Warum muss Benutzerkonto-Kündigung eigentlich so schwer sein?
Wir schreiben das Jahr 2017 und es ist zum Kotzen: Man meldet sich aus irgendeinem Grund bei irgendeinem Dienst – sagen wir: Spotify – an und schon geht der Ärger los. Ohne Anmeldung keine Testphase, das ist klar, doch sobald man sich entschieden hat, den Dienst nicht mehr zu nutzen, geht das Gerenne los. Spotify zum Beispiel will, dass man für die Kündigung mit dem Support-Chat plappert. Der braucht fast fünf Minuten, in denen man das Chat-Fenster offen halten muss, bis der offensichtliche Chat-Roboter am anderen Ende die Kündigung bestätigt. Und das ist noch eine der humaneren Varianten – warum zum Teufel muss die Benutzerkonto-Kündigung immer nervig bis unmöglich sein?
Konto Löschen? VERGISS ES!
Natürlich ist Spotify nicht der einzige Dienst, der es seinen Ex-Benutzern unnötig schwer macht. Ganz weit vorne: Apple mit seiner Apple-ID. Die wird man nie wieder los. Was grundsätzlich zwar vermeidet, aus Versehen Hunderte von Euro an App- und Medienkäufen zu verlieren. Doch wenn man nur ein olles Testkonto – oder wie ich ein US-Zweitkonto aus Zeiten, in denen es im US-Store noch iPod-Musik-Geschenke gab – besitzt, gibt es keine schnelle Löschmöglichkeit. Wobei: Doch! Man kann dem Support schreiben und die Löschung beantragen. Das ist nicht nur umständlich, sondern nervig. Und vor allen Dingen absolut überflüssig. Man könnte auch einen "Konto-löschen"-Knopf irgendwo einbauen und doppelt und dreifach mit Nachfragen sichern. Wer dann immer noch löschen will, ist selber schuld.
Die Krönung der Frechheit: Hotline-Anrufe
Besonders dreist treibt es meiner Ansicht nach der Internet- und Mobilfunk-Anbieter O2: Nachdem man den Kündigen-Knopf betätigt hat, ist der Vertrag keineswegs gekündigt, oh nein: Stattdessen muss man sich binnen 14 Tagen mit der ausgesprochen nervigen Hotline von O2 in Verbindung setzen. Und verbringt nicht selten Stunden in der Warteschleife. Wer Pech hat, gerät an einen unfähigen oder Unsinn schwatzenden Mitarbeiter – oder wird binnen kürzester Zeit von der Telemarketing-Abteilung angerufen, um möglicherweise doch einer Vertragsverlängerung zuzustimmen. Und schriftliche Kündigungsbestätigungen sind auch eher die Ausnahme als die Regel.
Benutzerkonto-Kündigung: Andere sind auch nicht besser
Die Liste der Dienste, die sich nur schwer oder unter Schmerzen kündigen lassen, ist lang: Twitter baut eine 30-Tage-Frist ein, in der man sich nicht einloggen darf, sonst wird die Kündigung aufgehoben. Blizzards Battle.net will sogar eine schriftliche Kündigung, Netflix lässt sich zwar leicht kündigen, das Konto aber kaum löschen. Wordpress.com und Gravatar bieten gar keine Kontolösch-Funktion, auch bei Pinterest kann das Konto bestenfalls deaktiviert werden. Die Liste ließe sich beliebig verlängern, wie die Website justdelete.me zeigt: Unter dem Strich gibt es eine Reihe von Online-Dienstleistern, die die Kontolöschung zu einem Spießrutenlauf machen. Immerhin: Facebook ist inzwischen besser geworden, auch Instagram bietet inzwischen eine Möglichkeit zur vollständigen Kontolöschung, allerdings unter dem Vorbehalt, dass dann möglicherweise nicht alle Daten verschwinden; um sicher zu gehen, muss man vorher manuell löschen. Diese Verrenkungen haben durchaus System; schließlich sind die Aktienkurse zahlreicher Internet-Unternehmen und Telefonie-Anbieter direkt von den Nutzerzahlen abhängig. Kein Wunder also, dass man versucht, kündigungswillige Nutzer um jeden Preis zu halten. Und deshalb die Benutzerkonto-Kündigung möglich komplex gestaltet.
