc, den mobilen Player steckte ich an die Stereoanlage oder im Auto per Kassetten-Adapter an. Die lausige Qualität könnt Ihr Euch vorstellen. Zumal auch Sony, Erfinder der Minidisc und Protagonist in der Musikbranche, das Potential seiner Technik im MP3-Zeitalter nicht erkannte: Minidisk-Player mit MP3-Funktion kamen sehr spät und leider auch noch mit einem sperrigen eigenen Codec namens Atrac, in das die MP3s erst umgewandelt werden mussten. Klar: CD-Brenner gab es dann auch, aber die waren langsam – und kein Endgerät unterstützte MP3. Man musste also Audio-CDs brennen, was ja auch irgendwie Quatsch war. Aber wenn man um die Jahrtausendwende mit MP3s hantierte, war das eben so, denn die Industrie fand MP3 scheiße und wollte sich partout nicht drauf einlassen. Dämlich, aber man war eben die die dicke Kohle gewohnt, die in den 90ern mit CDs eingefahren wurde.

Und dann kam Apple

Zum Glück hatte jemand in Kalifornien eine Idee: Steve Jobs kam 2001 mit dem iPod um die Ecke. Damals irgendwie belächelt und einfach unverschämt teuer, war das Ding für einen armen Studenten wie mich natürlich keine Option. Ich sparte stattdessen auf ein Autoradio, was MP3s direkt von CD abspielen konnte. Das Ding kostete 500 Mark und war nicht einmal ein Markenprodukt. MP3s hat es auch nicht richtig gespielt, sondern wurde stattdessen lieber glühend heiß und stürzte ab. Ich verkaufte es bald weiter und blieb bis auf Weiteres bei meinen Minidiscs. Oder wir behalfen uns auf Autofahrten mit wilden Konstruktionen, etwa: Notebook auf dem Beifahrersitz, Kassettenadapter im Radio. Bis ich 2004 endlich ein funktionierendes MP3-Autoradio von Sony kaufen konnte. Und 2005 meinen ersten iPod, einen iPod Mini mit vier Gigabyte und deutlich besser als alle Player, die ich bis dahin jemals in der Hand hatte.

iPod
Der iPod änderte alles.

Der iTunes-Store nahm zu dieser Zeit auch endlich Fahrt auf. Durch ein Rock-am-Ring-Presseticket mit Gutschein eines Bekannten kam ich an meine ersten 25 Songs von iTunes, und war sofort begeistert: Die AAC-Files – damals noch im schlimmen kopiergeschützten 128 KBit-Dateiformat – klangen um Längen besser als alles, was ich je als MP3 besessen hatte. Ich beschloss, meine Sammlung umzustellen – und rippte kurzum alle meine CDs neu. Dabei ruinierte ich dann auch gleich das eingebaute Superdrive meines iBook G4 und eines eMacs. Das war dann auch der Moment, in dem MP3 für mich offiziell gestorben war, es muss irgendwann Ende 2005 gewesen sein. Allerdings musste ich noch sehr lange MP3-Kopien anfertigen, um meine Musik auch im Auto zu hören – selbst mein aktueller Wagen unterstützt das Format noch nicht ab Werk, obwohl er Baujahr 2010 ist. Stattdessen musste ich ein sperriges MDI einbauen, damit ich wenigstens meinen iPod (boller AAC-Dateien) anhängen kann.

AAC ist einfach besser

AAC, oder genauer gesagt: MPEG-4 Audio, hatte trotz des DRMs und des nach wie vor verlustbehafteten Kompressionsverfahrens gewisse klangliche Vorteile. Und zwar derart, dass ich zwar immer noch einen Unterschied zur CD höre, aber eben nicht mehr in dem Maß, in dem es bei MP3 der Fall war und ist. Mit anderen Worten: Der Kram war plötzlich kaufbar für mich. Ich kaufte immer mehr im iTunes-Store, immer weniger auf Glanzscheibe. Neue CDs verschwanden ab ca. 2007 sofort im Regal, wenn ich sie gerippt hatte und liegen da bis heute, zumeist noch so jungfräulich wie damals. Inzwischen pflege ich meine Musiksammlung rein digital auf dem Rechner, aber aufgrund meines Ü30-Daseins kommt da auch nur noch selten was dazu. In meinem Alter schwelgt man lieber in Erinnerungen.

