NetzwerkWeb & Netzkultur

Jaja, das Darknet. Aber was gibt es dort überhaupt zu sehen?

Wie Ihr ins Darknet kommt, haben wir Euch neulich hier gezeigt – und das Interesse scheint groß. Natürlich erscheint das Darknet derzeit auch ständig in den Mainstream-Medien, da sich die Amok- und Terror-Armleuchter dieser Welt wohl gerne dort herumtreiben. Das Bild des Darknets beschränkt sich dort aber auf oberflächliche Erwähnungen von illegalen Handelsplätzen. In dem Parallel-Netz gibt es aber noch deutlich mehr – neben vielen toten Links und Schund erstaunlicherweise auch legales Zeug… Ein kleiner Darknet-Rundgang.

Was kann man im Darknet machen?

Wenn man einmal den technischen Zugang zum Darknet via Tor gefunden hat, landet man meist bei der häufig empfohlenen Seite „Hidden Wiki“, die Euch ein paar erste Links anbietet – die größtenteils ins Leere verweisen oder auf Angebote/Shops, die selbst für illegale Angebote noch windig wirken. Insofern: Wenn Ihr Euch dort herumtreibt, achtet tunlichst darauf, nichts zu bestellen, keine offensichtlich illegalen Inhalte wie Kinderpornografie zu Tage zu fördern (nein, auch nicht „zum Recherchieren“ – gar nicht!) oder irgendwelche Daten von Euch einzugeben. Geht einfach mal davon aus, dass fast alles mindestens suspekt ist. Und der Rest ist für die meisten unverständlicher Anarcho-Kram.

Einstiegspunkte für den Darknet-Rundgang

Neben dem erwähnten Hidden Wiki ist TorLinks eine gängige Anlaufstelle – mit ebenso vielen toten Links und fast so vielen „windigen“. Beim Link auf das Hidden Wiki schreibt TorLinks übrigens, die meisten Links dort seien Scam … Und darum geben wir Euch auch keinen direkten Links auf Seiten. Solche Einstiegspunkte wirken jedenfalls wie die WWW-Portale mitte der Neunziger. Und was kam nach Linkportalen? Genau, Suchmaschinen – im Darknet etwa Torch. Und wieder: Viele tote Links. Überhaupt scheint ein Großteil des Darknets tot zu sein – zumindest auf derlei Portalen, die wohl eher für neugierige Normalos denn für alteingesessene Darknetter interessant sein dürften.

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Viele Links, wenig Inhalte – die bekannten Zugangspunkte sind voller Sackgassen.

Kommunikation gibt’s natürlich auch im Darknet, der geneigte User möchte sich ja abseits der angenommenen Dauerüberwachung im normalen Netz unterhalten. Aus hiesigen Landen gibt es etwa das Forum Deutschland im Deep Web, wo es Diskussionen aus so ziemlich allen Themenbereichen gibt. Und hier gehört auch gleich ein kleiner Tipp hin: Ihr dürft in solchen Foren partout nicht alles für bare Münze nehmen, häufig findet sich hier ein Kommunikationsstil wie bei 4chan.org. Und dieser ist nah am Dadaismus. Nicht jeder, der sich hier beispielsweise sexistisch äußert, ist zwangsläufig ein Sexist – viele sind einfach trotzige Forentrolle, die immer Widerworte geben. Möglichst garstige. Um der Widerworte willen. Wer in der Techie-Welt nicht wirklich zu Hause ist, wird einen Großteil schlicht nicht verstehen.

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Wer über kritische Themen sprechen will, kann das auch anonym im Darknet.

Selbstverständlich gibt es im Darknet auch eMail: Über TorBox (https://torbod7japusejpn.onion/) könnt Ihr kostenfrei ein anonmyes Webmail-Konto anlegen. Mailen könnt Ihr aber freilich ausschließlich im Darknet mit anderen Darknet-Adressen. Mehr dazu haben wir hier.

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Mails im Darknet.

Normalos, Durchgeknallte und das illegalste Kaufhaus der Welt

Ja, im Darknet gibt es auch ganz normale Dinge, etwa die Homepage von ProPublica-Journalist Mike Tigas (https://tigas3l7uusztiqu.onion/) – die es auch im normalen Netz gibt. Interessanter sind die Durchgeknallten, die Verschwörungsleute, die Obskure-Handbuch-Sammler – etwa in Form der Seite ___ (sorry, nach längerem Durchsuchen der Site fanden sich auch Links auf Rechtfertigungen zum Kindesmissbrauch und ähnlicher Scheiss – darum habe ich den Namen gelöscht). Auch dies sieht aus wie eine typische neunzigerjahre Privat-Homepage: Geblinke, komische Bilder, Chaos und eine riesige Linksammlung rund um alle Themen, über die man sich streiten kann. Die Palette reicht hier von absolutem Mist über technische Infos zu IT-Themen bis hin zu wegweisenden Werken wie „10 ways to cause havoc in public toilets“. Alles umrankt von völlig wirrem, unverständlichem Irrsinn – den man aber wie oben erwähnt unter Berücksichtigung „kultureller Eigenheiten“ solcher Plätze sehen sollte. Solche „Anarchisten-Handbücher“ gibt es freilich nicht bloß im Darknet, aber hier wimmelt es von solchen Dingen, und nicht nur gratis:

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Ganz normal: Eine Journalisten-Homepage.

