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Off-Topic: Vom Versuch, eine Corona-Impfung zu bekommen

Wer als Risikopatien außerhalb der Impf-Altersgruppe einen Corona-Impftermin haben möchte, sollte ein dickes Fell haben. Ich habe es probiert.

Es gibt nur einen Weg aus der Corona-Pandemie und den damit einhergehenden lästigen Lockdown-Maßnahmen: Impfen! Also wollte ich mich impfen lassen. Dummerweise scheint die Angst vor Corona-Impfneid in Deutschland größer als die Angst vor der Pandemie selbst: Selbst als bescheinigter Risikopatient muss man nämlich ein kafkaeskes Prozedere durchstehen, bis man überhaupt einen Termin erhält. Ich habe es trotzdem versucht. Spoiler: Geimpft bin ich nicht – ich habe nicht einmal einen Termin.

Hausarzt bekommt kaum Corona-Impfdosen

Aber fangen wir von vorne an: Meine Frau wurde, berufsbedingt impfpriorisiert, schon vor Wochen geimpft. Mit Astra Zeneca, und, man glaubt es kaum: Sie lebt noch! Das freute mich freilich sehr, und weil wir beide der Ansicht sind, dass die Welt schnellstmöglich wieder zum vorpandemischen Normalzustand zurück kommen sollte, sind wir der Corona-Impfung, wie auch Impfungen generell, gegenüber sehr aufgeschlossen. Ich rief also meinen Hausarzt an. Der checkte kurz meinen für mein jugendliches Alter scheußlich unguten Gesundheitszustand und sagte mir noch am Telefon, dass impfen absolut kein Problem wäre. Wenn, ja, wenn er denn genug Dosen bekäme, denn mein Hausarzt bekommt lächerlich wenig des Impfstoffs zugeteilt. Wie das halt so ist, wenn der deutsche Staat Dinge „effizient und gerecht“ regelt. So kam ich also auf die Liste, und weil in meinem Viertel viele alte Leute mit viel Zeit und wenig Lust auf Sterben wohnen, landete ich irgendwo ganz hinten. „Wir rufen sie an!“

Lieber Impfzentrum als Hausarzt für die Corona-Impfung?

Nachdem ich zwei Wochen nichts von meinem Hausarzt hörte, fragte ich nach. Er, genauer: Seine Vorzimmerdame, konnte nur noch traurig lachen. Ja, man würde mich anrufen, wenn denn irgendwann mehr Dosen kämen. Ein Zeitfenster konnte sie mir nicht sagen, weil Hausarztpraxen bei jeder Lieferung unterschiedliche Mengen erhalten, die sie aber nicht vorher wissen. Nun könnte unsere weise Regierung natürlich dafür sorgen, dass das Zeug, was sonst wegen des schlechten Rufs von Astra Zeneca in den Impfzentren weggeschmissen wird, direkt an irgendwelche Hausärzte geht, aber wo kämen wir denn da hin? Und so wurde mir empfohlen, mich beim Impfzentrum zu registrieren und ein Attest für die Impfberechtigung ausgestellt.

Corona-Impftermin bekommen? Aber bitte mit digitaler Hürde!

Um im Impfzentrum einen Termin zu bekommen, kann man in Köln zwei Wege gehen: Entweder über das System der KV Nordrhein oder über das der Stadt Köln. So weit, so zielgruppengerecht – wir reden im Moment, Stand 24.04.2021, von Menschen der Altersgruppe 70+, die sich nun also online (!) mit E-Mail-Adresse (!!) und Passwort (!!!) registrieren müssen. Ich registrierte mich auch, doch bei der KV wurde mir danach direkt mitgeteilt, dass ich zu jung sei. Eine Registrierung bei der Stadt Köln war gar nicht möglich, hier blockierte bereits die Altersabfrage bei der Registrierung das Weiterkommen.

Die beste Corona-Hotline der Welt

So stand ich Risikogruppler nun also da mit meinem Attest und fand keine Möglichkeit zur Impfterminierung. Was nun? Ich rief also bei der Corona-Hotline der Stadt Köln an. Die scheint jedoch Donnerstagnachmittags sehr schlecht besetzt zu sein. Nachvollziehbar, wir haben schließlich eine existenzbedrohende „Pandemie nationaler Tragweite“, da kann man schonmal an Hotline-Mitarbeitern sparen.

Ich habe da eine Theorie über Warteschleifen: Wartet man zu lange, wird man irgendwann vom Computer in einen Warteschleifen-Spam-Ordner geschoben. Zumindest, wenn man nicht vorher einen Schlaganfall wegen der blöden Musik hatte. In diesem Spam-Ordner muss man dann für immer warten. Vermutlich werden die Leute, die in der Corona-Warteschleife verhungern, auch zu den SARS-Covid-Opfern gezählt.