Vinyl
Audiophile greifen wieder zum Vinyl. Nichts für mich.

Immerhin: Die Musikindustrie hat sich inzwischen mit MP3 abgefunden und Musik ist durch Streamingdienste längst zu Ramschware verkommen. Was schade ist, denn noch vor einer Dekade war eine gepflegte iTunes-Musiksammlung echte Arbeit. Arbeit, die ich im Leben nicht aufgeben würde. Unglaublich aber wahr: Meine iTunes-Mediathek ist jetzt 11 Jahre alt. 11 Jahre voller Hege und Pflege, dem Einkopieren von Songtexten und Covern und natürlich dem gezielten Kauf inzwischen günstiger CDs auf Flohmärkten. Zur Erinnerung: CD-Alben haben früher mal 32,95 Mark gekostet, heute bekommen Musikverächter ihre Streaming-Abos bei Spotify und Apple Music für eine Bruchteil dieses Preises.

Der Treppenwitz der Geschichte

Der Treppenwitz der MP3-Geschichte ist wohl die Tatsache, dass MP3 die Musikindustrie beinahe ruiniert – und danach gerettet hat. Denn inzwischen ist MP3 überall und der bahnbrechende Erfolg des Dateiformats und seines Nachfolgers AAc hat letztlich erst den Online-Verkauf von Musik ermöglicht. Mit ähnlichen Problemen hatte ja auch die Filmindustrie lange zu kämpfen. Die Musikindustrie brauchte jedenfalls fast ein Jahrzehnt, um zu begreifen, welche Revolution da gerade über sie hinweg gerollt war. Doch dann hat sie MP3 und AAC endlich angenommen. Vermutlich auch, weil Apple mit dem iTunes-Store den richtigen Schritt zur richtigen Zeit unternommen hat. Und heute? Nun: Es wird gestreamt und geyoutubet und eine Generation wächst heran, die Musik nur noch als Rauschen im Netz wahrnimmt. Die, die mehr Wert darauf legen, besinnen sich deshalb wohl der guten, alten Schallplatte. Die CD hat die ganze MP3-Geschichte kurioserweise auch überlebt, allerdings dürfte sie in nicht all zu ferner Zukunft verschwinden.

Am Ende ist das Medium egal

Meine persönliche Hoffnung ist übrigens eine weitere Qualitätsstufe bei der Kauf- und Streammusik: Inzwischen lassen die Speichergrößen der Endgeräte und die hohen Bandbreiten der Internetverbindungen problemlos auch unkomprimierte Dateiformate zu. Allerdings bietet Apple noch immer keine Lossless-Downloads an, und auch FLAC verbreitet sich eher schleppend. Wie es scheint, reicht den meisten Leuten das beschnittene Hörerlebnis von MP3 und AAC. Schade. Doch egal ob komprimierte oder unkomprimierte Musikdatei, ob CD, Schallplatte, Kassette oder Minidisc: Musik ist für immer und war nie wirklich vom Medium abhängig – solange sie gut ist. Daran konnte auch MP3 nichts ändern. Trotzdem ist es gut, dass dieser alte Zopf nun abgeschnitten wurde. Denn wenn wir ehrlich sind, konnte das Format klanglich nie wirklich überzeugen.

Und wie hast Du das MP3-Zeitalter erlebt? Erzähl‘ uns Deine Geschichte in der Kommentarfunktion.

Christian Rentrop

Diplom-Journalist, Baujahr 1979. Erste Gehversuche 1986 am Schneider CPC. 1997 ging es online. Seither als Schreiberling in Totholzwäldern und auf digitalen Highways unterwegs. Öfter auch auf der Vespa oder mit dem Wohnwagen unterwegs. Seit 2020 Tochtervater, dementsprechend immer sehr froh über eine kleine Kaffeespende.