In einem großen Darknet-Kaufhaus beispielsweise gibt es massenhaft Anleitungen zu kaufen, die sich meist um Betrugsmaschen drehen (Kreditkarten, Ausweise, etc.). Dieser Schwarzmarkt hat sogar „verifizierte“ Verkäufer, Kundenbewertungen und so weiter – es mutet merkwürdig an, denkt man doch immer noch eher an Typen in Trenchcoats mit Uhrenarsenal … Der ganze Umgang mit illegalen Waren als wären es Hühnereier zeugt von einem merkwürdigen Selbstverständnis. Auch aktuelle Hypes wie Pokemon Go werden bedient: Eine für alle Länder freigeschaltete APK-Datei des Spiels soll es für unter einem Dollar geben. Photoshop-Druckvorlagen für Geldscheine? Unfug, aber für etliche Währungen verfügbar.

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Natürlich bedienen auch Verbrercher Hypes.

Geld. Und sonst?

Natürlich dreht sich ein Großteil des Darknets um Geschäfte und somit um Geldtransfers. Entsprechend groß ist das Angebot an Diensten rund um Bitcoins, etwa das OnionWallet. Daran ist grundsätzlich auch gar nichts verwerfliches, Bitcoins sind schlicht eine gute Möglichkeit, mehr oder weniger anonym zu bezahlen – ein wenig technisches Verständnis vorausgesetzt. OnionWallet & Co. agieren dabei einfach als digitale Geldbörsen, einem PayPal-Account nicht ganz unähnlich. Dazu gesellen sich Bitcoin-Anonymisierungsdienste, die die Verbidung zwischen Bitcoins und ihrer Herkunft (Kauf via Bank, Westerunion, persönlich, etc.) verschleiern. Die meisten Dienste im Darknet sind aber mit einem gewissen Risiko behaftet – ein Impressum, echte AGBs, Adressen und dergleichen sucht man hier natürlich vergebens. Insofern müssen Kunden hier schon wirklich gute Gründe haben, um Finanzdienstleister oder Marktplätze im Darknet zu nutzen. Diese müssen freilich nicht illegal sein.

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Euer Geld im Darknet verwalten? Naja …

Viele tote Links beim Darknet-Rundgang

Und sonst? Das war es eigentlich auch schon – das Darknet ist weitaus weniger spektakulär als man meint. Ein Großteil besteht aus toten Links beziehungsweise nicht mehr laufenden Seiten. Dazu gesellen sich viele Angebote für anonyme Kommunikation, Filesharing, verschlüsselte Pastebins, „freie Berichterstattung“ (…) und Käufe illegaler Waren. Und das meiste davon lässt sich auch im ganz „normalen“ Internet finden. Sicherlich gibt es im Darknet auch „wirklich interessante“ Foren/Tauschbörsen/Info-Quellen, aber der kurze Wochenendtrip in die böse Parallelwelt bringt vor allem eine Erkenntnis zu Tage: So spannend ist das alles nicht und erfordert denonch jede Menge Geduld.

Das Darknet verteufeln?

Das gesamte Onion-Universum mag sich in der Praxis großteilig aus illegalen Angeboten zusammensetzen, zumindest scheint es schnell so. Und natürlich ist es unerträglich, dass sich insbesondere Waffen scheinbar derlei einfach beschaffen lassen. Aber wenn ich mir vorstelle, in China, Nordkorea, der Türkei oder einem der vielen bürgerkriegsgeplagten Länder zu leben, wäre ich über jede Möglichkeit staatlicher Zensur und Verfolgung auszuweichen dankbar. Wie wäre es etwa mit einem sicheren Facebook-Zugang? Ja, auch Facebook ist im Darknet. Ob FB des Dissidenten erste Wahl ist? Im Darknet gibt es zum Beispiel auch WikiLeaks-Backups; zwar funktionieren gerade auch diese Links nicht, aber rein theoretisch …

Übrigens: Die oben erwähnte Linkschleuder ohne Namen mag typisch für Darknetbewohner erscheinen – aber auch Google findet und öffnet sie im ganz normalen Browser. Und nach eigenen Angaben läuft dieses „training camp“ seit 1995, wird bei reddit diskutiert, ist weithin bekannt. Dass gegen gängige, in diesem Fall US-amerikanische, Gesetzte verstoßen wird, ist dem Betreiber sehr wohl bewußt, er weißt selbst darauf hin:

Everything on this site is violating 18 U.S.C. § 842(p)(2)(A) (distribution of information relating to explosives, destructive devices, and weapons of mass destruction with the intent that such information be used in furtherance of a federal crime of violence).