Sisyphus‘ Telefonschleife

So oder so warte ich aus Prinzip nie länger als 10 Minuten in Warteschleifen und versuche es danach erneut. Der Erfolg gibt mir meist recht, in diesem Fall habe ich aber entnervt aufgelegt. Stattdessen rief ich bei der KV Nordrhein an. Die Warteschleife war so gut, bessere Musik zu spielen. Schon nach wenigen Minuten war eine äußerst uncharmante Dame am Hörer, die mir dann auch unfreundlicherweise die Rufnummer der Hotline der Stadt Köln durchgab, die ich zuvor angerufen hatte. Sisyphus Telefonschleife eben.

Zurück bei der Kölner Hotline

Aber weil ich wirklich, wirklich diesen Impftermin wollte (streng genommen will ich, dass diese Corona-Maßnahmen aufhören und sehe keinen anderen Ausweg), rief ich erneut bei der Kölner Hotline an und nahm mir fest vor, länger als 10 Minuten durchzuhalten. In Minute 11 hob tatsächlich eine junge Dame ab. Nach einigem technischen Geplänkel und gegenseitiger Ansprache, als sei man geistig schwer herausgefordert, konnte ich endliche eine E-Mail-Adresse in Erfahrung bringen. Dabei entspann sich folgender loriot’scher Dialog:
„Die Adresse ist Impf(unverständlich)klön.dä“
„Impfbitte?“
„Impfanme(unverständlich)stadtklön.dä“
„ImpfWAS?“
„Impfanmeldung-stadtklön.de“
„Klön oder Köln?“
„Mit OE!“
„Klön mit OE?“
„Genau, aber Köln, nicht Klön.“
„Ah, OK. Also „Impfanmeldung(AT)stadt(Bindestrich)koeln.de?“
„Mit OE!!!“
„Und mit Bindestrich?“
„MIT OE!“
„OK, danke. Und warum findet man das nicht auf der Website?“
„Weil wir diese TOLLE Hotline hier haben.“ Fand ich auch. Und später heraus, dass die Adresse auch auf der Website der Stadt Köln kommuniziert wird. Und zwar richtig schön versteckt, damit sie auch bloß keiner findet. Überlastet ist sie trotzdem, sagte die Frau von der Hotline, die mich noch anwies, mein Attest „abzufotografieren“.

10 Days to go

Also schickte ich mein „abfotografiertes“ Attest an die genannte Mailadresse und erhielt – immerhin – umgehend eine Empfangsbestätigung. Wie bereits an der Hotline vorgewarnt, meldete die E-Mail eine Wartezeit von „bis zu 10 Tagen“ zur Bearbeitung. Anschließend soll ich einen Link zugeschickt bekommen, über den ich mich dann registrieren kann. 10 Tage, in denen ich mich anstecken kann. 10 Tage, in denen ich stündlich nervös in meinen Spam-Ordner schaue. Digitalisierung ist anspruchsvoll, gerade in diesen pandemischen Zeiten. Da darf man natürlich nicht erwarten, dass so etwas wie die Registrierung zur Impfung gegen eine potentiell lebensbedrohende Seuche rund läuft. Wir sind schließlich im Neuland!
Ach ja: „Die Seite ist immer überlastet, versuchen sie es einfach ganz oft“, gab mir die Hotline-Tante noch mit.

Na das ist hier doch mal schön barrierefrei alles!

Ich bin ein Digital Native und noch dazu ausgebildeter Journalist, und ich hatte jetzt wirklich Schwierigkeiten, als Vorerkrankter einen Termin zu bekommen. So lustig ich das hier vielleicht verpacke, streng genommen ist das eine Katastrophe: In meiner asthmatischen Impfgruppe sind laut Website der Stadt Köln auch

Personen mit einer besonders seltenen oder schweren Vorerkrankungen (…) Personen nach Organtransplantation, Personen mit einer Demenz, einer geistigen Behinderung oder mit schwerer psychiatrischer Erkrankung (…)

Und jetzt frage ich mal in die Runde: Wir zum Teufel sollen diese Leute das ganze Prozedere schaffen? Es ist schon absolut absurd, von den Alten zur Impfung eine Online-Registrierung zu verlangen. Aber anderen berechtigten Impfwilligen, noch dazu solchen mit geistigen Einschränkungen, solche Steine in den Weg zu legen, um „gerecht“ zu bleiben, ist nichts weiter als ein völliges Versagen der Impfkampagne.

Ich für meine Teil werde auch erst in 9 Tagen wissen, ob dieser Registrierungslink ankommt. Vielleicht ist mein Hausarzt ja auch schneller. Ob ich mit dem System alleine jemals einen Corona-Impftermin bekomme, ist eine andere Geschichte. Aber hey, ich bin froh: Ich musste bis jetzt immerhin kein Fax verschicken!