13 Kommentare

  1. Vielen Dank für den Artikel. Als 1980er spiegelt er sehr gut meine eigenen hörerischen Werdegang wieder: das Ergebnis sind tausende von CDs, die in meinem Keller einstauben und hin und wieder abgestaubt werden. Das werden wohl einige der wenigen Dinge sein, die meine Kinder nach meinem Tod entsorgen werden müssen.
    Bei mir verhält es „leider“ nicht so, dass kaum neue Musik dazu kommt. Nur kommt sie natürlich über Streaming dazu. Lange war nach einer Methode auf der Suche das in „meine“ heiß geliebte digitale Musiksammlung einzubauen. Versuch eins, einfach alle Alben beim Streamingdienst der Wahl zur Bibliothek hinzuzufügen, scheiterte schon nach ein paar Minuten. Die haben zwar Zig-Millionen von Liedern, aber meine Alben alten eben nicht. Versuch zwei war dann: Kauf die CD und rip sie der eigenen Musiksammlung dazu. Doch Platz, Frau und auch der Faktor Geld sprachen sich gegen diese Methode aus.
    Dann kam für mich die Erlösung: Roon
    Die Software, vergleichsweise kostspielig, kommt vom audiophilen Ansatz. Für mich aber viel interessanter, die Funktion, die eigene digitale Musiksammlung mit „meiner“ Musikbibliothek eines Streamingdienstes zu verknüpfen. Außderdem: Zusatzinformationen en masse (Covers, Texte, Interpreten, Alben, …) und eine sensationelle Möglichkeit, die eigene Musiksammlung neu und neue Musik für die Sammlung zu entdecken.

  2. Was würde ich darum geben, einen so einfachen MP3-Player zu bekommen, der Cover anzeigen kann und am Besten von einem NAS die gerne auch MP3 (vorzugsweise FLAC) Daten abspielt und wenn dieser dann noch „offline“ sprachgesteuert wäre….. dann wäre endlich das CD Verkratzen im Kinderzimmer zu Ende. MP3 ist tot, lang lebe MP3 :-) Aber bitte mit besseren Playern

  3. so richtig scheisse palaver,
    als bebe könnte man die hohen töne noch hören, 10n jahre spätrer schon nicht mehr mit gant ganz wenigen leuten mit absolutem gehör.
    was redet denn dieser supertoninghenieur alles für wichtigtuerische kake,
    nebst bluff, nix gewesen.

    1. Tja, nur besteht Musik eben nicht nur aus hohen Tönen und Kompressionsverfahren kappen nicht einfach hohe Frequenzen … Aber bei dem Tonfall kann ich mir jegliche Argumentation wohl sparen, woll?!

  4. Es geht nix über Analog Punkt.
    Und zwar von der Herstellung über Ver-/Kauf bis zum Abspielen/Hören.

    Instagram, YT und Konsorten alles ein unfassbarer Diarröhton!!!

    Da können sich Künstlergruppierungen wie DP mit einer der teuersten Musikproduktionen wie RAM noch so reinhängen um der Musikindustrie zu zeigen: „Hört mal, so geht das wenn man will!“. (btw. wurde komplett dual auf Analog und Digital aufgenommen. Wenn das dann an den Verbraucher kaputtgetreshold vertickt wird, kommt nix mehr davon an.) Übrigens sind die Plattenverkäufe wieder auf gleichem Niveau wie vor Einführung der CD. Es fehlt weltweit an Produktionsmaschinen. Ich schau mich heute nach einem ordentlichen Plattenspieler um, damit ein Jupiter 8 auch in den eigenen 4 Wänden klingt.
    (https://www.youtube.com/watch?v=5KV2O9bphM4)

    1. Naja … Ganz so bedingungslos kann ich das nicht sehen. Ich habe viele CDs, halbwegs viele Platten und fast alles als gerippte FLACs/MP3s – und keinerlei Musik-Streaming-Konten. Mit Hifi-Anlage bin ich auch eher oldschoolig bei der Musik. Und Musik über YT fand ich schon immer obskur. Und ja, vieles ist qualitativ unter aller Sau.