Anbieterwechsel: Und plötzlich kommt man nicht mehr rein
Richtig ärgerlich wird es, wenn ein Dienst in einem anderen aufgeht: Provider und Netzwerke wechseln die Besitzer, Konten und Logins werden an den neuen Besitzer angepasst und zack: Plötzlich hat man ein Konto, das man nicht mehr nutzen kann, weil man die damals verwendete Mailadresse längst nicht mehr nutzt. Ich habe das in 20 Jahren Internet oft erlebt: Plötzlich gehört dieser oder jener Dienst einem anderen Anbieter – und alle Logins sind für die Katz. Vor allem, wenn man zwischenzeitlich ein E-Mail-Konto gelöscht hat. Wer hier ungenutzte Konten nicht zeitnah gekündigt hat, guckt nicht selten in die Röhre: Die Daten fliegen noch irgendwo auf irgendwelchen Servern herum und keiner weiß so recht, was noch wo gespeichert ist. Besonders ärgerlich ist das, wenn ein Dienst oder Anbieter insolvent geht und der Dienst seine Pforten schließt: Dann sind die Daten in irgendeiner Konkursmasse, bei der niemand so recht weiß, wer sie eigentlich wofür nutzt. Benutzerkonto-Kündigung? Keine Chance mehr!
Schutz des Users? Ein blödsinniges Argument!
Dass sich Konten, in denen möglicherweise Daten mit Wert gespeichert sind, nicht ohne Weiteres löschen lassen, halte ich noch für akzeptabel. Ein Beispiel wäre die Apple-ID, die immerhin alle App- und Medienkäufe beinhaltet und oft eine Wert von mehreren hundert, wenn nicht mehreren tausend Euro enthält. Allerdings beweist Google mit der recht einfachen Kontolöschungsfunktion, dass man auch diesbezüglich ruhig auf die Eigenverantwortung der Nutzer setzen kann: Schließlich kann auch ein PlayStore-Konto einen enormen Gegenwert haben. Trotzdem erlaubt Google eine schnelle und einfache Kontolöschung. Wer doof löscht, ist selber schuld – und darf halt später wieder von vorne anfangen. Dass sich jedoch Konten noch des banalsten Social-Networks oft nur deaktivieren oder löschen lassen, wenn man wirklich Arbeit daran setzt, ist ein unhaltbarer Zustand.
Benutzerkonto-Kündigung: Warum regelt hier keiner?
Noch ärgerlicher ist es, wenn es sich um kostenpflichtige Dienste handelt, die schlicht zahlende Kunden vom Kündigen abhalten wollen, Beispiel O2. Da kommt bei mir die Frage auf, wieso die EU, die sonst bis ins kleinste Detail alles regeln und regulieren muss, hier im Rahmen des Datenschutzes und der Informationellen Selbstbestimmung nicht dafür sorgt, dass jeder in Europa tätige Diensteanbieter eine einfache Löschfunktion implementieren muss. Einen Knopf im Backend, von mir aus mit doppelt und dreifacher Sicherheitsabfrage, der es erlaubt, in einem Rutsch sämtliche Daten und laufenden Verträge von dem Anbieter zu entfernen. Klick - Klick - Klick – Zackfertig. Das wäre doch wirklich mal ein Fortschritt – und eine sinnvolle Regulierung.
Naja, geregelt wird schon, aber eben nur das Was, weniger das Wie. Aber ein Recht auf Löschung gibt es in der EU-DSGVO (neu) (https://www.datenschutz-grundverordnung.eu/grundverordnung/art-17-ds-gvo/) und entsprechend auch im BDSG (neu) https://dsgvo-gesetz.de/bdsg-neu/35-bdsg-neu/); auch wenn das BDSG es noch ein wenig aufweicht. Beide treten übrigens im Mai 2018 in Kraft.