Update: Endlich die Corona-Impfung erhalten

Es hat tatsächlich nur 7 Tage gedauert, bis sich das Impfsystem der Stadt meldete. Samstagabend, am ersten Mai, habe ich meine erste Corona-Impfung mit Biontech/Pfizer bekommen. Insofern halb so wild. Trotzdem bleibt die Frage, wieso das alles so sperrig und umständlich sein muss…

Wie war Eure Corona-Impfung und die Terminfindung? Lasst es uns in den Kommentaren wissen!

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Christian Rentrop

Diplom-Journalist, Baujahr 1979. Erste Gehversuche 1986 am Schneider CPC. 1997 ging es online. Seither als Schreiberling in Totholzwäldern und auf digitalen Highways unterwegs. Öfter auch auf der Vespa oder mit dem Wohnwagen unterwegs. Seit 2020 Tochtervater, dementsprechend immer sehr froh über eine kleine Kaffeespende.

7 Kommentare

  1. Auf der KVNO Seite gibt es den „Vor-Zurück-Trick“.
    Springt man zwischen der Seite zur Auswahl des Impfzentrums (in meinem Fall Köln) und der Terminauswahl hin und her, erscheinen immer mal wieder freie Tage. Schnell einen auswählen und die 2 Uhrzeiten setzen. Scheitert die Auswahl der Uhrzeit, beginnt man das Spiel wieder bei der Auswahl des Impfzentrums. Nach 30 Minuten hat das mit der Uhrzeit bei mir auch geklappt und ich habe die Bestätigung erhalten.
    2 weitere Personen in meinem Bekanntenkreis haben so mit 30 bzw. 15 Minuten Einsatz einen Termin erhalten.

    1. Bin zwar auch Risikopatient, da ich keien Milz mehr habe, aber da meine Frau schwanger ist war ich auch Impfberechtigt.
      Ca. 5 mal die Impfseite 116117.de aufgerufen, angemeldet, verschiedene nahe gelegene Impfzentren ausprobiert, zwei Termine zur Auswahl erhalten und den ersten genommen. Nach 1 Std. 30 Min. im nächsten Impfzentrum Termin gehabt, Aufklärungsgespräch mit dem Arzt,, weiter zum Impfen, nach der Impfung 20 Minuten im Warteraum,, nach 45 Minuten raus ins Auto und alles war vorbei…

  2. Den Artikel hätte ich schreiben können – ich kann das 1:1 bestätigen. Ich bin BJ 76 und habe mehrere Vorerkrankungen. Trotzdem habe ich erst ganz grob mit Ende Mai gerechnet. Aber plötzlich klingelte das Telefon, das war vor ca. 4 Wochen. Der Hausarzt war dran und fragte, ob ich geimpft werden wolle, wenn es denn los geht. Logisch wollte ich. Dann bekam ich schon mal den ersten Termin. Wenige Tage später den Zweiten und nach zwei Wochen den Dritten. Jeder Termin musste abgesagt werden, weil die bestellten Impfdosen nicht kamen. Vor 5 Tagen wäre der vierte Termin gewesen. Mittlerweile wird vom Arzt kein fixer Termin mehr vergeben. „Wir rufen dann kurzfristig an“, heißt es nun. Seit dem warte ich. Alles sehr traurig, wenn man zuschauen muss, wie unfähig unsere Politiker im Nebel herumstochern und als einzigen Ausweg nur verschiedenste deutschen Begriffe für ein und die selbe Aktion erfinden: #stayathome.

  3. Ich hatte im Dorf keine Probleme. 1 Woche bevor die Hauarzt Geschichte (Impfen) Startete hab ich beim Hausarzt Hallo gesagt, ich will (Mit meiner Pflegeperson zusammen). Kam direkt in der Woche nach Ostern der Anruf in 10min bist du da, oder der Termin verfällt. Also Brötchen fallen gelassen und los gesprintet. :-)

  4. Schöner Artikel, der ein persönliches Schicksal beschreibt.
    Aus meiner Sicht aber tatsächlich ein persönliches. Auch ich ging zum Hausarzt – bekam ein Attest und bekam über die Seite 116117.de sehr rasche einen Termin und zwar im regionalen Impfzentrum. Dort lief alles gut organisiert ab und so habe ich meine 1. Impfung vor drei Wochen erhalten.
    Also einfach nicht aufgeben, in seinem Bundesland eventuell mal ein anderes Impfzentrum auswählen und Geduld haben. In meiner Familie, im Bekannten- und Freundeskreis gab es überwiegend die selben Erfahrungen.

  5. Ähnliche Erfahrungen hier in Nds. gemacht. Anmeldung über grottenschlechtes Web-Frontend klappt, wenn überhaupt, nur für Leute mit Smartphone, die dann einen Push-Code bekommen. Mir wurde als ehem. ITler klar, wie schlimm es wirklich um die Digitalisierung in Deutschland bestellt ist. Hotline lehne ich grundsätzlich ab, weil die immer chronisch unterbesetzt sind. Falls man bei dem Procedere durchgekommen ist, erhält man einen 8-stelligen alphnumerischen Code der aber nur aussagt, das man auf einer Warteliste steht. Immerhin.

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