      Aber: Dieser Qualitätshype rund um Vinyl ist imho reines Hobby. Wie auch dieses Geseiher, MP3s wäre so viel schlechter als CDs. Das ist bestenfalls mess-, aber sicherlich nicht hörbar. Und wenn dann nur von den wenigen Menschen mit absolutem Gehör und auf Einfamilienhaus-teurem Equipement … Ich vermute, dieser Gedanke ist bei vielen hängen geblieben, die die Anfangstage der MP3s miterlebt haben und glauben, 128 kbp/s wären das Ende der Fahnenstange. Und Vinyl? Ich mag ja diesen warmen, verrauschten Ton bei manchen Musikrichtungen – aber kaufen tue ich LPs und CDs, weil ich einerseits Alben und nicht Einzeltitel und andererseits was in der Hand haben will, mit dem ich mich beschäftigen kann. Ganz analog.

      Wenn Vinyl aber wirklich supidupimegavielbesser als alles andere klingen soll, dann braucht es neben der richtigen Produktion und dem analogen Plattenladen auch noch einen sauteuren Plattenspieler, sauteure Kabel, megasauteure analoge Röhrenverstärker und so weiter. Bei Standardequipement klingen Platten nicht besser als CDs oder FLACs oder sonstige Digitalvarianten mit entsprechenden Parametern. Ganz im Gegenteil.

      Der eigentliche Knackpunkt: Der Plattenspieler ist beim Fahrradfahren einfach kacke. Allein die Stromversorgung … ;)

      Insofern: Beim Kauf stimme ich vorbehaltlos zu, bei der Produktion habe ich meine Zweifel (habe noch nie Musik produziert …) und beim Konsum würde ich widersprechen. Wenn ich alleine zu Hause bewusst ein Album höre – ja, besser, subjektiv. Aber unterwegs? Im Auto? In der Bahn? Beim Sport? Wenn Gäste da sind? Auf Partys? Als Hintergrundmusik? Zum Entdecken neuer Musik? Beim Preisleistungsverhältnis? Bezüglich der Flexibilität allgemein? In Puncto Haltbarkeit? Da ist digital immer wieder klar im Vorteil.

      Oder anders: Um Platten besser klingen zu lassen als CDs/FLACs, braucht es einfach verdammt viel Geld – und der Konsument muss schon ein außergewöhnlich gutes Gehör haben. Aber wenn ich einen Röhrenverstärker und einen reibungslos gelagerten Plattenspieler für 100 Euro finde, werde ich nur noch das Hohelied der LP singen ;)

      1. Nirgendwo wird im Technikbereich so viel esoterischer Unsinn dahergeschwätzt wie im High-End-Audiobereich. Dass die CD seinerzeit die Schallplatte ersetzt hat, war kein böser Schachzug einer miesen Plattenindustrie, sondern schlicht die bessere Qualität und Handhabbarkeit. Da kann man mir erzählen, was man will. Zu den Dateiformaten komme ich später, zunächst ein Ausflug in die Tonträger-Technik:

        Ja: Schallplatten haben eine eigenen Klang, mögen wärmer klingen. Dafür knistern sie „nostalgisch“. Aber das liegt eher am analogen Abspielverfahren als am Tonträger selbst. Wir müssen schließlich auch davon ausgehen, dass zumindest moderne Pressungen im Tonstudio digital aufgezeichnet wurden, ehe sie auf der Platte landeten!

        Die Tonstudio-Qualität ist natürlich weit über der einer CD, aber sie bleibt digital, und digital bedeutet, dass via Abtastrate/Datenrate statt eines durchgehenden analogen Signals immer nur tausende Momentaufnahmen pro Sekunde gespeichert werden. Würde man es aufmalen, wäre analoge Aufzeichnung eine Kurve, digitale eine Treppe: Die Zwischenräume zwischen den Stufen gehen verloren.
        Dadurch erreicht ein digitaler Tonträger, egal welcher Abtastrate, theoretisch nie die Qualität eines analogen Tonträgers. Wie gesagt: Theoretisch. Denn auch Schallplatten haben einen Dynamikbereich.

