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Warum mir Siri, Alexa, Cortana und Co. nicht ins Haus kommen

Smart-Speaker sind in: Egal ob mit Amazon Echo/Alexa-Technologie, als Google Home, Microsoft Cortana und neuerdings Apple Homepod mit Siri sind für viele Zeitgenossen ein Muss. Und der Elan, mit dem sich die größten Tech-Firmen der Welt in den Markt der persönlichen Voice-Assistenten werfen, ist bemerkenswert. Ich frage mich allerdings, wieso Menschen so ein Gerät wollen? Vor fast 30 Jahren ging die DDR unter anderem wegen der permanenten Überwachung unter, heute holt man sich die privatwirtschaftliche US-Stasi freiwillig nach Hause. Irrsinnig.

1984 ist jetzt

Als ich das erste Mal 1984 von George Orwell las – ja, dieser olle, abgegriffene Bezug muss sein – staunte ich über das Televisor-Gerät, das im Roman in jedem Haushalt hing. Ein Fenster in die Welt, ein TV-Gerät – und gleichzeitig ein Überwachungsapparat, bei dem niemand weiß, ob sich der Große Bruder gerade eingeklinkt hat oder nicht. Ein Überwachungsapparat aus der Hölle, fand ich damals vor 22 Jahren. Heute sind wir genau dort angekommen: Alexa, Home, Cortana und Siri sind sicher keine Televisoren, aber sie sind nah drah. Alles, was ihnen noch fehlt, sind Kamera und Bildschirm. Und natürlich eine Anbindung an Überwachungsbehörden samt staatlichem Installationszwang. Also im Grunde ein kleines Gesetz einer nicht ganz menschenfreundlichen Regierung. Ein recht kleiner Schritt, wie ich finde.

Der Apple HomePod hört zu.
Der Apple HomePod hört zu.

Was soll denn der Staat damit…?

Aber ja, ich rege mich wahrscheinlich unnötig auf. Der Staat ist bei den Smart-Speakern auch das kleinste Problem: Wir sind weit entfernt davon, dass so etwas Pflicht… wobei: Das kann schnell passieren, da reichen ein ausreichend großer Anschlag samt Panik in der Bevölkerung, ein boshafter Innenminister und ein unfähiges Parlament. Im Grunde also Dinge, die wir seit Jahren haben. Was fehlt, ist der Vorfall irrsinniger Größe, der jede Sicherheitsüberwachung durch’s Parlament scheucht. Aber dann sind wir sowieso alle verloren, denn dann werden die Dinger Pflicht und wer sie abstellt, bekommt auf die Mütze. Wer glaubt, so etwas gäbe es nicht, werfe nur einen Blick die Aushöhlung der informationellen Selbstbestimmung durch Staaten in den letzten Jahren. Hinzu kommt der Kram, den wir freiwillig herausgeben, um etwas gratis zu bekommen. Etwa bei Facebook, Google und Co., riesige Datensammlungen, für die jeder Terrorermittler seine Oma verkaufen würde.

EchoDot: Kleiner Spitzel für den Überall-Gebrauch.
EchoDot: Kleiner Spitzel für den Überall-Gebrauch.

Datenschutzrechtlich unbedenklich?

Und jetzt also diese ganzen Smartspeaker, die Daten sammeln oder auch nicht. Um die Daten firmenintern zu verwenden oder auch nicht. Und das, indem sie permanent mithören oder auch nicht. Denn so ganz genau sicher weiß das niemand. Amazon, Google, Microsoft und Apple verdonglen die Mikrofone, damit nur sie an die Sprachaufzeichnungen kommen. Sie verschlüsseln hart und senden fleißig, aber wann genau sie mithören und was sie davon aufzeichnen? Nun… so richtig weiß das dann auch keiner. Klar: Sie versprechen auch im eigenen Sinne, dass die Speaker nur bei Aktivierung zuhören, weil die Datenmengen sonst explodieren würden, aber auch dabei bleibt ein Geschmäckle. Denn auch um als Homepod auf „Hey Siri“ oder als Echo auf „Alexa“ hören zu können, müssen sie ja dann doch permanent lauschen.

Dein Zuhause unter Kontrolle!
Dein Zuhause unter Kontrolle!

Totalitarismus und Smart-Speaker? Üble Mischung!

Alles in allem mag das alles paranoid klingen: Ich schreibe hier vom Großen Bruder und meine Microsoft, Google, Apple und Amazon – krank! Oder vielleicht nicht? Wir wissen es nicht. Ich für meinen Teil bin aber trotzdem vorsichtig. Ich gebe tagtäglich schon genug Daten an die Big Four heraus. Der Staat lugt mir oft genug in die Tasche. Beide zusammen ergäben eine katastrophale Mischung, die einem Erich Mielke die Freudentränen in die Augen getrieben hätte. Und dass auch an für sich solide Rechtsstaaten mirnichts, dirnichts ins Totalitäre kippen können… nun, die Türkei hat gezeigt, dass das binnen einer halben Dekade ohne Weiteres möglich ist. Ein Gesetz hier, ein korrupter Parlamentarier dort, ein paar Inhaftierungen überall… zackfertig ist die Diktatur. Die Entwicklungen in den USA, wo die Big Four sitzen, stimmen mich da nicht gerade positiver. Und auch die EU neigt derzeit zu Kontrollwahn.

Die Firnis des Rechtsstaats ist oft nur so breit wie ein Schnurrbart.
Die Firnis des Rechtsstaats ist oft nur so breit wie ein Schnurrbart.

Böse Fantasie oder böser HomePod…?

Natürlich glaube ich nicht wirklich daran, dass Amazon, Apple, Google und Microsoft mir böses wollen. Letztlich sind die Smart-Speaker derzeit nicht mehr und nicht weniger als ein praktischer Service, der von Unternehmen bereitgestellt wird, die eben Service als Geschäftsmodell haben. Insofern halte ich die Geräte aktuell für unbedenklich. Trotzdem: Der Wind des Totalitarismus weht durch die westliche Welt und derartige Geräte könnten eines Tages ganz andere Aufgaben erfüllen, als nur die Playlist zu wechseln und Pizza zu bestellen. Ich für meine Teil halte jedenfalls nichts davon, zumal sich mir auch der Mehrwert nicht erschließen will. Ich habe Siri auf allen Geräten abgeschaltet, nur am FireTV-Stick nutze ich manchmal Alexa, wenn ich zu faul zum Tippen bin. Aber genau so hat es ja bisher immer angefangen…

Siri: AUS!
Siri: AUS!

Übrigens: Die nächste Eskalationsstufe ist der Amazon Echo Spot: Der hat eine Kamera und einen Monitor für „Freihändige (Video-)Telefonate“. Damit handelt es sich um einen vollwertigen Televisor im Sinne von 1984. George Orwell würde sich im Grab herumdrehen.

Echo Spot: Wer mir um 6:30 einen "guten Morgen" wünscht, kann nur mit einer bösartigen Regierung unter einer Decke stecken.
Echo Spot: Wer mir um 6:30 einen „guten Morgen“ wünscht, kann nur mit einer bösartigen Regierung unter einer Decke stecken.

Christian Rentrop

Diplom-Journalist, Baujahr 1979. Erste Gehversuche 1986 am Schneider CPC. 1997 ging es online. Seither als Schreiberling in Totholzwäldern und auf digitalen Highways unterwegs. Öfter auch auf der Vespa oder mit dem Wohnwagen unterwegs. Seit 2020 Tochtervater, dementsprechend immer sehr froh über eine kleine Kaffeespende.

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