Das krude Selbstverständnis dahinter: Die Welt ist schlecht, aber was existiert, sollte nicht zensiert werden. Also die absolute Freiheit von Informationen. Gepostet werden auf der Seite übrigens (fast) ausschließlich Texte, keinerlei Bilder oder Videos. Insofern finden sich dort weder Gewalt- noch pornografische Darstellungen – lediglich Texte darüber. Vermutlich der Grund (neben technischen Aspekten), warum die Site nach wie vor existiert.

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Weit, ganz weit entfernt von Google: Darknet-Suchmaschine Torch.

Das Darknet: Weitere Infos

Ihr seht: Dieses große, merkwürdige „Darknet“ ist nicht einfach mit der klassischen Schwarz-Weiß-Zeichnung zu bewerten. Neben den genannten Aspekten gibt es eine Menge praktischer Anwendungsszenarien, etwa der verschlüsselte und sichere Austausch von Passwörtern. Wenn Ihr den Schritt auf die „dunkle Seite“ wagt, solltet Ihr auf jeden Fall unsere Sicherheitstipps beachten. Ihr wollt noch mehr erfahren? Dann empfehlen wir Euch einen Blick in die diversen hervorragenden Bücher zum Thema Darknet.

UPDATE: Wir haben mittlerweile noch einen Artikel mit 15 interessanten Darknet-Seiten – samt Links.

Hat Euch der Beitrag gefallen? Wollt Ihr Euch was gönnen und uns ohne jegliche Nachteile für Euch etwas Gutes tun? Dann shoppt doch einfach über diesen Link bei Amazon oder unterstützt unsere Arbeit bei Patreon – die Tutonauten sagen danke :) 

Mirco Lang

Freier Journalist, Exil-Sauerländer, (ziemlich alter) Skateboarder, Dipl.-Inf.-Wirt, Einzelhandelskaufmann, Open-Source-Nerd, Checkmk-Handbuchschreiber. Ex-Saturn'ler, Ex-Data-Becker'ler, Ex-BSI'ler. Computer-Erstkontakt: ca. 1982 - der C64 des großen Bruders eines Freunds. Wenn Ihr hier mehr über Open Source, Linux und Bastelkram lesen und Tutonaut unterstützen möchtet: Über Kaffeesponsoring via Paypal.freue ich mich immer. Schon mal im Voraus: Danke! Nicht verpassen: cli.help und VoltAmpereWatt.de. Neu: Mastodon

11 Kommentare

  1. Hallo

    Wie soll ich Euch unterstützen – durch Amazon und wie Sie Alle heißen – wenn ich im Dark-Net NICHTS (also wirklich) kaufen soll?

    Wahrscheinlich müsst Ihr nicht hier drauf antworten, da ich diese, meine Anfrage, wohl nicht wiederfinden werde.

  2. Das Erstaunliche ist doch, man lädt sich den TorBrowser runter und glaubt bzw. hofft, das man dann ungesehen im Netz unterwegs ist. Wer gibt mir da die Bestätigung heutzutage, das dem so ist ? Wenn ich bedenke, ich suche über meinen privaten PC zu Hause nach Teufel Boxen, logge mich in der Firma (einer Bank) ein und bekomme im Browser Teufel Werbung, geht da mehr im Hintergrund ab, als man sich so vorstellen kann.

  3. nächste Woche wird mein Rechner gereinigt, Betriebssystem einmal neu aufspielen und dann werd ich Tor installieren, hab die Nase voll von Google und Co.
    Zum Glück hab ich mich nie in Sozialen Netzwerken angemeldet, wenn man hört was die mit unseren Daten machen, gab ein paar gute Dokus darüber, wie man uns am besten abzieht.

    Danke für Deine Aufklärung über das Darknet

  4. Eine tolle Einführung! Ich bereite einen Elternabend zum Thema Jugendschutz vor und darin würde ich gerne auch das Thema DarkNet behandelt. Deine sehr neutrale Sicht der Dinge finde ich überzeugend und werde versuchen, das Thema ähnlich aufzubereiten. Jetzt werde ich mir erstmal Tor installieren und mich selber ein bisschen umgucken. Hätte ich mich vor deinem Artikel nicht getraut… wie albern.

  5. Toller Artikel, wenn man sich einfach mal über das Thema Darknet informieren möchte. Unaufgeregt, sachlich, trotzdem nicht langweilig. Davon könnte sich so manche große Zeitung was abschauen ;) Daumen hoch!

  6. Sehr kurz, bündig und informativ. Als absolute nicht-Kenner empfehlenswert um eine Idee über Darunter sich zu machen.

    Danke,
    Marius

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