        Als man bei Sony die Audio-CD konzipierte, hat man eine Bandbreite von 5 Hz bis 20 kHz und einen Dynamikumfang von 96 dB konzipiert. Das liegt weitestgehend im vom Menschen hörbaren Bereich (ca. 16 Hz – 21 KHz). Eine Schallplatte liegt in Sachen Bandbreite in einem ähnlichen Bereich, der Dynamikumfang ist mit maximal rund 45 dB aber deutlich geringer. Damit ist die Schallplatte, technisch gesehen, das schlechtere Medium. Von Mircos Einwänden bezüglich Handlichkeit und der schlechten Haltbarkeit ganz abgesehen. Moderne Tonträger wie die Audio-DVD kommen sogar auf weit höhere Dynamikumfänge.

        Heißt im Klartext: Wir nehmen ein analoges Signal eines Musikers digital auf und verlieren dabei Qualität. Das pressen wir dann mit zum Teil uralten Presswerken auf Schallplatte und verlieren Dynamikumfang. Trotzdem glaubt der esoterische Audiophile, Schallplatten wären besser.

        Das ist schlicht Blödsinn und hat nur eine einzige Funktion: Distinktion des Audiophilen von dem Plebs mit seinen CDs und MP3s und Billigplayern, der ja keine Ahnung hat. Nicht mehr und nicht weniger. Dass Schallplatten „besser“ klingen, mag daran liegen, dass man sie aufgrund einiger Besonderheiten akustisch als solche erkennen kann. Die Psychologie erledigt dann den Rest.

        Von hier aus jetzt der Sprung zu den Dateiformaten MP3, AAC, FLAC und so weiter. MP3/AAC, aber auch Formate wie die MiniDisk sparen Platz, indem Sie nicht relevante Bereiche des Signals kappen und/oder komprimieren. Je niedriger die Bitrate und Abtastrate, desto hörbarer der Effekt. Das MP4-Audioformat AAC erreicht dabei die derzeit höchste Qualität durch fortgeschrittene Kompressionsalgorithmen, aber das Problem bleibt: Diese Formate sind auch in der besten Qualitätsstufe deutlich verlustbehaftet und das ist auch mit ungeschultem Gehör wahrnehmbar.

        FLAC, WAV, AIFF und Apple Lossless besitzen hingegen keine destruktiven Algorithmen. Sie sind 1:1-Kopien der digitalen Aufzeichnung des CD-Formats und damit identisch in der Tonqualität. Wer seine Musiksammlung digitalisiert, tut also gut daran, diese Formate zu wählen. Allerdings sind sie recht platzaufwändig, und genau das ist der Grund für den Siegeszug der MP3 und AAC, die selbst in bester Qualität nur 1/5 des Platzes benötigen. Genau das brauchte man seinerzeit, als Speicherkarten teuer waren und Internetverbindungen langsam. Und man braucht es heute noch, um Streamingdienste wirtschaftlich betreiben zu können.

        So gesehen haben all diese Formate ihre Existenzberechtigung, inklusive Audio-CD oder -DVD. Nur die Renaissance der Schallplatte, die ist absurder, hirntötender Blödsinn für Besserverdiener, die anderen auf den Keks gehen wollen.

      2. Schön ausgeführt! Jedoch ist

        So gesehen haben all diese Formate ihre Existenzberechtigung, inklusive Audio-CD oder -DVD. Nur die Renaissance der Schallplatte, die ist absurder, hirntötender Blödsinn für Besserverdiener, die anderen auf den Keks gehen wollen.

        ganz schön hart. Der Umgang mit Platten ist schon schöner. Das beginnt mit dem größeren Format – viele Cover sind echte Kunstwerke, zudem können Sie schlicht mehr Informationen und größere Inlays aufnehmen. Danksagungen und Liner Notes haben mir früher sehr viel neue Musik beschert. Bei einer CD ist dann schon wieder alles furchtbar klein, dickere Inlays kommen nur mit Knickgewalt zum Vorschein. Zudem haben LPs zwei Seiten. Das kann man durchaus scheisse finden, zumindest bei durchgängigen Alben. Aber es gibt eben auch klassische B-Seiten – eine echte Bereicherung für jeden, der Musik ernst nimmt. Klar könnte man das B-Seiten-Konzept halbherzig auf CDs übertragen, aber es funktioniert nicht wirklich. Manch ein (witziger?) Künstler hat schon nach den normalen 15 Titeln 20 0-Sekunden-Titel eingebaut, um danach einen Hidden Track zu präsentieren, was dem noch am nächsten aber nicht daran heran kommt.

        Zudem machen es Platten auch schwieriger, mal eben Titel zu skippen – und dadurch hört man dann doch eher mal ein Album durch. Es gibt zwar Zeitgenossen die meinen, das Album-Konzept sei tot, aber erfreulicherweise scheinen das viele Musiker anders zu sehen. Und mal ernsthaft, wie viele Lieder haben sich früher erst über vielfaches Hören in die Finde-Ich-gut-Hirnwindungen gebohrt? Platten haben im Gegensatz zu Dateien/Streams und mehr als CDs die Spezialkraft, Hörer ein wenig zu ihrem Glück zu zwingen. Wer sich näher mit Musik beschäftigt wird das oft wertschätzen können, wer Musik als Nebenherkonsumgut betrachtet, dürfte es zum Kotzen finden.

        Und bevor sich jetzt bei den Digitaljunkies die Einsen und Nullen aufstellen: Natürlich kann man sich auch mit einem High-End-Walkman, Studiokopfhörern und einem Tablet in den Sessel knallen, Musik wie von Platte konsumieren und dabei mehr als nur Liner Notes im Netz lesen. Aber man tut es eben seltener und wird von anderen Dingen abgelenkt. Wie gesagt, Vinyl übt einen gewissen Zwang aus.

        Nebenbei: Ich persönlich habe mich jedenfalls über die Auferstehung des Vinyls sehr gefreut – nehme aber kaum am Markt teil: 2011 wollte ich mir im Saturn Beastie Boys Hot Sauce Committee Part Two kaufen, vorzugsweise als LP. Kosten der CD: ca. 20 Euro. Kosten der LP: ca. 35 Euro. Und da dachte ich auch „absurder, hirntötender Blödsinn für Besserverdiener“ ;)

  5. Deine Geschichte klingt fast so wie meine aber nur fast. Ich habe auch mp3 gehasst und dann musste ich es doch mitmachen. Der komprimierte Sound ist wie ein Wegwerfartikel man kann ihn zwar hören aber nicht genießen, es entsteht keine Atmosphäre beim hören. Für die allermeisten reicht es aus wenn da irgendwo was herumdudelt. Wenn Musik spielt füllt sie den Raum aus und nach einer gewissen Zeit ist der Raum fast wie lebendig als wäre man Teil der Musik, bei komprimierten Sound fällt das komplett weg. Eine weitere Verunstaltung von Musik ist Remastered da wird es sogar noch ein Zacken schärfer denn das toppt alles was es jemals an Schrott gab noch um Welten, sowas kann man auch nur unserer abgestumpften Zombiegesellschaft anbieten.

  6. MP3 IST NICHT TOT!

    Es sind lediglich die Rechte abgelaufen! Aber Sorry, wenn immer es möglich ist, liegt bei mir immer noch mal gerne eine Vinyl auf dem Plattenteller, es gibt nicht besseres, es sei denn man begnügt sich mit einem Billig-Plattenspieler aus dem Discounter, und hält nicht von Plattenpflege.

    Gruß, Detlef

  7. Najaaaaaa – komprimiert hin oder her, an der Qualität einer 320-kbps-MP3 gibt es eigentlich nur theoretisch etwas zu meckern. Audiophile Mitmenschen mit Studio-Kopfhörern werden unter besten Umständen vielleicht etwas heraushören, Otto Normalverbraucher mit popeligen Wiedergabegeräten wie Smartphone, „MP3-Player“ (heißen die ab sofort Mobile Music Player?) oder Laptop und 50-Euro-In-Ear-Stöpseln kann Lossless-Formate wählen oder es lassen – das macht einfach keinen Unterschied, jedenfalls nicht für Ohren und Hirne.

    Interssant übrigens, dass es bei Dir klingt, als hätte Dein Personal Jesus den MP3-Player erfunden. Ich bin mir ziemlich sicher in den 90ern jahrelang täglich 10 Stunden im Saturn gewesen zu sein – später in Anwesenheit von MP3-Playern.

    Nun gut, mein erster Player hat ungefährt zwei Tage überlebt – das Teil war, insbesondere Software-seitig, so kacke, dass es mit Wucht an die Wand flog. Selten habe ich mich über Geldverschwendung so sehr gefreut wie über diesen Plastikregen.

    MP3-mäßig war ich absolut Early Adopter, noch vor Scraper-Zeiten habe ich eine eigene CD-Datenbank auf Access-Basis aufgebaut und da lag der Sprung von CD zu gerippter CD zu geklauter P2P-Mucke ziemlich nahe. Der Bestand wuchs schnell auf Tausende Stücke an, die platzfressenden CDs musste nicht mehr herumgeschleppt werden und dank ausufernder Playlisten war der Party-Automatismus erfunden.

    Und dann gings wieder zurück zur CD – dieser ganze MP3-Zirkus hat nämlich einen gigantischen Nachteil: Man hört eigentlich nur noch Best-Of-„Alben“. Wenn man von Helene-Fischer-, Naidoo- oder sonstigem reinen Konsum-Pop-Mist mal absieht, ist Musik nämlich eigentlich mal als Kunst gedacht. Und da muss man ein Album dann eben mal als Gesamtkunstwerk verstehen – da wird Spannung aufgebaut und aufgelöst, langsame und schnelle Stücke wechseln sich ab, es werden Geschichten erzählt und das eine oder andere Stück muss man einfach zwanzig mal zwischen seinen beiden Lieblingssongs hören, bis man es mag. Von B-Seiten muss man ja gar nicht erst reden.

    Natürlich kann man auch in der Datei-Welt Alben am Stück hören, aber erst wenn Skippen mit Aufwand verbunden ist (aufstehen und so), wird das auch tatsäch so passieren. Ja, ich plädiere immer wieder für Dateien statt Streams oder behämmerte Licht-Datenträger, aber bei Mucke hat 1-Datenträger-pro-Album-Politik durchaus etwas für sich. Man braucht wohl beides. Aber so oder so: Musik mag nicht vom Medium abhängen, ihr Konsum sehr wohl! Platten liefen im Haus. Kassetten liefen unterwegs und im Auto. CDs auch – aber schlechter ;/ Und Datei-Musik läuft überall, im Zweifel, ohne sie dabei zu haben und erstmals, ohne an ein Album oder einen Sampler gekoppelt zu sein. Vor allem dank MP3 sind Songs heute etwas Eigenständiges – vielleicht redet deshalb keiner mehr von Liedern …

    Dem MP3-Format haben wir alle dennoch eine Menge zu verdanken – und welches digitale Format hat sich schon so lange gehalten? Minidiscs? HD-DVDs? ASF? Der Impact von MP3 ist schon gewaltig. Und daher kann ich Deinem Schlussatz auch nur eine Absage erteilen: Die Kompressionsraten waren lange Zeit herausragend, die mögliche Audioqualität ist hoch genug, um selbst geschulte Ohren zu überlisten, es hat maßgeblich zur heutigen Musik-Markt-Situation beigetragen und 26 Jahre überlebt – da dürfte der Totentanz etwas undankbar sein, und meiner Meinung nach auch verfrüht.

    Ich werde jedenfalls bis auf weiteres wohl weiterhin CDs in einem Abwasch nach FLAC und MP3 rippen. Ist aber auch egal, die Zukunft wird wohl den verschissenen Streaming-„Angeboten“ gehören – jedenfalls, was Otto N. angeht. Wer sich ernsthaft für Musik interessiert, also nicht einfach nur konsumiert, wird aber wohl für den Rest der Zeit auf Offline-Datenträger für einzelne Alben setzen – vernünftige Liner Notes sehnen sich nunmal nach Vinyl.

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